Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - 20.11.2015
DFG fördert 15 neue Sonderforschungsbereiche
• Themen von Arktischer Verstärkung und Datenschutz über Medien der
Kooperation bis zur Physik der Atomkerne
• Rund 128 Millionen Euro Fördermittel für zunächst vier Jahre
Die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) richtet 15 neue Sonderforschungsbereiche (SFB) ein. Dies beschloss der zuständige Bewilligungsausschuss auf seiner Herbstsitzung in Bonn. Die neuen SFB werden mit insgesamt 128 Millionen Euro gefördert. Hinzu kommt eine 20-prozentige Programmpauschale für indirekte Kosten aus den Forschungsprojekten. Vier der 15 eingerichteten Verbünde sind SFB/Transregio (TRR), die sich auf mehrere antragstellende Hochschulen verteilen. Alle neuen Sonderforschungsbereiche werden ab 1. Januar 2016 für zunächst vier Jahre gefördert.
Zusätzlich zu den 15 Einrichtungen stimmte der Bewilligungsausschuss für die Verlängerung von 13 Sonderforschungsbereichen für jeweils eine weitere Förderperiode. Ab Januar 2016 fördert die DFG damit insgesamt 249 Sonderforschungsbereiche.
Die späte Wachstumsgeschichte der terrestrischen Planeten, hierzu zählen
Merkur, Venus, Erde und Mars, ist von kritischer Bedeutung für das
Verständnis der frühen Stofftrennungsprozesse und die Entwicklung der
terrestrischen Planeten. Der Sonderforschungsbereich/Transregio "Die
Akkretionsgeschichte der volatilen Elemente in den terrestrischen
Planeten" will das Verständnis der späten Wachstumsgeschichte von Erde,
Mond und anderen terrestrischen Planeten in der Zeit zwischen 4,5 und 3,8
Milliarden Jahren verbessern. Dafür sollen bestimmte Prozesse wie die
Rolle planetarer Kollisionen beim Verlust flüchtiger Elemente und bei der
Kernbildung oder auch die Bildung und Entwicklung von Magmaozeanen
erforscht werden.
(Sprecherhochschule: Freie Universität Berlin, Sprecher: Professor Dr.
Harry Becker, außerdem antragstellend: Westfälische Wilhelms-Universität
Münster)
Forscherinnen und Forscher der Kernstrukturphysik und der nuklearen
Astrophysik arbeiten gemeinsam im Sonderforschungsbereich "Atomkerne: Von
fundamentalen Wechselwirkungen zu Struktur und Sternen". Ihr Ziel ist es,
das Verständnis von Kernen und der Kernphysik in Sternen auf ein neues
Niveau zu heben. Dafür werden die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler
sich mit der systematischen Beschreibung von Atomkernen auf Basis
effektiver Feldtheorien (EFTs) der starken Wechselwirkung befassen. EFTs
eröffnen eine konsistente und systematische Beschreibung der Kernkräfte
und der elektroschwachen Wechselwirkung in Kernen und Kernmaterie. Dieses
Verständnis wird durch Experimente unter anderem am Darmstädter
Beschleuniger S-DALINAC, der im Energiebereich der chiralen EFT führend
ist, untersucht.
(Sprecherhochschule: Technische Universität Darmstadt, Sprecher:
Professor Dr. Achim Schwenk)
Biologische Membranen erhalten einen Nicht-Gleichgewichtszustand zwischen
dem Inneren und Äußeren einer Zelle oder eines subzellulären Kompartiments
und zwischen den Zellen multizellulärer Organismen. Eine Voraussetzung für
Leben ist es daher auch, dass Membranen nicht statische Gebilde, sondern
vielmehr sich ständig ändernde Grenzen darstellen, die auf externe und
interne Reize antworten. Was bestimmt die Identität von Membranen und wie
kontrollieren sie ihre dynamischen Prozesse in Raum und Zeit? Welche Rolle
spielen hier ihre Bestandteile, besonders ihre Membranproteine und
Membranproteinkomplexe? Dies sind Fragen, die im Sonderforschungsbereich
"Identität und Dynamik von Membransystemen - von Molekülen bis zu
zellulären Funktionen" beantwortet werden sollen, um die Grundlage einer
Vielzahl essenzieller biologischer Prozesse besser zu verstehen.
