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PARTEIEN/122: 14. Internationales Treffen der Kommunistischen und Arbeiterparteien (UZ)


UZ - Unsere Zeit, Nr. 50 vom 14. Dezember 2012
Sozialistische Wochenzeitung - Zeitung der DKP

Imperialismus setzt auf Spaltung
14. Internationales Treffen der Kommunistischen und Arbeiterparteien vom 22. bis 25. November in Beirut/Libanon

von Rosi Feger



Unter dem Motto "Die Kämpfe gegen die zunehmende imperialistische Aggressivität verstärken, für die Befriedigung der Völker sozialökonomischen und demokratischen Rechte und Bestrebungen der Völker, für den Sozialismus" trafen sich in Beirut VertreterInnen von 59 Kommunistischen und Arbeiterparteien aus 44 Ländern. Gastgeber war die Libanesische Kommunistische Partei (LKP), und den Genossinnen und Genossen möchte ich an dieser Stelle für die wirklich überwältigende Gastfreundschaft noch einmal herzlich danken!

Zentrales Thema waren die jüngsten Übergriffe der israelischen Armee auf Gaza, der Krieg in Syrien und die Konzeption des "New Middle East" ("Neuer Naher Osten"). In seiner Eröffnungsrede betonte der Vorsitzende der LKP, Dr. Khaled Hadadah, dass die Aufstände in der Arabischen Welt eng verbunden sind mit dem US-Projekt "New Middle East". Mit diesem imperialistischen Programm planen die USA mit ihren Gefolgsleuten in Europa, der Türkei und den Golfstaaten eine Neuordnung der Region, diese Koalitionen beinhalten auch Bündnisse mit dem so genannten "gemäßigten Islam".

In den letzten Jahren erreichte der Neoliberalismus auch die arabischen Staaten. Die Folgen waren eine sprunghafte Zunahme von Korruption und Unterdrückung, Abbau sozialer und politischer Rechte, die Verarmung großer Teile der Bevölkerung und ein massiver Anstieg der Staatsverschuldung auf Kosten der unteren und mittleren Klassen.

Dies waren die ursächlichen Gründe für die arabischen Aufstände, die dann unterschiedliche Erscheinungsformen annahmen. Die Aufstände durchkreuzten die Pläne der USA und zwangen zu schnellem Eingreifen, um die Bewegungen zu absorbieren (wie in Ägypten und Tunesien), zu unterdrücken (Bahrain und Libyen) oder umzuleiten (wie im Jemen und jetzt auch in Syrien).

Dies geschah durch Unterstützung interner Verbündeter ("Opposition") mit Waffen, durch Koalitionen mit islamistischen Kräften, egal ob moderat oder fundamentalistisch, und durch Marginalisierung des nationalen demokratischen Widerstands, wenn er sich weigert, zu den Waffen zu greifen.

Wo es den imperialistischen Staaten gelingt, Kämpfe zwischen Ethnien und Konfessionen zu entfachen, entstehen Spaltungen, die den Klassenkampf im Bewusstsein der Bevölkerung in den Hintergrund treten lassen. In Syrien sind nationale Verhandlungen der einzig richtige Weg, um der Umklammerung zu entgehen, jede militärische Lösung, egal von welcher Seite sie kommt, von Regierung oder Opposition, nutzt ausschließlich den imperialistischen Interessen.

Da die Aufstände in der arabischen Welt ursächlich Klassenkämpfe sind, müssen die Linken und Kommunisten diese Kämpfe unterstützen, unabhängig von den ersten sichtbaren Resultaten. Dass zunächst der politische Islam an die Macht kam, darf die Bedeutung der Aufstände nicht schmälern oder in ein negatives Licht setzen, vielmehr muss sich daraus die Aufgabe für die linken und kommunistischen Kräfte ergeben, ihre Positionen zu stärken und in einer zweiten Phase die Ohnmacht und Unfähigkeit dieser Systeme deutlich zu machen. Dabei muss die Palästinafrage die Basis jeder Gegenposition zum US-Projekt sein, denn sie hängt untrennbar mit dem Programm des "New Middle East" zusammen. Das palästinensische Volk muss unterstützt werden gegen die US- und zionistischen Aggressionen in Gaza, und diese Verantwortung tragen wir alle, denn die Palästinafrage und der Schutz des zionistischen Staates ist der Kernpunkt dieser imperialistischen Pläne. Soweit zu den Ausführungen des Genossen Dr. Khaled Hadadah.


