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FRIEDEN/1042: Wir können auch töten ... ohne Blutzoll kein Weltfrieden (SB)



"Yes, we can kill" überschreibt die Zeit (06.01.2009) einen Bericht über die Maßnahmen, mit denen US-Präsident Barack Obama auf das angebliche Versagen der Sicherheitsbehörden beim Anschlagversuch von Detroit reagiert. Daß er "die Moral dabei nicht völlig über Bord" wirft, wie Zeit-Autor Martin Klingst ihm beschwichtigend zugutehält, soll als Fortschritt gegenüber der Regierung George W. Bushs verstanden werden. So soll der mutmaßliche Attentäter von Detroit vor ein ordentlichen Gericht und nicht ein Militärtribunal gestellt werden, Folter bleibe auch in Zukunft verboten, und Guantanamo werde geschlossen, auch wenn es etwas länger dauert.

Dieser dürren Bilanz einer angeblichen Rückkehr der USA auf die Prinzipien ihrer Verfassung steht die Aufrechterhaltung fast aller Sicherheitsgesetze aus der Ära Bush gegenüber, so daß das Arsenal des Terrorkriegs mit Sonderbefugnissen und Ermächtigungsoptionen aller Art gut gefüllt bleibt. Die einmal eröffneten Wege in Richtung auf den autoritären, sich nach Belieben Notstandsvollmachten bedienenden Sicherheitsstaat werden nicht versperrt, sondern konserviert. Das ist angesichts der sozialen Verelendung in den USA wie in aller Welt nur folgerichtig, wird die Freiheit des Kapitals, für die dieser Präsident gewählt wurde, im Zweifelsfall mit jener Gewalt durchgesetzt, von der die US-Bürger immer noch meinen, sie sei ihrem Schutz vor prämodernen Islamisten gewidmet.

Den Eindruck erhalten sie auch deshalb, weil die Eskalation des Krieges in Afghanistan, seine Ausweitung auf Pakistan, die Eröffnung einer neuen Front im Jemen und die weiterhin bestehende Androhung eines Krieges gegen den Iran allesamt Länder mit mehrheitlich islamischer Bevölkerung betreffen. Die imperialistischen Beweggründe dieser Offensive werden mit dem neuen Gesicht der globalen Führungsmacht wirkungsvoll maskiert, kann doch ein Schwarzer kein Rassist sein, verheißt die Logik des simplen Umkehrschlusses. Mit den neuen Bestimmungen zur Flugsicherheit wird die Kategorie "terrorverdächtiger Staaten" eingeführt und auf Kuba, Iran, Sudan, Syrien, Afghanistan, Algerien, Irak, Libanon, Libyen, Nigeria, Pakistan, Saudi-Arabien, Somalia und Jemen angewendet. Damit heißt der als Fortschritt antirassistischer Emanzipation gefeierte schwarze US-Präsident eine rassistische Selektion gut, mit der nicht etwa abstrakte Nationen, sondern konkrete Menschen kollektiv zu Terrorverdächtigen erklärt werden.

Obama zieht, um im Jargon der Terrorkrieger des Kabinetts Bush zu bleiben, die Handschuhe aus und wird dafür von deutschen Politikern und Journalisten gelobt. Der sich im Vorfeld seiner Kür zum US-Präsidenten abzeichnende Legitimationsgewinn für die Politik des Terrorkriegs bringt den zu erwartenden Ertrag in Form der Ausdehnung seiner Gewaltlogik auf die EU und andere Weltregionen. "Wir können auch töten", lautet die konsequente Fortschreibung dieser naßforschen Variation des Wahlkampfmottos Obamas.

Sie schlägt sich nieder in einem neuen Stil außenpolitischer Rücksichtslosigkeit, mit der das nationalistisch überformte Wohlergehen der eigenen Eliten gesichert werden soll. Wem die Schwelle zur Anwendung kriegerischer Gewalt keine rechtlich bewehrte und historisch verpflichtende Hürde mehr ist, sondern eine bloße Formalie dezisionistischer Selbstherrlichkeit, der gelangt schnell von einem Massaker, an das man sich mit Hilfe aufwendiger Ablenkungsmanöver noch gewöhnen mußte, zur Normalität eines Blutzolls, den vor allem die anderen, aber auch die eigene Bevölkerung notwendigerweise zu entrichten hat. Wenn die anfängliche Irritation ersteinmal vergessen ist, wird die Rede Obamas zur Annahme des Friedensnobelpreises [siehe POLITIK-KOMMENTAR-FRIEDEN/1038] die Würdigung erfahren, die ihr zusteht - die angebliche Notwendigkeit, Krieg zu führen, um den Frieden zu erhalten, wird als Prämisse eines historisch notwendigen Wertewandels für das 21. Jahrhundert in die Geschichtsbücher eingehen.

7. Januar 2009