(Sprecherhochschule: Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf, Sprecher:
Professor Dr. Lutz Schmitt)
Selektive Autophagie ist ein Prozess, der in spezifischer Weise potenziell
schädliche intrazelluläre Abfälle entfernt. Sie dient der zellulären
Qualitätskontrolle, der Adaptation an Stressbedingungen sowie der
Bereitstellung von Bausteinen für die Synthese neuer zellulärer
Komponenten bei begrenzter Nährstoffversorgung. Der weitreichende Einfluss
autophagischer Prozesse wurde erst in den vergangenen zehn Jahren erkannt,
sodass viele Fragen offen bleiben. Der Sonderforschungsbereich "Molekulare
und funktionale Charakterisierung der selektiven Autophagie" will die
molekularen und zellulären Mechanismen entschlüsseln, die eine
reibungslose Funktion der Autophagie im gesamten Organismus sicherstellen.
Überdies wird anhand verschiedener Krankheitsmodelle für Krebs, Parkinson,
Infektion und Entzündung untersucht, wie das Autophagie-Netzwerk zur
Entstehung und zum Fortschreiten von Erkrankungen beiträgt und wie dieses
Wissen für neue therapeutische Ansätze genutzt werden kann.
(Sprecherhochschule: Goethe-Universität Frankfurt/Main, Sprecher:
Professor Dr. Ivan Dikic)
Die Einteilung von Zellen in verschiedene Räume, sogenannte Kompartimente,
stellt die spezifische Verteilung und Trennung von Nucleinsäuren,
Proteinen und Metaboliten sicher. Zugleich müssen die intrazellulären
Kompartimente aber in der Lage sein, miteinander zu kommunizieren und
Moleküle auszutauschen. In lebenden Zellen vermitteln zwei
unterschiedliche Systeme diesen Austausch: Kompartimentspezifische
Transportmaschinerien und Kontaktstellen. Der Sonderforschungsbereich
"Transportmaschinerien und Kontaktstellen zellulärer Kompartimente"
erforscht, wie die Kombination dieser Systeme die spezifische Verteilung
von Molekülen innerhalb der Zelle vermittelt und wie es damit gelingt,
zelluläre Kompartimente funktionell zu einem übergeordneten Ganzen
zusammenzuschließen.
(Sprecherhochschule: Georg-August-Universität Göttingen, Sprecher:
Professor Dr. Peter Rehling)
Der Sonderforschungsbereich "Immunvermittelte glomeruläre Erkrankungen -
Grundlagen und klinische Auswirkungen" befasst sich mit den Ursachen einer
Gruppe von Erkrankungen, die zu den häufigsten Auslösern für eine
terminale Niereninsuffizienz in der westlichen Welt zählt.
Immunvermittelte glomeruläre Erkrankungen sind eine heterogene Gruppe von
Erkrankungen, die primär eine schädigende Entzündungsreaktion in den
Glomeruli, kleinen Gefäßknäueln des Nierengewebes, und sekundär auch in
anderen Teilbereichen der Niere hervorrufen. Für die Entwicklung von
effektiveren und sichereren Therapien sollen die zugrunde liegenden
Pathomechanismen untersucht werden.
(Sprecherhochschule: Universität Hamburg, Sprecher: Professor Dr. Rolf A.
K. Stahl)
Crossmodales Lernen bezeichnet die Integration komplexer Wahrnehmungen aus
verschiedenen Sinnesorganen, wobei das Lernen innerhalb eines Sinnes durch
die Informationen eines oder mehrerer anderer Sinne beeinflusst wird. So
bildet Crossmodales Lernen die Grundlage für das menschliche Verstehen der
Welt, beispielsweise beim Greifen und Handhaben von Objekten, beim Lesen-
und Schreibenlernen oder auch beim Spracherwerb. Der deutsch-chinesische
Sonderforschungsbereich/Transregio "Crossmodales Lernen: Adaptivität,
Prädiktion und Interaktion" zielt darauf ab, die neuralen, kognitiven und
computergestützten Mechanismen Crossmodalen Lernens zu beschreiben.
Beteiligt sind daran Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus der
Künstlichen Intelligenz, Psychologie und aus den Neurowissenschaften.
(Sprecherhochschulen: Universität Hamburg, Tsinghua University, Beijing,
Sprecher: Professor Dr. Jianwei Zhang, Professor Dr. Fuchun Sun)
Im Sonderforschungsbereich/Transregio "Spin+X: Spin in seiner kollektiven
Umgebung" befassen sich Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus der
Physik, Chemie, dem Maschinenbau und der Verfahrenstechnik mit
Spin-Phänomenen. Diese sind, wenn auch noch nicht umfassend verstanden,
bereits heute von zentraler Bedeutung für moderne technologische Anwendungen
wie der Datenspeicherung oder der magnetischen Sensorik. Der
Sonderforschungsbereich/Transregio widmet sich solchen Spin-Phänomenen,
die das Ergebnis kollektiver Wechselwirkungen in größeren Systemen sind.