Zur Situation im Libanon:

Im Libanon sind die höchsten Staatsämter per Verfassung auf Vertreter der wichtigsten religiösen Gruppen aufgeteilt (Christen, christliche Maroniten, Sunniten, Schiiten), dieses konfessionelle System führt zu ständigen internen Konflikten, wird aber von der Bourgeoisie als probates Machtmittel weiter aufrecht erhalten. So dauert der Bürgerkrieg immer noch an, manchmal verdeckt, manchmal explodierend.

Die Beseitigung dieses Systems und die Schaffung eines säkularen und demokratischen Staates gehört zu den wichtigsten Forderungen der libanesischen Linken und Kommunisten.

Bei einer Bevölkerung von 4 Millionen liegt die Staatsverschuldung bei 60 Milliarden Dollar, die Wirtschaft des Landes ist weitgehend zerstört, darüber hinaus hat auch hier die internationale Wirtschaftskrise ihre Auswirkungen gezeigt. Dazu kommt die permanente Bedrohung durch Israel: Neben der Palästinenserfrage ist die Ausbeutung der reichen Öl- und Gasfelder vor der Küste Libanons ein Pulverfass zwischen den beiden Staaten.

In den Referaten und Diskussionen waren sich die TeilnehmerInnen einig in der Einschätzung der Finanzkrise. Erstaunlich war, dass sich selbst bei den Genossen aus den Ländern des früheren Jugoslawien, Griechenland, Spanien usw. die Kritik an militärischen Aktionen fast ausschließlich auf die USA und Israel bezog, Deutschland wurde nur in Hinblick auf wirtschaftliche Repressalien thematisiert, und auch das weitaus weniger, als ich erwartet hatte. Es war aber ein Thema meines Beitrags und wurde danach ausführlich in Gesprächen erörtert.

Einige Aspekte der Referate sollen hier noch in aller Kürze angesprochen werden: Der Genosse aus Ungarn berichtete, dass dort 90 Prozent der Bevölkerung unter sehr schlechten Bedingungen leben, ein Drittel unter der Armutsgrenze, was einerseits eine höhere Akzeptanz für die Kommunistische Partei zur Folge hat, andererseits auch den faschistischen Kräften neuen Zulauf beschert, die Juden, Sinti und Roma als Schuldige für die Krise im Land bezeichnen. Die EU scheint am Ende ihrer Kräfte, ein Krieg in Europa wäre eine Katastrophe, aber das Kapital würde nicht davor zurückschrecken. Er betonte die Notwendigkeit der Solidarität mit Syrien, was bedeutet, dass wir in unseren Ländern dagegen kämpfen müssen, dass unsere Regierungen die NATO- und EU-Aggressionen gegen Syrien unterstützen. "Wenn Syrien verliert, verlieren wir alle. Wenn Syrien gewinnt, werden wir alle stärker sein." Der Genosse aus Zypern (AKEL) stellte heraus, dass Syrien tiefgreifende demokratische Reformen braucht, aber diese müssen aus dem freien Willen des syrischen Volkes entstehen und nicht durch ausländische Intervention. Syrien spielt eine Schlüsselrolle in der Schaffung des "New Middle East" durch die USA, ihrer Verbündeten und ihrer Marionettenregierungen. Einige Beiträge thematisierten den zunehmenden Einfluss faschistischer Parteien.

