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MILITÄR/957: Fest verankert (german-foreign-policy.com)


Informationen zur Deutschen Außenpolitik - 5. Juni 2019
german-foreign-policy.com

Fest verankert


BERLIN - Mit dem diesjährigen "Tag der Bundeswehr" wollen die deutschen Streitkräfte erklärtermaßen die soziale Militarisierung weiter vorantreiben. Es gehe darum zu demonstrieren, dass die Truppe "aus der Gesellschaft heraus für die Gesellschaft da ist", heißt es in den zugehörigen Propagandapublikationen. Dabei kann sich die Armee insbesondere auf willfährige Landes- und Kommunalpolitiker stützen. Mehrere Regional- und Gemeindefeste wurden eigens auf den "Tag der Bundeswehr" verlegt; neben Waffen und Kriegsgerät werden flächendeckend Einsatzfahrzeuge von Polizeibehörden, Technischem Hilfswerk (THW) und Rettungsdiensten zu sehen sein. Das hierin zum Ausdruck kommende Vorgehen korrespondiert mit einer deutlichen Zunahme sogenannter freilaufender Übungen der deutschen Streitkräfte. Dabei trainieren Kampfeinheiten inmitten der Zivilbevölkerung unter anderem Operationen zur Aufstandsbekämpfung in Afghanistan. Die betroffenen Bürger werden schon im Vorfeld auf die entsprechenden Manöver eingestimmt - und erhalten zugleich Informationen über den "Arbeitgeber Bundeswehr".

"Mama und Papa im Panzer"

Wie die deutschen Streitkräfte mitteilen, gehe es beim diesjährigen nationalen "Tag der Bundeswehr" am 15. Juni darum zu demonstrieren, dass die Truppe "aus der Gesellschaft heraus für die Gesellschaft da ist".[1] Das Programm der Propagandaveranstaltung trägt diesem Ziel Rechnung: Während "Mama und Papa im Panzer mitfahren", stehe ein eigens dafür eingesetztes "Team" von Militärs "den gesamten Tag den Kindern zur Verfügung", heißt es. Auch für Jugendliche sei schlicht "alles möglich", erklären die Verantwortlichen: Sie "können Soldaten bei ihrer eigentlichen Arbeit beobachten - sei es in einer Einsatzübung oder im nachgestellten Einsatzgebiet". Wer sich dann, durch diese Art von "Action und Spaß" ermuntert, für eine berufliche Tätigkeit bei der Armee interessiere, dem stehe das "Fachpersonal" eines "Karrieretruck(s)" ganztägig "Rede und Antwort", lässt die Bundeswehr wissen.[2]

Feldpost in den Weltkriegen

Betont wird dabei immer wieder, die Truppe sei "gesellschaftlich fest" in den deutschen Regionen "verankert" und "eng" mit den jeweiligen Gemeinden "vernetzt".[3] Zum Beleg können die Militärs etwa auf die brandenburgische Kommune Schlieben verweisen, deren Verwaltung das örtliche Stadtfest nach eigenem Bekunden "zum ersten Mal in seiner über 500-jährigen Geschichte" bewusst verschoben hat - auf den "Tag der Bundeswehr". Man wolle nach 2016, als die Veranstaltung ebenfalls in Schlieben stattfand, auch dieses Jahr die "Verbundenheit der Bundeswehr mit der Bevölkerung ... aufleben lassen", heißt es zur Begründung.[4] Gleiches gilt für die Gemeinde Bad Hersfeld, wo der "Tag der Bundeswehr" - wie bereits 2017 in Rüsselsheim - fest in die Feierlichkeiten zum sogenannten Hessentag integriert ist. Dort soll laut Programm unter anderem ein "Sonderfeldpostamt" eingerichtet werden, das Besuchern die Möglichkeit bietet, mit Sonderstempeln versehene Postkarten in alle Kriegsgebiete zu verschicken, in denen deutsche Soldaten operieren.[5] Die Bundeswehr gibt sich in diesem Zusammenhang gleichermaßen volksnah wie traditionsbewusst: "In den beiden Weltkriegen war die Feldpost ein wichtiges Mittel, um die Moral der Soldaten aufrecht zu erhalten."[6]

