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MENSCHENRECHTE/286: Verbindliche Vorgaben für Multis gefordert - rund 500 NGOs für Schutzabkommen (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH
IPS-Tagesdienst vom 8. Mai 2014

Menschenrechte:
Verbindliche Vorgaben für Multis gefordert - Rund 500 NGOs für globales Schutzabkommen

Von Carey L. Biron


Bild: © Omid Memarian/IPS

Der UN-Menschenrechtsrat soll sich im Juni 2014 hinter eine Resolution stellen, die für ein verbindliches Abkommen zum Schutz vor und zur Ahndung von Menschenrechtsverletzungen durch Konzerne eintritt
Bild: © Omid Memarian/IPS

Washington, 8. Mai (IPS) - Ein Bündnis aus 500 Nichtregierungsorganisationen (NGOs) hat an die Mitgliedstaaten des UN-Menschenrechtsrats (HRC) appelliert, auf seiner Juni-Sitzung ein rechtsverbindliches Abkommen auf den Weg zu bringen, das transnationale Konzerne zur globalen Einhaltung von Menschenrechtsstandards verpflichtet.

Am 7. Mai riefen die Mitglieder des NGO-Netzwerks 'Treaty Alliance' die 47 HRC-Länder in einem offenen Schreiben dazu auf, einer entsprechenden, von Ecuador und Dutzenden anderen Staaten eingebrachten Resolution zuzustimmen. Die 26. HRW-Sitzung findet vom 9. bis 27. Juni in Genf statt.

In einer gemeinsamen Mitteilung, die mehr als 150 Organisationen unterzeichnet haben, die hunderte weitere Vereinigungen vertreten, wird auf die Notwendigkeit abgehoben, im Sinne internationaler Menschenrechtsstandards Multis rechenschaftspflichtig und im Fall von Verstößen haftbar zu machen. Es gelte zudem die rechtlichen Grundlagen zu schaffen, damit große Konzerne für Verbrechen zur Verantwortung gezogen werden könnten.


Globale Aufsichtsbehörde gefordert

Die Allianz drängt auf die Einrichtung einer übernationalen Aufsichtsbehörde, die über die Umsetzung des angestrebten Abkommens wacht. "Die Zeit für die Umsetzung der Idee, ein verbindliches Regelwerk zu schaffen, um Konzerne für Menschenrechtsverletzungen haftbar zu machen, ist gekommen", meinte dazu David Pred, Geschäftsführer von 'Inclusive Development International', einem Mitglied der Treaty Alliance, im Gespräch mit IPS.

"Transnationale Konzerne, denen eine Verantwortung für Morde angelastet wird, sind viel zu lange straffrei davongekommen", erklärte er. "Doch anstatt die Multis an die Kette zu legen, wurden sie von unseren Regierungen mit Hilfe von Freihandels- und Investitionsabkommen sogar mit noch mehr Macht ausgestattet." Seine Organisation stehe hinter dem Aufruf, "weil wir der Meinung sind, dass von der unkontrollierten Macht der Konzerne in heutiger Zeit die größte Gefahr für Menschenrechte und Demokratie ausgeht".

Die Forderung nach einer Stärkung des internationalen Rechtssystems, das mächtige Unternehmen dazu zwingt, sich auch im Ausland an internationale Menschenrechtsstandards zu halten, ist bereits Jahrzehnte alt. Tatsächlich konnte die Bewegung in der Vergangenheit einige Erfolge verbuchen. Bisheriger Höhepunkt war die Herausgabe von Richtlinien zu Unternehmen und Menschenrechten 2011 durch den HRC.

Von den Richtlinien geht jedoch aufgrund ihrer Unverbindlichkeit keine abschreckende Wirkung für die Konzerne aus, wie Gonzalo Berron vom 'Transnational Institute', der die Treaty Alliance mitgegründet hat, gegenüber IPS erklärte. "Wir sagen nicht, dass wir nicht wollen, dass die Richtlinien angewandt und gefördert werden. Das ist ein paralleler Prozess. Doch sind wir der Meinung, dass es mehr Sinn macht, die Gespräche über ein verbindliches Abkommen zu beschleunigen. Jetzt ist die Gelegenheit da, es voranzubringen."