Neben den Vertretern der KPen Ungarns, Kanadas, der Ukraine und der DKP betonten auch die Genossen aus Russland dieses Problem. Faschisten treten in Russland offen auf, sie werden mit Waffen ausgerüstet, außer den Kommunisten gibt es kaum organisierten Widerstand gegen die Bewegung "Russland den Russen". Der Vertreter der RKAP (Russische Kommunistische Arbeiterpartei) betonte, dass das Finanzkapital neofaschistische Strömungen in den Nahen Osten exportiert (er nannte es "Fascism for export", dieser Begriff solle explizit auf die Politik von USA und NATO angewendet werden).

Aus der Türkei kamen VertreterInnen von zwei Parteien, EMEP und TKP, die vor allem über die Haltung der Türkei zu Syrien und die Vorgänge an der Grenze referierten. Die regierende AKP Erdogans bezeichnete Assad lange Jahre als "Bruder", mittlerweile mutierte er zum "Tyrannen". Ankara unterstützt offen die FSA und den Syrischen Nationalrat, u. a. durch Bewaffnung, Ausbildung und Logistik. Die angeblichen Schüsse der syrischen Armee über die Grenze der Türkei werden als "Border Bombings" bezeichnet, es sind Auseinandersetzungen zwischen den kurdischen Parteien und Gruppen in Nordsyrien und der FSA, die ihre Milizen über die türkische Grenze nach Syrien einschleust. Die syrische Armee schießt nicht in die Türkei. Das bestätigten auch Genossen aus Syrien und Kurdistan-Irak.

Die Hungerstreiks der kurdischen Gefangenen in den türkischen Gefängnissen, die zum Zeitpunkt der Tagung noch andauerten, wurden als Teil des Kampfs des Volkes für Freiheit und Demokratie betrachtet und die Forderungen unterstützt. Die Genossen aus Ägypten und Jordanien berichteten übereinstimmend, dass die Muslimbrüder erkennbar keine Zukunft hätten, die Bevölkerung erkennt mittlerweile, dass die Losung "Islam ist die Lösung" nur leeres Gerede ist. Dennoch haben die Muslimbrüder weitgehende Kontrolle erreicht, nicht nur wirtschaftlich (während die Bevölkerung weiter verarmt), sondern auch im Bildungsbereich. Obwohl in Jordanien die Muslimbruderschaft derzeit alle Rechte an sich reißt, wird der Sturz des Regimes von allen Parteien abgelehnt, da es unabsehbare Probleme mit sich bringen würde.

In Ägypten brannten zum Zeitpunkt der Tagung bereits mehrere Zentralen der Muslimbrüder, die Situation hat sich ja mittlerweile noch zugespitzt. Seit einiger Zeit entwickelt sich hier eine breite linke Front (Sozialdemokraten, Kommunisten) gegen die Regierung.

Der Genosse der KPUSA berichtete, dass seine Partei die Wiederwahl Obamas im Rahmen eines breiten linken Bündnissen unterstützte, aber nur deshalb, weil ein Wahlsieg der Rechten die völlige Katastrophe bedeutet hätte. Die KPUSA organisiert und unterstützt die Massenaktionen gegen Obamas Außenund Innenpolitik.

In den Niederlanden (Referat der Neuen Kommunistischen Partei der Niederlande, NCPN) erzielte die extrem rechte Partei PVV ("Anti-Islamische Partei") weniger Stimmen als bei den letzten Wahlen, ist aber immer noch drittstärkste Partei. Die Attacken des Vorsitzenden Wilders richten sich nun auch gegen die EU. Die Vier-Parteien-Gespräche mit DKP, KP Luxemburg und der PTB (Partei der Arbeit Belgiens) wurden trotz bestehender Differenzen als sehr wichtig hervorgehoben.

Die gute Zusammenarbeit mit der DKP wurde auch vom Vertreter der PTB in Zusammenhang mit den Demonstrationen gegen Ford in Genk und Köln hervorgehoben. In den letzten Monaten wurden durch Betriebsschließungen in Belgien 20 000 Menschen arbeitslos. Die DKP beteiligte sich an den Demonstrationen von mehr als 20 000 ArbeiterInnen in Genk gegen die Schließung der dortigen Ford-Werke, vorangegangen waren am 7. November Demonstrationen in Köln mit MitarbeiterInnen von Ford Genk.