Die Blaulichtmeile

Passend dazu wird die Truppe am "Tag der Bundeswehr" einmal mehr die von ihr seit langem propagierte "zivil-militärische Zusammenarbeit" öffentlichkeitswirksam in Szene setzen. An nahezu allen Veranstaltungsorten soll eine sogenannte Blaulichtmeile eingerichtet werden, auf der sich Repressionsbehörden und Rettungsdienste präsentieren. Beteiligt sind unter anderem das Technische Hilfswerk (THW), das Deutsche Rote Kreuz, die Johanniter Unfallhilfe, die Feuerwehr und verschiedene Dienststellen der Bundespolizei -inklusive "Spezialeinheiten".[7] Zum Zeichen ihrer gesellschaftlichen "Verwurzelung" planen die deutschen Streitkräfte zudem, den öffentlichen Raum zu besetzen. So wird die in Bayern stationierte Panzerbrigade 12 am "Tag der Bundeswehr" laut Programm "direkt in die Stadt Cham um(ziehen)". An der dortigen Stadthalle sei dann sowohl der "einzige Ausstellungs-Tornado" der Truppe zu sehen wie auch der Schützenpanzer "Puma", die "neue 'Raubkatze auf Ketten'".[8] In Stralsund (Mecklenburg-Vorpommern) wiederum will die dortige Technikschule der deutschen Kriegsmarine nach eigener Darstellung ihre enge "Verbundenheit" mit der Kommune durch eine öffentliche Rekrutenvereidigung zum Ausdruck bringen - unmittelbar "vor der Backsteingotik der Hansestadt".[9]

Freilaufende Manöver

Die Okkupation öffentlicher Straßen und Plätze durch die Streitkräfte am "Tag der Bundeswehr" geht einher mit einer deutlichen Zunahme sogenannter freilaufender Übungen. Dabei trainieren mit schwerem Kriegsgerät ausgestattete Kampfeinheiten inmitten der Zivilbevölkerung (german-foreign-policy.com berichtete [10]). Ein entsprechendes Manöver, bei dem sich Soldaten des Panzergrenadierbataillons 411 auf ihre Besatzungstätigkeit in Afghanistan vorbereiteten, fand erst unlängst in Pasewalk (Mecklenburg-Vorpommern) statt. Dem Szenario zufolge ging es dabei darum, den Kommandeur der Aufstandsbekämpfungsoperation "Resolute Support" bei seinen Treffen mit afghanischen Behördenvertretern zu begleiten und gegen Angriffe zu sichern. Um die hierfür notwendigen Aktionen so "realitätsnah" wie möglich umzusetzen [11], wurden laut Bundeswehr sowohl die lokale Polizeistation als auch die Wache der Freiwilligen Feuerwehr durch Panzerwagen vom Typ "Dingo" handstreichartig "abgeriegelt".[12] Parallel dazu holten die beteiligten Militärs nach eigenem Bekunden bei den in der Region lebenden Menschen "Informationen über die Ortslage" ein - "ähnlich wie es Soldaten im Auslandseinsatz tun, wenn sie auf Patrouille gehen und Ortsansässige befragen".[13] Die Soldaten sollten einmal "abseits der Übungskünstlichkeit auf dem Truppenübungsplatz gefordert werden", hieß es zur Begründung.[14]

"Berglöwe 2019"

Ein ganz ähnliches Manöver fand in der Zeit vom 11. bis zum 23. Mai unter der Bezeichnung "Berglöwe 2019" in den bayerischen Landkreisen Traunstein, Rosenheim und Berchtesgadener Land statt. Angehörige der Gebirgsjägerbrigade 23 trainierten dabei laut Bundeswehr den Kampf gegen "reguläre feindliche Streitkräfte" und mit diesen verbündete "Milizen" [15]; beteiligt waren etwa 1.200 Soldaten sowie rund 250 Gefechtsfahrzeuge, Hubschrauber und Drohnen. Für die ortsansässige Bevölkerung dürfte die Übung alles andere als ungefährlich gewesen sein, wie aus den an sie gerichteten "Sicherheitshinweisen" der Truppe hervorgeht. Darin heißt es unter anderem, die in den Landkreisen operierenden "Militärkolonnen" seien "befugt, rote Ampeln zu überfahren", und könnten nicht vollständig "durch Polizei und Feldjäger abgesichert werden". Auch wird darauf hingewiesen, dass das "Berühren und Aneignen von Munition und Munitionsteilen" strikt verboten sei: "Sollten Sie Munition finden, wenden Sie sich bitte an das Bürgertelefon, damit eine fachgerechte Beseitigung erfolgen kann."[16]

