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SICHERHEIT/117: Saudi-Arabien - Atomwettrüsten mit Iran unwahrscheinlich, neue Studie von US-Think Tank (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH
IPS-Tagesdienst vom 21. Februar 2013

Saudi-Arabien: Atomwettrüsten mit Iran unwahrscheinlich - Neue Studie von US-Think Tank

von Jim Lobe



Washington, 21. Februar (IPS) - Ein einflussreicher Think Tank in den USA hat der gängigen Meinung widersprochen, dass die Nachbarstaaten des Iran nach Atomwaffen streben werden, sollte Teheran tatsächlich in den Besitz dieser Massenvernichtungswaffen kommen.

In dem Bericht 'Atomic Kingdom: If Iran Builds the Bomb, Will Saudi Arabia Be Next?' räumen die CNAS-Experten zwar ein, dass die Regierung in Riad sehr daran interessiert sein dürfte, "irgendein nukleares Abschreckungsmittel zu haben, um auf eine iranische Bombe zu reagieren". Das Königreich würde aber vermutlich eher unter dem Atomschirm der USA Schutz suchen, statt ein eigenes Kernwaffenprogramm zu entwickeln oder sich Atomwaffen aus dem Freundesland Pakistan zu kaufen.

"Saudi-Arabien würde wahrscheinlich seine Strategie der konventionellen Verteidigung und der Absicherung der zivilen Kernkraftnutzung aggressiver als bisher weiterführen und zugleich eine externe nukleare Sicherheitsgarantie von Pakistan oder von den USA suchen", geht aus dem 49-seitigen Bericht des Zentrums hervor, dessen Hauptautor Colin Kahl in nahezu der gesamten ersten Amtszeit von US-Präsident Barack Obama die Nahost-Politik im Verteidigungsministerium bestimmt hatte.

"Zu guter Letzt könnte sich eine mögliche US-Atomgarantie für die Saudis als praktikabler und attraktiver erweisen als die pakistanische Alternative", so der Report. Israel und die USA hingegen haben stets davor gewarnt, dass der Erwerb einer Atomwaffe durch den Iran einen Rüstungswettlauf in der Region auslösen würde.


Atomgespräche mit Iran werden bald fortgesetzt

Die Studie ist kurz vor der geplanten Wiederaufnahme der für sieben Monate unterbrochenen Atomgespräche zwischen dem Iran und der Gruppe der P5+1-Staaten (USA, Großbritannien, Frankreich, Russland, China plus Deutschland) am 26. Februar erschienen. Die Hoffnungen auf einen Durchbruch sind allerdings gering. Die meisten Beobachter rechnen erst dann mit größeren Fortschritten, wenn im Juni ein neuer iranischer Präsident das Amt übernehmen wird.

Beobachtern zufolge werden diese neuen Überlegungen als zentrale Botschaft auf der jährlichen Konferenz des mächtigen 'American Israel Public Affairs Committee' (AIPAC) vom 3. bis 5. März verbreitet. Dort werden so gut wie alle Mitglieder des Parlaments in Washington erwartet.

Für die meisten Vertreter Israels und der USA ist ein mit Atomwaffen ausgestatteter Iran "inakzeptabel". In dem Fall würde die 'Abschreckung', die ein Schlüsselelement der Politik gegenüber der ehemaligen Sowjetunion war, nicht funktionieren. Zudem sind sie davon überzeugt, dass der Erwerb von Atomwaffen durch den Iran eine Kettenreaktion in den rivalisierenden Nachbarstaaten Türkei, Ägypten und vor allem Saudi-Arabien auslösen würde. Diese Länder sähen sich demnach dazu gezwungen, so rasch wie möglich atomar aufzurüsten. Damit würde in der an Energiequellen reichen Region ein atomares Pulverfass entstehen.

Letzteres Argument wird dem Report zufolge in den USA besonders eindringlich von pro-israelischen Lobbygruppen, neo-konservativen Denkfabriken und Kommentatoren vorgebracht. Es ist den CNAS-Experten zufolge jedoch nicht haltbar.

Im Einklang mit der Linie der Obama-Regierung betont die Studie, dass es in erster Linie darum gehen sollte, den Iran am Erwerb von Atomwaffen zu hindern. "Selbst ein geringes Risiko eines an vielen Orten mit Nuklearwaffen ausgestatteten Nahen Ostens sollte vermieden werden", heißt es. Schlagen die Präventivmaßnahmen fehl, sollte mit dem Entwurf eines Abschreckungsmodells begonnen werden, das auch eine mögliche Atomgarantie für Saudi-Arabien beinhalten würde.

Der Bericht, der sich fast ausschließlich auf Saudi-Arabien konzentriert, schließt aus, dass Ägypten und die Türkei auf iranische Atomwaffen mit eigenen Kernwaffenprogrammen reagieren würden. Ägypten sehe Teheran "nicht als existenzielle Bedrohung" und müsse sich um viele andere Probleme kümmern. Die Türkei hingegen verfüge als NATO-Mitglied bereits über eine glaubwürdige nukleare Abschreckung.

Seit einem chinesischen Test vor fast 50 Jahren sind nur vier Länder - Israel, Indien, Pakistan und Nordkorea - auf den Nuklearzug aufgesprungen. Sieben andere Staaten gaben dem Bericht zufolge entweder ihre Kernwaffen oder ihre durchaus entwickelten Atomprogramme auf. (Ende/IPS/ck/2013)


Links:

http://www.cnas.org/files/documents/publications/CNAS_AtomicKingdom_Kahl.pdf
http://www.aipac.org/pc
http://www.ipsnews.net/2013/02/saudi-arabia-seen-unlikely-to-seek-nukes-if-iran-gets-one/

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Quelle:
IPS-Tagesdienst vom 21. Februar 2013
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veröffentlicht im Schattenblick zum 23. Februar 2013