Dabei untersucht er sowohl grundlegende Aspekte als auch funktionale
Phänomene mit dem mittel- und langfristigen Ziel praktischer
Anwendungen.
(Sprecherhochschule: Technische Universität Kaiserslautern, Sprecher:
Professor Dr. Martin Aeschlimann, außerdem antragstellend: Johannes
Gutenberg-Universität Mainz)
Funktionale Materialien besitzen gegenüber konventionellen Werkstoffen
verbesserte mechanische, thermische und elektrische Eigenschaften.
Makromoleküle sind die wichtigsten funktionalen Materialien, sowohl in der
Natur als auch in unserem täglichen Umfeld. Sie finden mehr und mehr
Einzug in Hightech-Anwendungsbereiche wie Bildschirme, Displays und
Datenspeicher. Ihre funktionale Vielfalt basiert sowohl auf der Anordnung
und Natur der einzelnen Bausteine innerhalb eines Makromoleküls als auch
auf der Anordnung und Verknüpfung der Makromoleküle in der Fläche und im
Raum. Der Sonderforschungsbereich "Molekulare Strukturierung weicher
Materie" setzt sich das Ziel, die Herstellung polymerer Materialien mit
einem bislang unerreichten Maß an Strukturkontrolle in ein, zwei und drei
Dimensionen zu ermöglichen.
(Sprecherhochschule: Karlsruher Institut für Technologie, Sprecher:
Professor Dr. Christopher Barner-Kowollik)
Pflanzen und Tiere einschließlich des Menschen beherbergen hoch
spezifische Gemeinschaften von Mikroben. Die mit einem bestimmten
Wirtsorganismus assoziierten Mikroben können die Fitness ihrer jeweiligen
Wirte beeinflussen und letztlich einen Metaorganismus bilden, der sich aus
dem vielzelligen Wirt und einer Gemeinschaft von assoziierten
Mikroorganismen zusammensetzt. Störungen dieser partnerschaftlichen
Beziehung haben bei Wirbellosen wie beim Menschen erhebliche Konsequenzen.
Trotz ihrer essenziellen Bedeutung sind die molekularen und zellulären
Mechanismen, die die Interaktionen in einem solchen Metaorganismus
kontrollieren, in vielen Aspekten noch unverstanden. Hier setzt der
Sonderforschungsbereich "Entstehen und Funktionieren von Metaorganismen"
an, indem er untersucht, warum und wie mikrobielle Gemeinschaften
langfristige Assoziationen mit Wirtsorganismen bilden. In ausgewählten
Wirtsorganismen soll auch an den evolutionären und ökologischen
Auswirkungen auf den Lebenszyklus und die Fitness geforscht werden.
(Sprecherhochschule: Christian-Albrechts-Universität zu Kiel, Sprecher:
Professor Dr. Thomas C. G. Bosch)
Verräumlichung ist eine zentrale Dimension des sozialen Handelns, denn
Räume werden von Menschen gemacht. Welcher Art sind diese Räume und wie
verhalten sich Räume zueinander? Wird die durch Verräumlichung entstehende
Ordnung von Räumen durch den Globalisierungsprozess komplexer? Welche sind
die ordnenden Kräfte und welchen Prinzipien folgen sie? Diesen Fragen
widmet sich der Sonderforschungsbereich "Verräumlichungsprozesse unter
Globalisierungsbedingungen". Dabei wird Globalisierung als ein von
verschiedenen Weltregionen ausgehender, global wirksamer
Verräumlichungsprozess verstanden. Der SFB nimmt den Zeitraum seit dem
späten 18. Jahrhundert bis zur Gegenwart, unterschiedliche Weltregionen
wie auch verschiedene Gruppen von Akteuren in den Blick. Neben der
Beschleunigung und Verdichtung von Entgrenzung und Verflechtungen stehen
die Herstellung von Ordnungen durch Neuverräumlichung sowie deren Akteure
im Fokus.
(Sprecherhochschule: Universität Leipzig, Sprecher: Professor Dr.
