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SICHERHEIT/157: Israel beharrt auf Atomwaffenmonopol - Atomwaffenfreie Zone nicht in Sicht (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH
IPS-Tagesdienst vom 18. Februar 2015

Nahost:
Israel beharrt auf Atomwaffenmonopol - Atomwaffenfreie Zone nicht in Sicht

von Thalif Deen


Bild: © Eskinder Debebe/UN

UN-Generalsekretär Ban Ki-moon (links) mit Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu vor Journalisten in Jerusalem am 13. Oktober 2014
Bild: © Eskinder Debebe/UN

New York, 18. Februar (IPS) - Während die fünf UN-Vetomächte und Deutschland noch bis zum 24. März über ein Grundsatzabkommen mit dem Iran verhandeln, das den Streit über das iranische Atomabkommen beenden soll, haben Kernwaffengegner einen alten Vorschlag aus der Schublade geholt: die Einrichtung einer von Massenvernichtungswaffen freien Zone Nahost.

Israel will unter allen Umständen verhindern, dass die Nachbarstaaten - allen voran der Iran, aber auch Saudi-Arabien und Ägypten - den nuklearen Weg einschlagen. Wie Hillel Schenker, Redakteur beim 'Palestine-Israel Journal' mit Sitz in Jerusalem, betont, setzt Ministerpräsident Benjamin Netanjahu dabei auf die Karte, die ihm seit jeher politisch nützlich war: die Angst. Netanjahu beharre auf der Meinung, dass Israel ausschließlich als waffentechnisch überlegener Staat mit starker politischer Führung seine künftigen Herausforderungen meistern könne.

In der zweiten Februarwoche stellte der iranische Staatspräsident Hassan Ruhani den beiden Atomwaffenstaaten USA und Israel die ironisch gemeinte Frage: "Ist es Ihnen eigentlich mit Ihren Atombomben gelungen, für die eigene Sicherheit zu sorgen?"

Die Abrüstungsorganisation 'Arms Control Association' schätzt die Zahl der atomaren Sprengköpfe, die sich im Besitz Israels befinden, auf 100 bis 200. Die israelische Regierung hat den Besitz von Atomwaffen bisher weder bestätigt noch bestritten. Gleichwohl stemmt sie sich wie die USA gegen den Vorschlag, den Nahen Osten zu einer atomwaffenfreien Zone zu machen.


Regionales Atomwaffenmonopol Israels

Bob Rigg zufolge, einem früheren Redakteur bei der Anti-Chemiewaffen-Organisation (OPCW), ignorieren die USA die Einschätzung aller 13 US-Geheimdienste, dass es seit 2004 keinen Hinweis mehr auf die Absicht des Irans gebe, sich Kernwaffen zu beschaffen. "Israel ist somit das bisher einzige Land in Nahost, das Atomwaffen besitzt. Zählt man die nuklearen und konventionellen Kapazitäten der USA hinzu, verfügen die USA und Israel über einen enorm starken strategischen Hebel in der Region", betont Rigg.

Lange Zeit waren syrische Chemiewaffen die einzige reale Gefahr für Israel gewesen. Doch sie wurden inzwischen vernichtet. Ihr Zerstörungspotenzial sei lange nicht zur Kenntnis genommen worden, so Rigg, ehemaliger Vorsitzender des Neuseeländischen Konsultativkomitees für Abrüstung. Dabei hätten die syrischen Raketen aus russischer Produktion problemlos sämtliche israelischen Ballungsgebiete erreichen können.

Fragen, die sich Militäraktivisten gern stellen, lauten: Warum hat ein Land wie Israel, das über Atomwaffen und über einige der modernsten konventionellen US-Rüstungsgüter verfügt, Angst davor, dass die Nachbarstaaten in den Besitz von Massenvernichtungswaffen gelangen? Wäre es wahrscheinlich, dass der Iran, Saudi-Arabien oder Ägypten, würden sie Kernwaffen besitzen, diese gegen Israel einsetzten, wohlwissend, dass sie damit die Palästinenser ausrotten würden?

Dazu meinte Schenker im IPS-Gespräch: "Sollte der Iran für Nuklearwaffen optieren, dann höchstwahrscheinlich aus sicherheitspolitischen Überlegungen, und nicht um Israel anzugreifen. Allerdings ist es nach wie vor wünschenswert, dass er nicht an Atomwaffen herankommt."

Die beste Lösung wäre es seiner Meinung nach, aus dem Nahen Osten eine Zone frei von Massenvernichtungswaffen zu machen. Doch dafür sei ein Prozess erforderlich, der einerseits im Rahmen der Arabischen Friedensinitiative (API) auf eine Resolution zum Nahostkonflikt, andererseits auf ein regionales Friedens- und Sicherheitsabkommen hinauslaufen müsse.

