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MELDUNG/011: Forscher warnen vor steigender Ungleichheit durch US-Schuldendeal (idw)


Institut zur Zukunft der Arbeit - 31.08.2011

IZA-Forscher warnen vor steigender Ungleichheit durch US-Schuldendeal


Der Kompromiss im US-Schuldenstreit birgt nach wie vor große ökonomische und politische Risiken für die Amerikaner. Ein Forscherteam des Bonner Instituts zur Zukunft der Arbeit (IZA) hat in einer Studie analysiert, wie sich vergangene Steuerreformen auf die Einkommensverteilung ausgewirkt haben. Das wichtigste Ergebnis: Die Steuerreformen der vergangenen 30 Jahre konnten die steigende Ungleichheit der Markteinkommen nicht ausgleichen. Die IZA-Forscher plädieren dafür, die Steuersenkungen für Reiche aus dem Jahr 2001 auslaufen zu lassen, und warnen vor einer sich weiter verschärfenden Einkommensungleichheit in Folge der angekündigten Kürzungen der Staatsausgaben.

Steuern nicht rauf und Staatsausgaben runter - das sind die beiden zentralen Elemente des kürzlich erzielten Schuldenkompromisses in den USA. Eine aktuelle IZA-Studie der Ökonomen Olivier Bargain, Mathias Dolls, Herwig Immervoll, Dirk Neumann, Andreas Peichl, Nico Pestel und Sebastian Siegloch zeigt, dass diese Beschlüsse starke Auswirkungen auf die US-Einkommensverteilung haben werden.

Die Forscher des IZA-Netzwerks analysierten die direkten Wirkungen sämtlicher US-Einkommensteuerreformen zwischen 1978 und 2009 auf die Einkommensungleichheit. Die Auswertung zeigt, dass die Steuersenkungen von 2001 und 2003 unter George W. Bush einen Anstieg der Ungleichheit bewirkt haben. Sollten diese Senkungen nicht zurückgenommen werden und käme es zusätzlich noch zu einer Kürzung der Transferleistungen, so wird dies zu einem starken Anstieg der Einkommensungleichheit führen. Ohnehin ist diese in den USA im Vergleich mit anderen Industrieländern bereits jetzt am höchsten. Eine weitere Spreizung der Einkommensschere könnte mittelfristig eine Bedrohung für den gesellschaftlichen Zusammenhalt der US-Amerikaner bedeuten.

Methodisch trennen die Forscher die Wirkungen, die eine Steuerreform auf die Einkommensungleichheit entfaltet, von der Umverteilung, die ohne Reform in einem bestehenden System entsteht. Diese Unterscheidung ist besonders wichtig, da die Umverteilungswirkung in einem gleich bleibenden progressiven Steuersystem automatisch stärker wird, wenn die Vorsteuer-Ungleichheit von einem Jahr auf das andere steigt. Durch detaillierte Simulationsberechnungen isolieren die Forscher den direkten Einfluss der US-Steuerpolitik der vergangenen 30 Jahre auf die Ungleichheit.

Die Studie kommt zu dem Ergebnis, dass die Steuerpolitik - über den gesamten Zeitablauf betrachtet - kaum zur Eindämmung der Ungleichheit beigetragen hat. Die Steuerreformen unter Reagan in den 80er Jahren haben insbesondere Wohlhabende begünstigt, während die Reformen in den Jahren 1990 und 1993 unter Bush senior und Clinton dem Trend der Einkommensspreizung entgegenwirkten. Die Steuersenkungen von 2001 und 2003 unter Bush junior kehrten den Trend jedoch erneut um und trugen maßgeblich zur wachsenden Ungleichheit bei. Schließlich sorgten Maßnahmen aus dem umfangreichen US-Konjunkturpaket von 2009 im Zuge der Finanzkrise dafür, dass der starke Anstieg der Vorsteuer-Ungleichheit zumindest zum Teil gebremst wurde. Über den gesamten Zeitablauf zeigt sich demnach eine scharfe parteipolitische Trennung in der Steuerpolitik. Während in den Jahren, in denen die Demokratische Partei den Präsidenten gestellt hat, die Maßnahmen insgesamt zum Abbau der Ungleichheit beigetragen haben, waren die Steuerreformen unter republikanischen Präsidenten insbesondere durch Steuersenkungen für Wohlhabende gekennzeichnet.

Vor dem Hintergrund der extrem hohen Schuldenbelastung der Vereinigten Staaten plädieren die Autoren dafür, die Steuersenkungen aus dem Jahr 2001, die bis zum Ende des Jahres 2012 befristet sind, auslaufen zu lassen. Dies würde einerseits ein höheres Steueraufkommen generieren und somit zur unabdingbaren Konsolidierung der amerikanischen Staatsfinanzen beitragen. Andererseits würde es der steigenden Einkommensungleichheit entgegenwirken. Dieser Effekt ist auch deswegen nicht zu vernachlässigen, weil die im Kompromiss vereinbarten Ausgabenkürzungen vor allem Menschen aus unteren Einkommensschichten treffen werden.

Die englischsprachige Studie ist unter dem Titel "Tax Policy and Income Inequality in the U.S., 1978-2009: A Decomposition Approach" als IZA Discussion Paper No. 5910 abrufbar:
http://ftp.iza.org/dp5910.pdf

Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung unter:
http://idw-online.de/de/institution1155


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Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft e. V. - idw - Pressemitteilung
Institut zur Zukunft der Arbeit, Mark Fallak, 31.08.2011
WWW: http://idw-online.de
E-Mail: service@idw-online.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 2. September 2011