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ENTWICKLUNGSHILFE/419: Entwicklungsländer protestieren gegen UN-Haushaltskürzungen (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 19. April 2011

Entwicklung: Entwicklungsländer protestieren gegen UN-Haushaltskürzungen

Von Thalif Deen


New York, 19. April (IPS) - Die Gruppe der 77, der mit 131 Mitgliedern größte Zusammenschluss der Entwicklungsländer, hat in einem Brief an UN-Generalsekretär Ban Ki-moon vehement gegen die geplanten UN-Haushaltskürzungen in Höhe von 155 Millionen US-Dollar protestiert. Das neue Budget für 2012 und 2013 müsse sich an den Erfordernissen der UN-Programme und nicht an den Interessen einer Gruppe von Industriestaaten orientieren, heißt es in dem Schreiben.

Der G77 zufolge ist Ban nicht berechtigt, Hand an das Budget der Weltorganisation ohne Rücksprache mit der 192 Mitgliedsstaaten zählenden UN-Vollversammlung anzulegen geschweige denn Kürzungen durchzusetzen.

Die Staatengruppe ist gegen jede UN-Restrukturierung, die zur Kostenreduzierung etwa durch die Zusammenlegung von Behörden, Regionalkommissionen, Büros oder operativen Aktivitäten führen. Der UN-Generalsekretär kündigte Anfang April an, dass man bei Reise- und Beratungskosten sparen wolle. Auch die Druckkosten für die UN-Berichte sollen gesenkt und die UN-Bibliotheken einer kritischen Überprüfung unterzogen werden. Denkbar wäre eine Einschränkung der Öffnungszeiten oder gar ihre Schließung. Außerdem ist die Rede davon, dass sich die Weltorganisation künftig Leistungen bezahlen lässt, die sie für andere Mitglieder der UN-Familie erbringt.

"Wir müssen, was das derzeitige Wirtschaftsklima angeht, realistisch sein", erklärte Ban kürzlich vor hochrangigen UN-Vertretern. "Selbst die reichsten Länder schnallen den Gürtel enger und verkleinern ihre Budgets. Die Vereinten Nationen dürfen nicht weniger diszipliniert sein. Wir können nicht wie bisher weitermachen."


Zweierlei Maß

Doch diese Argumentation lässt die G77 nicht gelten. Die globale Finanz- und Wirtschaftskrise als Begründung anzuführen, um eine Haushaltserhöhung der Vereinten Nationen zu verhindern, ist in ihren Augen eine Ausflucht. "Wie wir alle wissen, wurden Billionen Dollar für Stimulationspakete zur Rettung der Bankensysteme und Volkswirtschaften der Industrieländer geschnürt", schreibt der Staatenbund in seinem Brief. Die Entscheidung, den UN-Haushalt zu kürzen, sei somit kurzsichtig und möglicherweise politisch motiviert.

Nach den Vorstellungen Bans sollen drei Prozent des künftigen Zweijahreshaushaltes eingespart werden. Das Gesamtbudget 2010/2011 beträgt 5,2 Milliarden Dollar und liegt somit 20 Prozent über dem Haushalt 2008/2009 mit 4,2 Milliarden Dollar.

In ihrem Schreiben an Ban unterstreicht die G77, es sei wichtig, dass der UN-Doppeletat den von den UN-Programmmanagern identifizierten Erfordernissen gerecht werde. Schließlich seien die Programmmanager direkt für die Umsetzung der Mandate verantwortlich, die von den zuständigen UN-Institutionen beschlossen worden seien.

Um Menschen in Not zu helfen, seien Visionen und politische Führungsstärke vonnöten. "Unter den derzeitigen Umständen sehen sich die Entwicklungsländer mit zunehmenden Problemen bei der Bewältigung der sozialen und wirtschaftlichen Herausforderungen konfrontiert. Als eine Organisation, die den Ärmsten in den besonders gefährdeten Winkeln der Erde helfen soll, müssten die UN mit zusätzlichen Finanzmitteln ausgestattet werden."

Wie der UN-Personalchef Vijaya Nambiar im Namen des UN-Generalsekretärs unlängst auf einem Treffen des UN-Verwaltungs- und Haushaltsausschusses (Hauptausschuss 5) hinter verschlossenen Türen erklärte, hat Ban seine Manager angewiesen, "mit weniger Geld mehr zu tun". Mit Blick auf die G77-Kritik erklärte er, dass es bei den Kürzungen nicht darum gehe, bereits bewilligte Mandate so zu beschneiden oder zu verändern, so dass ihre Zielsetzung leide. Ziel sei es, die UN-Operationen effizienter zu gestalten.

Nambiar erklärte ferner, dass Weltwirtschaftskrise und humanitäre Katastrophen wie etwa der Atom-Super-GAU in Japan Auswirkungen auf die Finanzierung der UN-Agenturen haben würden. Die Vereinten Nationen seien es Japan, dem bisher zweitgrößten UN-Beitragszahler, und allen anderen Krisenländern schuldig, ihre Zuwendungen effizient und sparsam einzusetzen. Der UN-Personalchef betonte in diesen Zusammenhang, dass auch andere UN-Organisationen wie die Weltgesundheitsorganisation (WHO) und die Weltbank aufgerufen wurden, ihre Budgets um drei bis 20 Prozent zu kürzen.


Freund des Westens - Vorwürfe gegen UN-Generalsekretär

Einem Vertreter der G77-Gruppe zufolge, der sich Anonymität ausbat, ist man sich innerhalb der Staatengruppe sehr wohl über die Notwendigkeit im Klaren, die UN-Haushaltsmittel umsichtig einzusetzen. Doch insgesamt sei man unzufrieden damit, dass sich der UN-Generalsekretär noch vor Beginn der Budgetverhandlungen nach dem Sommer auf die Seite des Westens geschlagen habe.

Auf die Frage, ob sich die Gruppe vom UN-Generalsekretär ernst genommen fühle, erklärte dieQuelle: "Ich denke, wir sollten zunächst zwischen dem Sekretariat und dem Generalsekretär unterscheiden." Bei der G77 habe sich der Eindruck verfestigt, von Ban despektierlich behandelt zu werden. Ein weiterer Vorwurf lautet, Ban sei vor allem daran gelegen, vor seinen Partnern gut dazustehen.

Im Sekretariat selbst gebe es jedoch noch viele Mitarbeiter, die den Beitrag der G77 etwa beim Kampf um die Finanzmittel für verschiedene UN-Agenturen zu schätzen wüssten", sagte der G77-Vertreter. "Kurzum: Das Sekretariat nimmt die G77 noch immer ernst, da wir nach wie vor in vielen Angelegenheiten sein wichtigster natürlicher Verbündeter sind." (Ende/IPS/kb/2011)


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veröffentlicht im Schattenblick zum 20. April 2011