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MENSCHENRECHTE/314: Amnesty International legt Acht-Punkte-Plan für Umgang mit Flüchtlingen vor (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH
IPS-Tagesdienst vom 19. Oktober 2015

Menschenrechte: Amnesty International legt Acht-Punkte-Plan für Umgang mit Flüchtlingen vor

von Tharanga Yakupitiyage


Bild: © Julien Harneis / Wikimedia Commons by cc-by-sa-2.0

Bewohner des Dorfes Kibati in der Demokratischen Republik Kongo auf der Flucht (2008)
Bild: © Julien Harneis / Wikimedia Commons by cc-by-sa-2.0

New York (IPS) - Die Reaktionen vor allem der westlichen Industrieländer auf die globale Flüchtlingskrise hat Amnesty International als unzureichend und "beschämend" bezeichnet. Die Menschenrechtsorganisation legte nun einen Acht-Punkte-Plan vor, in dem sie erläutert, wie das Ruder noch herumgerissen werden kann.

"Durch das katastrophale moralische Versagen der mächtigsten Politiker der Welt müssen Millionen von Menschen unter desaströsen humanitären Bedingungen leben", heißt es in einer Mitteilung der Organisation. Die Politiker "zanken und zaudern", statt die Flüchtlingshilfe beispielsweise finanziell ausreichend auszustatten. Bis zum 2. Oktober sei die UN-Flüchtlingshilfe in Syrien nur zu 46 Prozent finanziert gewesen. Die für die Flüchtlingshilfe in Südsudan notwendigen Gelder seien nur bis zu 17 Prozent eingegangen.

Obwohl so viele Flüchtlinge nach Europa einwanderten wie nie zuvor - aktuell rund 8000 pro Tag - müssten noch immer die ärmeren Länder der Welt die Hauptlast tragen. 86 Prozent aller weltweiten Flüchtlinge halten sich in Entwicklungsländern in Nahost, Afrika und Asien auf, so Amnesty International. In der Türkei beispielsweise leben 1,7 Millionen syrische Flüchtlinge, im Libanon machen sie ein Viertel der Gesamtbevölkerung aus.

"Das internationale Flüchtlingsschutzregime wird bald in Fetzen am Boden liegen, wenn die mächtigsten Politiker der Welt weiterhin versagen, Menschen zu beschützen, die vor Krieg und Verfolgung auf der Flucht sind", sagte AI-Generalsekretär Salil Shetty.

Die UN-Flüchtlingskonvention von 1951 und das sie ergänzende 'Protokoll über die Rechtsstellung der Flüchtlinge' von 1967 verpflichten alle Unterzeichnerstaaten dazu, Flüchtlinge überall auf der Welt zu beschützen. Aktuell haben 148 UN-Mitgliedstaaten entweder die Konvention oder das Protokoll oder beides ratifiziert, darunter auch Frankreich, die USA und Großbritannien.


Fremdenhass und Rassismus bekämpfen

Amnesty International fordert nun die reichsten Länder der Welt auf, in acht wichtigen Bereichen tätig zu werden: Humanitäre Hilfsaktionen für Flüchtlinge müssen vollständig finanziert, die notwendige Umverteilung von Flüchtlingen muss durchgeführt, sichere und legale Fluchtwege müssen geschaffen und Menschen, die in Todesgefahr schweben, müssen gerettet werden. AI fordert außerdem, dass die reichen Länder alle Flüchtlinge ihre Grenzen passieren lassen, dass Fremdenhass und Rassismus bekämpft werden und dass Menschenhandel untersucht und gerichtlich verfolgt wird. Als letzten Punkt fordert Amnesty, dass alle Länder, die dies noch nicht getan haben, die Flüchtlingskonvention unterzeichnen.

"Viele Regierungen haben ihre ganze Energie darauf verwendet, die Grenzen zu schließen. Derweil sind Tausende Menschen gestorben. Das ist eine Bankrotterklärung auf höchstem Level", sagte Shetty. "Dies ist ein historischer Moment. So, wie die Politiker heute entscheiden, werden sie noch jahrhundertelang erinnert werden. Und mit ihnen wird hart ins Gericht gegangen werden, wenn sie jetzt nicht ihren Kurs ändern."

Auch der UN-Generalsekretär Ban Ki-moon hatte bei seiner Eröffnungsrede der 70. UN-Generalversammlung die fehlende Empathie der Weltgemeinschaft kritisiert. Um 100 Millionen Menschen, die aktuell auf humanitäre Hilfe angewiesen seien, davon 60 Millionen Flüchtlinge, mit dem Nötigsten zu versorgen, brauche die UNO allein in diesem Jahr 20 Milliarden US-Dollar - sechsmal mehr als noch 2005. Doch die Geldbörsen der Mitgliedstaaten seien fest zugeschnürt, stellte Ban fest. "Wir bekommen nicht genug Geld, um alle Menschenleben zu retten."

Kriege und Konflikte dauern an vielen Orten der Welt bereits seit Jahren an. Syrien ist das aktuell prominenteste Beispiel, und die Konflikte um Boko Haram in Nigeria sind immer wieder in den Schlagzeilen. Doch auch in Eritrea, Libyen und dem Jemen haben Menschen mit dem Überleben zu kämpfen. Jahre nach Beginn der Intervention im Irak sowie in Afghanistan müssen Menschen hungern, leiden unter Warlords und Bedrohungen durch den Islamischen Staat und Al-Qaida. Seit Beginn der Krim-Krise ist auch in der Ukraine die Lage für die Menschen schwierig. In der Zentralafrikanischen Republik bekämpfen sich christliche und islamische Gruppen, und in Somalia dauert der innerstaatliche Konflikt bereits seit 40 Jahren an.


Mehr Flüchtlinge als jemals zuvor

All diese Konflikte haben die globalen Migrationsflüsse verstärkt, sodass aktuell 60 Millionen Menschen und damit mehr als jemals zuvor ihre Heimat hinter sich gelassen haben und einen Ort suchen, an dem sie bleiben können. 19,5 Millionen von ihnen sind über ihre Landesgrenzen hinaus geflohen. Damit ist jeder 122. Mensch auf der Welt entweder ein Flüchtling, ein intern Vertriebener oder ein Asylbewerber. (Ende/IPS/jk/19.10.2015)


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http://www.ipsnews.net/2015/10/amnesty-internationals-8-point-plan-for-refugee-crises/

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IPS-Tagesdienst vom 19. Oktober 2015
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veröffentlicht im Schattenblick zum 20. Oktober 2015

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