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SICHERHEIT/116: US-Waffenlobby hintertreibt internationales Kontrollabkommen (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH
IPS-Tagesdienst vom 13. Februar 2013

Abrüstung: US-Waffenlobby hintertreibt internationales Kontrollabkommen - Aufklärungskampagne vor Gesprächen angelaufen

von Carey L. Biron


Bild: © Coralie Tripier/IPS

Demonstration von Befürwortern strengerer Waffenkontrollen vor dem Sitz der Vereinten Nationen in New York
Bild: © Coralie Tripier/IPS

Washington, 13. Februar (IPS) - Gut einen Monat vor Beginn der Verhandlungen für ein internationales Abkommen, das den Handel mit Kleinwaffen regeln soll, haben Aktivisten in den USA eine Aufklärungskampagne gestartet. Ziel sei es, gegen Fehlinformationen vorzugehen, die von den Abkommensgegnern im US-Kongress verbreitet würden.

Die 'National Rifle Association' (NRA), ein Lobbyverband der Waffenindustrie, und ihre Verbündeten hätten eine "Lügenkampagne" losgetreten und verdrehten absichtlich Tatsachen, um in den USA Widerstand gegen die internationale Konvention zur Kontrolle des Waffenhandels (ATT) aufzubauen, teilten die Organisatoren der Informationskampagne mit, die am 12. Februar von der humanitären Hilfsorganisation 'Oxfam America' gestartet wurde.

Oxfam und andere Teilnehmer der Kampagne wiesen darauf hin, dass der internationale Handel mit Obst oder Elektronik genauer geregelt sei als viele Waffenverkäufe. Sie forderten ein Abkommen, das immer dann ein Verbot von Waffenlieferungen vorsieht, wenn feststeht, dass damit Menschenrechtsverbrechen Vorschub geleistet werde. Diese Regelung soll sich auf alle 'konventionellen' Waffen und Munitionen beziehen und sämtliche rechtlichen Schlupflöcher für bestimmte Länder schließen.

Unter Leitung der UN sollen die Vertragsverhandlungen Ende März für zehn Tage in New York wiederaufgenommen werden. Nach dreijähriger Vorbereitung hatten bereits im vergangenen Sommer Gespräche stattgefunden, die Ende Juli ergebnislos zu Ende gingen. Vertreter der USA hatten gemeinsam mit der russischen und chinesischen Delegation überraschend angekündigt, dass sie mehr Zeit benötigten. Kurz vorher hatten Vertreter der Zivilgesellschaft ihrem wachsenden Frust über die Verfahrensverzögerungen Luft gemacht. Sie hielten einigen Verhandlungsführern vor, die Angelegenheit nicht ernst zu nehmen.


NRA macht öffentlich Stimmung gegen Abkommen

Ende Juli ging zudem die NRA vehement gegen ein mögliches Abkommen vor. Die Vereinigung, die seit Jahren der stärkste Gegner einer Regulierung des Waffenhandels in den USA ist, rechnete es sich selbst als Verdienst an, das ATT 'getötet' zu haben. Außerdem behauptete sie, erreicht zu haben, dass Dutzende Abgeordnete des Kongresses US-Präsident Barack Obama geschrieben hätten, dass sie "starken Widerstand" gegen das Abkommen leisteten.

Obama hatte allerdings einen Tag nach seiner Wiederwahl im vergangenen November seine Absicht erklärt, eine neue Verhandlungsrunde anzuberaumen. "Genau davor hat die NRA gewarnt", teilte die Gruppe daraufhin mit. "Wir müssen wohl nicht extra sagen, dass unsere Meinung zu einem Vertrag, der die Rechte amerikanischer Waffenbesitzer beeinträchtigen könnte, dieselbe bleibt wie bisher."

Mitte Januar legte ein Senator der Republikaner aus Virginia den Entwurf zu einer Resolution vor, die sich gegen jedwedes künftige Waffenkontrollabkommen stellt. Dabei ist der Text des Abkommens bisher nicht abschließend formuliert worden. Als Gründe führt die NRA an, dass ein ATT angeblich gegen den zweiten Zusatz zur US-Verfassung verstoßen würde, der besagt, dass jeder Bürger "das Recht hat, Waffen zu besitzen und mit sich zu führen". Außerdem erklärt der Lobbyverband, dass ein solches Abkommen erforderlich machen würde, dass Länder Waffenbesitzer in nationalen Registern erfassten.

Aus einem weiteren Dokument von Oxfam, das am 12. Februar an Mitglieder des US-Parlaments verteilt wurde, geht hervor, dass keines der beiden von NRA vorgebrachten Argumente einer genauen Prüfung standhalte.

Oxfam weist darauf hin, dass es in dem Entwurf zu dem Abkommen, das der nächsten Gesprächsrunde im März als Basis dienen soll, heißt, dass Regelungen zu konventionellen Waffen innerhalb eines bestimmten Staatsgebietes "das souveräne Recht und die Verantwortung" der jeweiligen Regierung bleiben werden. Außerdem wird explizit hervorgehoben, dass Waffen für die Jagd und ähnliche Aktivitäten verwendet werden dürften.

Zweitens bezieht sich der Vertrag laut Oxfam nur auf Importe und Exporte von Waffen durch nationale Regierungen und nicht auf privaten Besitz. Zudem würden exportierende Staaten in dem Entwurf nur dazu angehalten, Maßnahmen zu ergreifen, um zu verhindern, dass Waffen "auf den illegalen Markt gelangen und für unerlaubte Zwecke verwendet werden". Die NRA hat bisher keine Stellungnahme zu diesen Ausführungen abgegeben.


Verschärfte Parlamentsdebatte seit Schulmassaker in Connecticut

"Es ist zwar schwer zu sagen, welchen Einfluss die NRA auf die Verhandlungen nehmen kann. Andererseits ist es interessant, dass sie hauptsächlich über etwas diskutiert, das außerhalb des Rahmens der ATT-Gespräche liegt", sagte Scott Stedjan von Oxfam America. Seit aber bei einer Schießerei an einer Grundschule im Bundesstaat Connecticut im Dezember 27 Menschen getötet wurden, führten die Parlamentarier in Washington die seit Jahrzehnten wichtigste Debatte über Waffenkontrolle, meinte Stedjan. Die NRA sei aus Sicht vieler Beobachter in die Defensive gegangen.

Zwischen den Diskussionen im Kongress in Washington über die US-Gesetzgebung und den anstehenden Verhandlungen über das ATT in New York gibt es allerdings keine direkte Verbindung. Angesichts der neuen Lage zeigte sich Stedjan jedoch zuversichtlich, dass die NRA sich auf die Debatte innerhalb der USA konzentrieren und ihren Widerstand gegen das internationale Abkommen abschwächen werde. (Ende/IPS/ck/2013)


Links:

http://www.un.org/disarmament/ATT/
http://home.nra.org/
http://www.oxfamamerica.org/
http://www.ipsnews.net/2013/02/advocates-lay-groundwork-for-new-arms-trade-talks/

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IPS-Tagesdienst vom 13. Februar 2013
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veröffentlicht im Schattenblick zum 15. Februar 2013