Viele Verfechter eines solchen Abkommens sind mit Blick auf die bevorstehende HRC-Sitzung der gleichen Meinung. "In der Vergangenheit war es meist so, dass vor allem die betroffenen Gemeinschaften und bestimmte NGOs gegen die Menschenrechtsverletzungen großer Konzerne mobilisiert haben. Doch zum ersten Mal gibt es diese riesige weltweite Allianz aus unterschiedlichen Kampagnen. Das ist neu", fügte Berron hinzu.

Den Anfang hatte eine Gruppe aus 85 Ländern unter Führung von Ecuador auf der 24. Sitzung des Menschenrechtsrats im September 2013 gemacht, die die Richtlinien zu Unternehmen und Menschenrechten in einer gemeinsamen Stellungnahme als unzulänglich bezeichneten und die Notwendigkeit betonten, ein rechtlich verbindliches Rahmenabkommen zur Regulierung der transnationalen Konzerne zu schaffen.

Auf der HRC-Sitzung im kommenden Monat haben die Mitglieder des UN-Menschenrechtsrats somit Gelegenheit, auf diesem Prozess aufzubauen und die nächsten Schritte auf dem Weg zu einem international verbindlichen Abkommen zu Unternehmen und Menschenrechten zu gehen.


Von Staaten eingeleitete Initiative

Die Unterstützer weisen darauf hin, dass die Forderung direkt von UN-Mitgliedstaaten aufgebracht wurde. Nach Ansicht von Dominic Renfrey vom 'International Network for Economic, Social and Cultural Rights' könnte die derzeitige Zusammensetzung des HRC aus 47 Mitgliedstaaten dem Anliegen zuarbeiten. "Einige Mitglieder des Menschenrechtsrats sind sich der Auswirkungen der unzureichenden Regulierung der Konzerne für die Entwicklung ihrer Bürger vollends bewusst. Sie wollen von einem internationalen System zum Schutz der Menschenrechte ihrer Völker profitieren und gleichzeitig eine nachhaltigere und respektvollere Form von Investitionen haben."

Wie Amol Mehra, Leiter des globalen Bündnisses 'International Corporate Accountability Roundtable', gegenüber IPS erklärte, "verfolgen wir aufmerksam diese Entwicklung, werden uns aber vor allem auf die bestehenden Lücken konzentrieren, die verhindern, dass sich Regierungen an ihre Verpflichtung halten, die Menschenrechte zu schützen."

John Ruggie, UN-Sonderberichterstatter zu Unternehmen und Menschenrechten, mahnt jedoch zu Vorsicht. Seiner Meinung nach reicht ein Abkommen allein nicht aus, um der Komplexität des Themas gerecht zu werden. Wie er unlängst erklärte, gibt es weltweit 80.000 multinationale Konzerne und Millionen Subunternehmen. Die meisten Länder wären mit der Aufgabe, über die Einhaltung des Abkommens durch die Multis zu berichten, vollständig überfordert.

Eine supranationale Aufsichtsbehörde hätte mit dem gleichen Problem zu kämpfen. Diese grundlegenden Schwierigkeiten, das Abkommen umzusetzen, würden ferner durch das Zögern der Regierungen erhöht, Übergriffe außerhalb ihrer Hoheitsgebiete strafrechtlich zu verfolgen, zumal internationale Abkommen grundsätzlich auf Konsensentscheidungen fußten. "Jede neue Regelung zur Umsetzung des Abkommens müsste im Interesse ihrer Effektivität eine extraterritoriale Gerichtsbarkeit beinhalten."

Ruggie erinnerte daran, dass Staaten, in denen Multis ihren Hauptsitz haben, von einigen UN-Menschenrechtsgremien vergeblich dazu aufgerufen wurden, Bürger anderer Länder vor Menschenrechtsverletzungen ihrer Multis zu schützen. (Ende/IPS/kb/2014)


Link:
http://www.ipsnews.net/2014/05/u-n-treaty-corporate-rights-abuse-sees-new-momentum/

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IPS-Tagesdienst vom 8. Mai 2014
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veröffentlicht im Schattenblick zum 10. Mai 2014