Schattenblick →INFOPOOL →POLITIK → KOMMENTAR

FRIEDEN/0998: EU muß Einflußverlust im Nahen Osten befürchten (SB)



Die geringe Begeisterung, mit der man in der EU die mögliche Ernennung Avigdor Liebermans zum Außenminister Israels quittiert, ist verständlich. Keineswegs geht es EU-Außenpolitikern wie Javier Solana nur um die nominelle Wahrung des Ziels einer Zweistaatenlösung, das ohnehin in immer unerreichbarere Ferne rückt. Auch der deutsche Außenminister Frank-Walter Steinmeier und sein schwedischer Kollege Carl Bildt wissen, wenn sie mahnend auf die Unverzichtbarkeit palästinensischer Eigenstaatlichkeit pochten, um die geringe Wahrscheinlichkeit, daß in absehbarer Zeit auf dem durch den Ausbau jüdischer Siedlungen permanent weiter schrumpfenden Territorium des Westjordanlands auch nur die räumlichen Voraussetzungen für die Bildung eines lebensfähigen Palästinenserstaates geschaffen werden können.

Sie alle treibt die Sorge um, mit einem Kollegen Lieberman konfrontiert zu werden, der ihnen unzweideutige Stellungnahmen abnötigte, die man bislang im Konsens mit den israelischen Administrationen hinter viel gutem Willen und wenig praktischer Handhabe verstecken konnte. Ein rassistischer Nationalist wie Lieberman, der deutlich provokantere Register zieht als der zum Präzedenzfall der diplomatischen Isolation Österreichs durch die EU geratene Rechtspolitiker Jörg Haider, nötigte der europäischen Diplomatie ab, gegenüber Israel auf eine ihr bislang ungewohnte Weise Farbe zu bekennen.

Gerade weil Lieberman, was das Verhältnis des Staates Israel zu den Palästinensern betrifft, nicht so sehr von den Rahmenbedingungen der zionistischen Doktrin abweicht, bringt er die EU in Schwierigkeiten. So gibt es keinen Grund, sich in den europäischen Hauptstädten stärker als bisher auf die Seite der Palästinenser, sprich der schwächeren Partei, zu stellen als bisher. Insbesondere das in Washington artikulierte Interesse an der Sicherheit Israels erlaubt es kaum, Zugeständnisse zu machen, mit denen man auf Konfrontationskurs mit Tel Aviv ginge. Auf der anderen Seite korrumpiert der Umgang mit einer israelischen Regierung, dessen wichtigste Koalitionspartei schwerwiegende Vorbehalte sogar gegen die arabischen Bürger Israels, um von den Palästinensern ganz zu schweigen, geltend macht, die EU im Mark ihrer Wertegemeinschaft.

Die absehbare Konsequenz einer Koalitionsregierung, für die Likud-Chef Benjamin Netanyahu auf Liebermans Yisrael Beitenu zurückgreift, bestände für die EU in der weiteren Schwächung ihrer Einflußnahme auf die Situation im Nahen und Mittleren Ostens. Will man sich damit nicht zufriedengeben und gleichzeitig vermeiden, unbequeme Entscheidungen treffen zu müssen, mit denen sich die bisher geübte Zurückhaltung der EU bei Übergriffen Israels auf die Palästinenser nicht aufrechterhalten ließe, dann bleibt nur die aktive Unterstützung der Politik Netanyahus und Liebermans.

18. März 2009