Ein wichtiges Thema, das von anderen Teilnehmern nicht angesprochen wurde, sind die ökologischen Katastrophen, die der Kapitalismus verursacht. Der Genosse der KP Finnlands nannte als Beispiel die Talvivaara-Mine, eine Nickelmine, die schon mehrere Male massive Umweltprobleme durch austretende Schwermetalle und Sulfate verursachte. Gegen den Minenbetreiber entwickelte sich ein breites Bündnis. "Nur der Sozialismus kann die völlige Zerstörung der Umwelt des Planeten verhindern." Die Frauenfrage wurde nicht explizit behandelt, aber in der Abschlusserklärung wurde betont, dass die Angriffe auf wirtschaftliche, soziale und Arbeitsrechte der Frauen sich drastisch verschärft haben, mit brutaler Verschlechterung der Lebensbedingungen im öffentlichen und privaten Bereich. So ist der Kampf für die reale Verbesserung der Lebensbedingungen von Frauen ein wesentlicher Bestandteil des Kampfs gegen den Kapitalismus.


Unterwegs in Beirut

Nach der Konferenz hatte ich etwas Zeit, mich in Beirut umzusehen. Vor dem 1. Weltkrieg kam Beirut unter dem Mandat des Völkerbunds unter französische Herrschaft und entwickelte sich bald zur Finanzmetropole des Nahen Ostens. "Naher Osten" ist ein Begriff aus dem Sprachgebrauch der Kolonialzeit, wie uns erklärt wurde, aber wir haben ihn dennoch verwendet, irgendwie muss mensch es ja benennen. Jedenfalls stammen aus dieser Zeit noch Prachtstraßen mit repräsentativen Fassaden, aber auch an vielen anderen Stellen der Stadt sieht man schöne alte Häuser mit dekorativen Balkonen und Fenstern, meist jedoch in erbärmlichem Zustand. Die Aktiengesellschaft SOLIDERE baute nach dem Bürgerkrieg die repräsentativen Viertel in neuem Glanz wieder auf, etwas einförmig, aber halbwegs dekorativ und nichtssagend.

Die Stadt ist aus der Fernsicht geprägt von riesigen Betonburgen, daneben stehen zerbombte, leerstehende Wohntürme, teilweise noch mit Einschusslöchern, andere Hochhäuser wurden nicht fertig gebaut, offensichtlich Zeugnisse geplatzter Immobiliengeschäfte. Die Stadt zeigt sich jedesmal anders, wenn man um die nächste Ecke biegt.Es gibt Straßen mit riesigen modernen Neubauten, gewaltigen Werbeplakaten und mondänen Schuhgeschäften und eine Gasse weiter reihen sich die kleinen orientalischen Geschäfte für den täglichen Bedarf mit den bekannten Rollläden und dahinter leerstehende Häuser mit und ohne Einschusslöcher. Die Banken und exklusiven Geschäfte sind nur eine Seite Beiruts, es ist auch die Stadt der Armen, fast die Hälfte der libanesischen Bevölkerung lebt in der Hauptstadt. An vielen Stellen sieht man Straßensperren und Stacheldraht, allgegenwärtig sind Militär und Polizei. Sprengstoffanschläge sind nicht mehr an der Tagesordnung, aber immer noch Teil des Alltags, und wenn die Konflikte in der Region sich ausweiten ist der Libanon mitten im Geschehen. Wie der Genosse der AKEL es formulierte: Der Libanon ist eng mit dem Schicksal Syriens verbunden und wird sehr wahrscheinlich der nächste Brennpunkt dramatischer Entwicklungen werden.

Tun wir alles dafür, dass es nicht so weit kommt.

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Quelle:
Unsere Zeit (UZ) - Zeitung der DKP, 44. Jahrgang, Nr. 50 vom 14. Dezember 2012, Seite 12
Herausgeber: Parteivorstand der DKP
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veröffentlicht im Schattenblick zum 24. Januar 2013