Die API hat Israel Frieden und eine Normalisierung der Beziehungen zu den Staaten der Region angeboten. Als Gegenleistung müsste Israel die Besatzung der Palästinensergebiete beenden und der Gründung eines palästinensischen Staates in den Gebieten Westjordanland und Gazastreifen mit Ostjerusalem als Hauptstadt zustimmen. Darüber hinaus müsste eine Lösung des Flüchtlingsproblems gefunden werden.

Mitte März wird die Academic Peace Orchestra Middle East Initiative ein Treffen in Berlin einberufen, das sich mit der Umsetzung des Mandats der Helsinki-Konferenz auseinandersetzt, auf der die Errichtung einer massenvernichtungswaffenfreien Zone in Nahost diskutiert worden war.

Im Rahmen des Treffens ist eine Sitzung geplant, an der auch der finnische Botschafter und Moderator der Veranstaltung, Jaakko Laajava und Regierungsvertreter aus Israel, Saudi-Arabien, Ägypten und Deutschland teilnehmen werden. Auch ein iranischer Vertreter wird anwesend sein.

Vom 27. April bis 22. Mai findet dann in New York die Vertragsstaatenkonferenz zur Revision des Atomwaffensperrvertrags statt.


Israelische Atomwaffen seit Staatsgründung Thema

Wie Rigg gegenüber IPS erläutert, hatte Israels erster Ministerpräsident Ben Gurion von Anfang an auf Atomwaffen bestanden. Israel war damals von den neu geschaffenen, 55 Mitglieder zählenden Vereinten Nationen zugelassen worden. Die meisten Entwicklungsländer waren damals noch damit beschäftigt, sich von den Folgen des Zweiten Weltkriegs zu erholen. Andere mussten erst noch gegründet werden.

Die USA und die Westmächte waren die treibenden Kräfte hinter der Gründung Israels gewesen. "Sie wollten trotz der Ermordung des schwedischen UN-Vertreters Folke Berdadotte durch israelische Terroristen einen israelischen Staat", meinte Rigg. Berdadotte stand damals im Ruf, ein Freund der Palästinenser gewesen zu sein.

Auch die Palästinenser selbst waren damals konsultiert worden. Ihr Nein wurde jedoch geflissentlich überhört. Damals gab es zudem nur zwei arabische UN-Mitgliedstaaten. Auch ihr Einspruch wurde ignoriert. Die meisten muslimischen Staaten existierten in ihrer jetzigen Form noch nicht oder wurden ebensowenig beachtet. "Sie wollten kein Israel in ihrer Mitte. Und das wollen sie auch heute nicht. Es hat sich nichts geändert", so Rigg.

Angesichts der fortgesetzten Feindseligkeiten der arabischen Staaten, was die Gründung Israels durch den Westen anging, entwickelte Israel Atomwaffen. "Sollte Israel sein Atomwaffenmonopol verlieren, wäre es angreifbar. Deshalb versuchen die USA andere Länder von der Entwicklung von Kernwaffen abzuhalten", fügt der Experte hinzu.

Die USA finden immer neue Gründe, warum sie Israel nicht zum Beitritt zum Atomwaffensperrvertrag drängen. Bisher haben sich alle US-Präsidenten geweigert, Israel öffentlich zum Atomwaffenstaat zu erklären. Dass Israel nuklear abrüstet, gilt als unwahrscheinlich, auch wenn sich US-Präsident Barack Obama und Netanjahu Rigg zufolge in dieser Frage regelmäßig an die Gurgel gehen.


Atomares Wettrüsten nach Ende des Status quo

Ein iranisches Atomwaffenprogramm hätte zur Folge, dass der bisherige Status quo mit Israel als einzigem Atomwaffenstaat in Nahost gebrochen wäre und ein regionales Wettrüsten beginnen würde, fürchtet Rigg.

Wie er beklagt, wird die Aufmerksamkeit der Weltgemeinschaft von anderen Krisen in Anspruch genommen. "Somit bleibt nur zu hoffen, dass die Revisionskonferenz des Atomwaffensperrvertrags die erforderliche Aufmerksamkeit erfährt. Auch müssen wir das Ziel einer Zone Nahost ohne Massenvernichtungswaffen weiterverfolgen." (Ende/IPS/kb/2015)


Links:
www.ipsnews.net/2015/02/israels-obsession-for-monopoly-on-middle-east-nuclear-power/

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IPS-Tagesdienst vom 18. Februar 2015
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veröffentlicht im Schattenblick zum 20. Februar 2015

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