Matthias Middell)
Innerhalb der letzten 25 Jahre wurde ein überproportionaler Anstieg der
bodennahen Lufttemperatur in der Arktis beobachtet - er übertrifft die
durchschnittliche globale Erwärmung um das Doppelte. Dieses Phänomen wird
als arktische Verstärkung bezeichnet. Sie führt zu dramatischen
Veränderungen in der Arktis, die erhebliche Auswirkungen auch auf das
globale Klimasystem haben. Allerdings können Klimamodelle diesen Effekt
bis heute nicht korrekt reproduzieren. Daher hat es sich der
Sonderforschungsbereich/Transregio "Arktische Verstärkung: Klimarelevante
Atmosphären- und Oberflächenprozesse und Rückkopplungsmechanismen: (AC)3"
zum Ziel gesetzt, die Schlüsselprozesse, die zur arktischen Verstärkung
beitragen, zu identifizieren, zu untersuchen und zu bewerten. So soll das
Verständnis der wesentlichen Rückkopplungsmechanismen vertieft und
gleichzeitig deren relative Bedeutung für die arktische Verstärkung
quantifiziert werden. Durch die Verbindung von Beobachtungs- und
Modellstudien sollen zudem die Vorhersagen der künftigen arktischen
Klimaentwicklung verbessert werden.
(Sprecherhochschule: Universität Leipzig, Sprecher: Professor Dr.
Manfred Wendisch, außerdem antragstellend: Universität Bremen,
Universität zu Köln)
In den letzten Jahrzehnten wurden viele Mechanismen der Tumorentstehung
aufgeklärt und effiziente Krebstherapien entwickelt. Jedoch stellen die
häufigen Rückfälle mit resistenten Tumorzellen eine immense klinische
Herausforderung dar. Der Sonderforschungsbereich "Genetische und
epigenetische Evolution von hämatopoetischen Neoplasien" untersucht
deshalb die zugrunde liegenden Prozesse aus evolutionsbiologischer
Perspektive, um die Krebsentwicklung besser diagnostizieren und behandeln
zu können. In enger Zusammenarbeit werden Vertreterinnen und Vertreter aus
der klinischen Praxis, der Molekularbiologie, Bioinformatik,
Populationsgenetik und der Evolutionsbiologie Tumorerkrankungen des
blutbildenden Systems, wie Leukämien und Lymphome, erforschen, anhand
derer sich die Krebsentstehung besonders gut verfolgen lässt.
(Sprecherhochschule: Ludwig-Maximilians-Universität München, Sprecher:
Professor Dr. Heinrich Leonhardt)
Milliarden von Nutzern verbringen große Teile ihres Lebens im Internet und
hinterlassen dort ihre Daten. Deren weite Verbreitung, einfache
Zugänglichkeit und Persistenz bergen weitreichende Risiken. In diesem
Zusammenhang ist Onlinedatenschutz ein weitgehend ungelöstes Problem. Der
Sonderforschungsbereich "Methoden und Instrumente zum Verständnis und zur
Kontrolle von Datenschutz" konzentriert sich zur Erarbeitung einer
wissenschaftlichen Grundlage für umfassenden Onlinedatenschutz auf zwei
Aspekte: Verstehen und Kontrollieren des Datenschutzes. Damit soll auch
ein ganzheitlicher Ansatz für die Forschung auf diesem Gebiet geschaffen
und die bestehenden Grenzen zu weiteren relevanten Teilbereichen der
Informatik überwunden werden.
(Sprecherhochschule: Universität des Saarlandes, Sprecher: Professor Dr.
Michael Backes)
Digitale Medien lassen sich nach dem gemeinsamen Verständnis der im
Sonderforschungsbereich "Medien der Kooperation" beteiligten Forscherinnen
und Forscher aus den Geistes-, Kultur-, Sozial- und
Ingenieurwissenschaften nicht mehr als Einzelmedien verstehen. Nötig sind
vielmehr neue analytische und theoretische Zugänge: Medien basieren auf
Technologien und Medieninfrastrukturen und sie bringen zugleich
öffentliche Kontroversen um ihre Gestaltung und Regulierung mit sich. Der
Verbund thematisiert die kooperative Ausgestaltung von Medien und
erforscht die Rolle von medialen Infrastrukturen für die Hervorbringung
von Öffentlichkeiten. Mit seinem interdisziplinären Forschungsprogramm
will der Sonderforschungsbereich einen Beitrag zum Verständnis der
digitalen Gegenwartskultur leisten.
(Sprecherhochschule: Universität Siegen, Sprecher: Professor Dr. Erhard
Schüttpelz)
Ausführliche Informationen zum Förderprogramm und den geförderten
Sonderforschungsbereichen auch unter:
http://www.dfg.de/sfb
Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung unter:
http://idw-online.de/de/institution306
*
Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft e. V. - idw - Pressemitteilung
Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG), Magdalena Schaeffer, 20.11.2015
WWW: http://idw-online.de
E-Mail: service@idw-online.de
veröffentlicht im Schattenblick zum 24. November 2015
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