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MILITÄR/830: Statt Grundgesetz Militärdoktrin der EU (guernica)


guernica Nr. 2/2009, April/Mai 2009
Zeitung für Frieden & Solidarität, Neutralität und EU-Opposition

"Wie zuletzt vor 1945"
BRD: An die Stelle des Grundgesetzes tritt die Militärdoktrin der EU

Von Ulrich Sander


Auch in der BRD wird von den Machteliten die EU-Ebene benutzt, um sich friedenspolitischer und antifaschistischer Errungenschaften der Nachkriegszeit zu entledigen. So werden die grundgesetzlichen Bestimmungen, die die Teilnahme an Angriffskriegen verbieten, durch die EU-Militärdoktrin ausgehebelt. Die Militarisierung im Innern schreitet rapid voran. Auszug aus einem Vortrag von Ulrich Sander (Vorstandsmitglied der "Linken" NRW) bei der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes - Bund der AntifaschistInnen (Dortmund, 17.05.2008)


Die Kriege zur Rohstoffsicherung und Energieversorgung der westlichen Industriestaaten- und darum handelt es sich im Kern bei den heutigen "weltweiten Einsätzen" - haben das öffentliche Leben in diesen Staaten, auch in unserem, stark verändert, zumeist für viele unmerklich. Neue Runden im Wettrüsten und neue Kriege stehen bevor. Der Krieg soll zum Alltag werden. Dementsprechend werden dem widersprechende Regeln des Völkerrechts außer Kraft gesetzt.


EU-Militärdoktrin anstelle des Angriffsverbots

Und das geschieht in unserem Lande vor allem durch faktische Beseitigung der grundgesetzlichen Bestimmungen zum Verbot des Angriffskrieges und seiner Vorbereitung und durch faktische Streichung der Bestimmung, dass die Bundeswehr nur zur Verteidigung dient (Artikel 26 und 87a).. An die Stelle des Grundgesetzes tritt die Militärdoktrin der EU, ob mit oder ohne EU-Verfassung, die den grundgesetzlichen Rahmen überwölben - sprich ihn aushebeln - soll.

Zum Abbau der Demokratie gehört die Militarisierung des Landes. Dies ist ein schneller werdender Prozess. Die Gefahr einer Rechtsentwicklung mittels innerem Militarismus, geduldetem Neonazismus und autoritärem Überwachungsstaat ist offensichtlich. Es herrscht hierzulande eine große Unkenntnis über das, was die Militärs politisch vorhaben. Die Bundeswehr wurde transformiert - von der Verteidigungsarmee zur Einsatzarmee. Entsprechend wurden und werden Waffen und Gerät beschafft. Nun geht es an die Transformation der Gesellschaft, die in Bundeswehrzeitschriften durchaus als Aufgabe des Militärs bezeichnet wird. Es wurde dafür ein Bundeswehr-"Zentrum für Transformation" geschaffen....

Der Abbau der Freiheitsrechte wird allgemein mit dem Krieg gegen den Terror begründet, der von außen in unser Land getragen werde. Bundesinnenminister Schäuble malt sogar "nukleare Angriffe" mit schmutzigen Bomben auf unser Land an die Wand, um sein Ziel zu erreichen, durch Onlinedurchsuchungen flächendeckend Freiheitsrechte abzubauen. Kriegsminister Jung will eine Grundgesetzänderung erzwingen, um die Bundeswehr auch zum Kriegführen im Innern des Landes legal einsetzen zu können - und wenn dieser Verfassungsbruch nicht erlaubt wird, dann werde man eben den "übergesetzlichen Notstand" ausrufen, um gegen die Verfassung zu handeln; z.B. verdächtige Flugzeuge abzuschießen.


Zentralisierung der Sicherheitsapparate

Es bildet sich eine integrierte Struktur der Sicherheitskräfte heraus, wie es sie zuletzt in der Zeit vor 1945 gegeben hat. Ganz oben sieht die dazu gehörige Struktur so aus: Geschaffen wurde das gemeinsame Terrorismusabwehrzentrum" in Berlin-Treptow mit Bundeskriminalamt, Bundesnachrichtendienst, Kriminal- und Verfassungsschutzämtern der Länder, Bundespolizei, Zollkriminalamt, Militärischer Abschirmdienst, Generalbundesanwalt und Bundesamt für Migration und Flüchtlinge. Noch 2003 lehnte der ehemalige Verfassungsschutzpräsident Eckart Werthebach eine solche Zentralisierung des Sicherheitsapparats aus "historischen und rechtspolitischen Gründen" ab; die "Assoziation mit dem Reichssicherheitshauptamt" der Nazizeit sei zu naheliegend. Doch die Zentralisation schreitet voran: Die Einsatzführungsstäbe der Bundeswehr wie der Bundespolizei sind nunmehr in Potsdam angesiedelt, noch in unterschiedlichen Immobilien. 40.000 Bundespolizisten werden seit einigen Wochen aus einer zentralen Kommandostelle in Potsdam befehligt.


Bundeswehr gegen "Giobalisierungsgegner"

Ausdrücklich heißt es in Bundeswehrpublikationen, diese Bundeswehreinsätze im Innern dienten nicht nur der Bekämpfung von Naturkatastrophen und der Hilfe bei Unglücksfällen, sondern auch dem Kampf gegen den Terrorismus, worunter das Vorgehen gegen die außerparlamentarische Opposition, zu verstehen ist. Laut Information für die Truppe 3/2002 heißt der Kampfauftrag: Gegen "Chaosgruppen wie z.B. die Gruppe der Globalisierungsgegner". Ein Foto in der "Europäischen Sicherheit" 2/2007 zeigt "Soldaten des JgBtl 292 bei der Ausbildung gegen Demonstranten"; die Demonstranten haben Arbeitskleidung an....

Eine neue extrem rechte Organisation entsteht, - zusätzlich zum Wirken alter und neuer Rechtsextremer in der Bundeswehr. Und das ist die Reservistenbewegung. In rund fünf Millionen Familien gibt es Reservisten, zu denen die Bundeswehr möglichst laufend Kontakt hält. Die militaristischen Traditionsverbände und die Reservistenverbänden erhalten immer mehr Macht - und Geld der Steuerzahler. Zur militaristischen Massenbasis beitragen soll auch die Aufwertung des Soldatenberufs: Schönere Uniformen sind geplant, ein neues EK Eisernes Kreuz, eine zentrale Grabstätte und Ehrenmal in Berlin.


Kommando Spezialkräfte

1995 wurde die deutsche Elitekampftruppe "Kommando Spezialkräfte" (KSK) gegründet. Reinhard Günzel, bis 2003 Kommandant des KSK, über seine Erwartungen an seine Untergebenen: "Ich erwarte von meiner Truppe Disziplin wie bei den Spartanern, den Römern oder bei der Waffen-SS" (zit nach TAZ, 24.5.2004) Als "Wurzeln der Truppe" bezeichnet Günzel die "Division Brandenburg", eine Spezialeinheit der deutschen Wehrmacht, die im 2. Weltkrieg für Sabotageeinsätze und Angriffe hinter den feindlichen Linien zum Einsatz kam.


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Quelle:
guernica Nr. 2/2009, April/Mai 2009, Seite 11
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veröffentlicht im Schattenblick zum 28. Oktober 2009