Rekrutierungspropaganda

Gleichwohl hält sich die Bundeswehr zugute, die im Gebiet von "Berglöwe 2019" lebenden Bürger mit Hilfe von Broschüren, Flugblättern und digitalen Medien umfassend "informiert und in die Vorbereitungen der Übung eingebunden" zu haben. Zudem sei der Ablauf des Manövers Vertretern der betroffenen Landkreise und Gemeinden, der Polizei sowie des Bayerischen Bauernverbands, der Bayerischen Staatsforsten, der Bergwacht und der Sektion Traunstein des Deutschen Alpenvereins bereits weit im Vorfeld "erklärt" worden, heißt es.[17] Analog zu den für den "Tag der Bundeswehr" geplanten Aktionen nutzten die deutschen Streitkräfte nach eigenem Bekunden die geschilderten Gelegenheiten, um gleich noch etwas Rekrutierungspropaganda zu betreiben: "Karriereberater aus München und Bad Reichenhall gaben interessierten Bürgern Auskunft über Berufsmöglichkeiten bei der Bundeswehr."


Anmerkungen:

[1] "Die Bundeswehr ganz nah am Bürger" - Schliebener Stadtfest wird auf Tag der Bundeswehr gelegt. tag-der-bundeswehr.de 21.02.2019.

[2] Aktion pur! Die Bundeswehr in Dillingen hautnah erleben. tag-der-bundeswehr.de 20.05.2019.

[3] Die Faßberger "Heideflieger" in Aktion erleben. tag-der-bundeswehr.de 21.05.2019.

[4] "Die Bundeswehr ganz nah am Bürger" - Schliebener Stadtfest wird auf Tag der Bundeswehr gelegt. tag-der-bundeswehr.de 21.02.2019.

[5] Vom Diensthund bis zum Tiger: Spannendes erleben am Tag der Bundeswehr in Bad Hersfeld. tag-der-bundeswehr.de 21.02.2019.

[6] Sonderfeldpost aus Hamburg. tag-der-bundeswehr.de 23.05.2019.

[7] Spezialkräfte ganz nah erleben. tag-der-bundeswehr.de 19.02.2019.

[8] "CHAMeradschaft" erleben - Der Tag der Bundeswehr 2019 in Cham. tag-der-bundeswehr.de 21.02.2019.

[9] Erneut ist die Marinetechnikschule Gastgeber. tag-der-bundeswehr.de 19.02.2019.

[10] Siehe hierzu Manöver in zivilem Umfeld.
https://www.german-foreign-policy.com/news/detail/7657/

[11] Patrouillenfahrt mit Sprengsatz und Gefecht: Panzergrenadiere üben einsatznah. deutschesheer.de 16.05.2019.

[12] Training für Afghanistan: Grenadiere und Dingos in Pasewalk. bundeswehr.de 08.05.2019.

[13] Patrouillenfahrt mit Sprengsatz und Gefecht: Panzergrenadiere üben einsatznah. deutschesheer.de 16.05.2019.

[14] Training für Afghanistan: Grenadiere und Dingos in Pasewalk. bundeswehr.de 08.05.2019.

[15] Übung Berglöwe: Technik wird per Bahn transportiert. deutschesheer.de 14.05.2019.

[16], [17] Übung Berglöwe: Gebirgsjäger kämpfen unter realen Bedingungen. deutschesheer.de 10.05.2019.

[18] Übung Berglöwe: Technik wird per Bahn transportiert. deutschesheer.de 14.05.2019.

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Quelle:
www.german-foreign-policy.com
Informationen zur Deutschen Außenpolitik
E-Mail: info@german-foreign-policy.com


veröffentlicht im Schattenblick zum 6. Juni 2019

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