Schattenblick →INFOPOOL →POLITIK → FAKTEN

MENSCHENRECHTE/289: Von Staatengemeinschaft eindeutiges Bekenntnis gegen Folter gefordert (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH
IPS-Tagesdienst vom 15. Dezember 2014

UN:
Von Staatengemeinschaft eindeutiges Bekenntnis gegen Folter gefordert

von Thalif Deen


Bild: © Jean-Marc Ferré/UN

Zeid Ra'ad Al-Hussein, der amtierende Hohe UN-Menschenrechtskommissar
Bild: © Jean-Marc Ferré/UN

New York, 15. Dezember (IPS) - Das perfekte Timing war wohl unbeabsichtigt: zeitgleich sind zum 30. Jahrestag der UN-Antifolterkonvention zwei hochbrisante Berichte über brutale Verhörmethoden des US-Geheimdienstes CIA und früherer brasilianischer Militärregime an die Öffentlichkeit gelangt.

Am Hauptsitz der Vereinten Nationen in New York löcherten Journalisten UN-Sprecher Stéphane Dujarric mit einer nicht enden wollenden Salve von Fragen zu der Reaktion von Generalsekretär Ban Ki-moon auf die vom US-Senat gegen den Geheimdienst CIA erhobenen Vorwürfe. "Der Generalsekretär ist überzeugt, dass das (in der UN-Konvention fixierte) Folterverbot rechtskräftig und nicht verhandelbar ist", erklärte Dujarric.

Der Sprecher schloss aus, dass Ban nach der Veröffentlichung des Senatsberichts direkt mit Vertretern der US-Regierung kommuniziert habe. "Der Generalsekretär hat nicht darüber zu befinden, ob dies der definitive Stand der Dinge ist. Es findet eine offene Debatte statt. Sie ist der Anfang eines Prozesses."

Die Verbreitung des Senatsberichts und eines Reports der Nationalen Wahrheitskommission in Brasilien über systematische Menschenrechtsverletzungen in dem südamerikanischen Land fiel zeitlich mit dem Tag der Menschenrechte zusammen, den die Vereinten Nationen jedes Jahr am 10. Dezember begehen.

Vijay Prashad, Professor für Internationale Studien am 'Trinity College' in Hartford, Connecticut, sprach von einem "merkwürdigen Zufall". Das, was der Geheimdienstausschuss des US-Senats enthüllt habe, sei "ein Skandal". Er sprach zudem von einem "sehr aussagekräftigen" Berichtsabschnitt, in dem es heißt, dass man den damaligen Außenminister Colin Powell nicht informiert habe, um zu verhindern, dass er Widerstand leiste. Obwohl die CIA die rote Linie übertreten und das US-amerikanische Volk getäuscht habe, werde niemand zur Rechenschaft gezogen, kritisierte Prashad, der als Experte für internationale Politik gilt und etwa 15 Bücher veröffentlicht hat.


UN-Antifolterkonvention vielerorts nicht befolgt

Die USA hatten die UN-Antifolterkonvention im Oktober 1994 ratifiziert. Brasilien hatte diesen Schritt bereits im September 1989 vollzogen. Der UN-Menschenrechtshochkommissar Zeid Ra'ad Al-Hussein forderte die 193 Mitgliedsstaaten der Weltorganisation nach den Enthüllungen dringend auf, eine eindeutige Haltung gegen Folter einzunehmen. "Der US-Bericht zeigt, dass Folter nach wie vor in vielen der 156 Länder praktiziert wird, die die Konvention ratifiziert und nationale Gesetze gegen Folter eingeführt haben."

Zeid erklärte, es müsse weitaus mehr als bisher getan werden, um der Folter auf der Welt ein Ende zu setzen. Dies erweise sich vor allem in den gegenwärtigen Zeiten zunehmender internationaler Terroraktivitäten als notwendig, sagte der frühere Repräsentant Jordaniens bei den Vereinten Nationen.

Der Bericht der brasilianischen Wahrheitskommission dokumentiert eine umfangreiche Folterpraxis, die 42 Jahre lang mit weiteren gravierenden und systematischen Menschenrechtsverletzungen einherging. In diesen Zeittraum fiel auch die Militärdiktatur von 1964 bis 1985. Die im Mai 2012 eingesetzte Kommission untersuchte schwerwiegende Menschenrechtsverbrechen zwischen 1946 und 1988. Dazu zählen gesetzeswidrige Inhaftierungen und Folter, sexuelle Gewalt, Hinrichtungen und die heimliche Beseitigung der Leichen sowie Verschleppungen. "Wenn diese Übergriffe massiv und systematisch begangen werden, sind sie als Menschenrechtsverbrechen zu bewerten", heißt es in dem Bericht.

Laut dem Report über die CIA wurden Terrorverdächtige nach den Anschlägen vom 11. September 2001 in den USA unter anderem bis zu einer Woche mit Schlafentzug, exzessivem 'Water-boarding' (Simulation des Ertränkens), gewaltsamen rektalen Untersuchungen und Kälteschocks gefoltert. Die CIA rechtfertigte ihr Vorgehen damit, dass sie durch eine solche Misshandlung von Verdächtigen weitere Terroranschläge gegen die USA verhindern wollte.

"Es gibt sehr signifikante Unterschiede zwischen den beiden außergewöhnlich wichtigen Berichten, nicht zuletzt angesichts ihres Umfangs und der Zeiträume, auf die sie sich beziehen", sagte Zeid. "Ich spreche den Regierungen von Brasilien und den USA meine Anerkennung dafür aus, dass sie die Veröffentlichungen ermöglicht haben." Nur wenige Länder auf der Welt würden zugeben, dass ihre Staatsapparate Folter praktizierten, so der UN-Menschenrechtshochkommissar. Und viele leugneten dies schamlos, auch wenn internationale Menschenrechtsinstitutionen das Gegenteil beweisen könnten.

Eine genaue Analyse der Berichte lasse Rückschlüsse auf die Versäumnisse zu, wegen der diese gravierenden internationalen Verbrechen, für die keine Straffreiheit gelten dürfe, bisher nicht beendet worden seien, sagte Zeid. Keiner der beiden Berichte beantworte jedoch die Frage, wie Brasilien und die USA künftig ihrer Pflicht nachkommen wollten, die von ihnen begangenen Verbrechen überprüfbar zu machen.

Wer die international als Verbrechen anerkannte Folter anordne, ermögliche oder praktiziere, dürfe nicht straffrei ausgehen, erklärte Zeid. "Ansonsten werde eine der bedeutendsten UN-Konventionen unterlaufen, und der Anspruch der USA, eine auf Rechtstaatlichkeit gründende zivilisierte Gesellschaft zu sein, sei unglaubwürdig. (Ende/IPS/ck/2014)


Link:
http://www.ipsnews.net/2014/12/is-u-n-convention-against-torture-in-jeopardy/

© IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH

*

Quelle:
IPS-Tagesdienst vom 15. Dezember 2014
IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH
Marienstr. 19/20, 10117 Berlin
Telefon: 030 / 54 81 45 31, Fax: 030 / 54 82 26 25
E-Mail: contact@ipsnews.de
Internet: www.ipsnews.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 17. Dezember 2014