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FRIEDEN/1049: Mossad schweigt - Israel in Erklärungsnot (SB)



Der israelische Geheimdienst Mossad gilt als der beste der Welt, wobei in dieser bei jeder sich bietenden Gelegenheit wiederholten Einschätzung zumeist eine eigentümliche und kaum jemals hinterfragte Bewunderung mitschwingt. Als handle es sich bei der Jagd auf die Feinde Israels um ein sportliches Vergnügen, blendet man dessen Trophäen geflissentlich aus und beteiligt sich mit Eifer an der allfälligen Stammtischdebatte über das Leben und Treiben der Agenten. Wie auf vielen anderen unmittelbar sicherheitsrelevanten Gebieten wie der atomaren Bewaffnung, militärischen Forschung oder Rüstungsproduktionsstätten hüllt sich Israel auch hinsichtlich der Aktivitäten seines Auslandsgeheimdienstes in Schweigen und nimmt damit eine Sonderstellung für sich in Anspruch, die man kaum einem anderen Land in dieser Form dauerhaft zubilligen würde.

Wann immer der Mossad auf fremdem Staatsgebiet gegen geltendes Recht verstößt, hüllt man sich auf israelischer Seite in vielsagendes Schweigen, wobei man die Tat weder zugibt, noch die eigene Beteiligung dementiert. Diese Strategie hat nicht nur maßgeblich zum Mythos des Mossad als nahezu unfehlbare Instanz und damit allgegenwärtige Bedrohung für seine Gegner beigetragen, sondern auch die prinzipielle Haltung, nicht das mindeste zur Aufklärung derartiger Vorkommnisse beizutragen, geradezu in den Rang eines Gewohnheitsrechts erhoben.

Wie alle Geheimdienste entzieht sich natürlich auch der israelische letztlich jeder Kontrolle, doch nimmt man in seinem Fall die offensichtliche Irrelevanz parlamentarischer Zügelung oder international anerkannter Rechtsverhältnisse nicht nur völlig gelassen in Kauf, sondern feiert sie geflissentlich sogar als Triumpf bewunderten Expertentums über verabscheuungswürdiges Verbrechen. Dessen ungeachtet steht keineswegs fest, wann und wodurch das Faß der nicht zuletzt von den mächtigen Bündnispartnern gestützten Sonderstellung Israels zum Überlaufen gebracht wird.

In den israelischen Medien, die offensichtlich davon ausgehen, daß die Ermordung des Hamas-Führers Mahmoud Al Mabhouh vor vier Wochen in Dubai auf das Konto des Mossad geht, mehren sich Stimmen, die diese Operation für ein Fiasko halten. Nach anfänglicher Bewunderung für eine wie selbstverständlich bejubelte Liquidierung eines Gegners neigt man inzwischen dazu, das mutmaßliche Verhältnis zwischen Nutzen und Schaden erheblich negativer zu bewerten. Nicht, daß man die Tat als solche bedauern, in Zweifel ziehen oder gar mit dem Stigma "terroristisch" belegen würde, das ja von seinem Wesen her stets nur auf den Feind angewendet wird. Man fragt sich jedoch immerhin, ob ein toter Al Mabhouh die Enttarnung von einem Dutzend Agenten wert ist, ganz zu schweigen von dem politischen Preis in den internationalen Beziehungen.

Premierminister Benjamin Netanjahu mußte in seiner ersten Amtszeit eine schwere Krise bewältigen, nachdem 1997 ein Attentat des Mossad auf den Hamas-Exilchef Khaled Meschal in Amman fehlgeschlagen war und sich daraufhin die Beziehungen zu Jordanien dramatisch verschlechterten. Nun erklärte der Polizeichef von Dubai, Dahi Chalfan Tamim, der Mordfall sei zu einer weltweiten Angelegenheit geworden. Er forderte eine internationale Untersuchung und bezeichnete es als nahezu sicher, daß der israelische Geheimdienst hinter dem Anschlag stecke. Sollte dies zweifelsfrei bestätigt werden, werde er einen internationalen Haftbefehl gegen dessen Direktor Meir Dagan beantragen. Zudem schlug der Polizeichef vor, ein internationales Ermittlerteam mit Vertretern aus Großbritannien, Irland, Frankreich und Deutschland zu bilden.

Des weiteren geht man in Dubai davon aus, daß die mutmaßlichen Agenten des Mossad palästinensische Helfer hatten. Jordanien hat bereits Achmad Hasin und Anwar Shecheiber, die für den Sicherheitsapparat der Autonomiebehörde in Ramallah gearbeitet haben sollen, festgenommen und ausgeliefert. Nach Angaben des Hamas-Sprechers Fausi Barhoum standen beide früher im Sold des palästinensischen Geheimdienstes, der einst von dem Fatah-Führer Mohammed Dahlan geführt wurde, dessen Kontakte zu israelischen und westlichen Geheimdiensten bekannt sind. Ein dritter Palästinenser soll in Damaskus festgenommen und dort verhört worden sein. Angeblich war Nahro Massoud der ständige Begleiter Massouds bis zu dessen Tod, was die Frage möglicher Spitzeldienste für den Mossad aufwirft.

Israels Außenminister Avigdor Lieberman bezeichnete es als unfair, automatisch den Mossad zu verdächtigen und keinen anderen Geheimdienst. Wie es von israelischer Seite sogar hieß, habe die Polizei von Dubai keinerlei stichhaltige Beweise vorgelegt. Bis heute wisse niemand, was passiert ist, ja es gebe nicht einmal einen Beweis, daß Al Mabhouh ermordet wurde. Diese Antwort läßt erkennen, warum sich das grundsätzliche Stillschweigen des Auslandsgeheimdienstes derart bewährt hat. Sieht man sich nämlich zur Verteidigung genötigt, wird rasch unübersehbar, wie fadenscheinig die Argumente sind, zumal sie nicht selten von den Ereignissen überholt und ausgehebelt werden. Hat man zunächst alles abgestritten, sinkt die Glaubwürdigkeit zwangsläufig in den Keller, falls später Beweise für die Täterschaft erbracht werden.

Der Fall hat beträchtliches internationales Aufsehen erregt, weil gefälschte Pässe aus Großbritannien, Irland, Frankreich und Deutschland benutzt wurden. Es sollen mindestens sechs britische, drei irische sowie je ein französischer und deutschen Paß im Spiel gewesen sein, wobei die Täter zumindest in einigen Fällen Ausweise real existierender Personen verwendeten. Interpol hat die Verdächtigen inzwischen zur Fahndung ausgeschrieben. Der naheliegende Verdacht, der Mossad stecke hinter der Tat, wird durch den Umstand verstärkt, daß mehrere Personen, deren gefälschte Pässe verwendet wurden, in Israel leben und einen europäischen Zweitpaß besitzen.

Der israelische Botschafter in London, Ron Prosor, wurde ebenso ins britische Außenministerium gebeten wie sein Amtskollege in Dublin vor irischen Regierungsvertretern Rede und Antwort stehen mußte. Nach dem Gespräch mit dem Amtschef des Foreign Office, Peter Ricketts, teilte Prosor mit, er sei dem Ersuchen der Briten gern nachgekommen, jedoch nicht in der Lage gewesen, besagten Vorgang zu erhellen. Premier Gordon Brown hat unterdessen eine eigene Untersuchung zu den gefälschten Pässen in Auftrag gegeben. Man werde alles tun, um den britischen Paß, der "Teil der britischen Identität" sei, zu schützen. Außenminister David Miliband richtete sich mit den Worten an Israel, man werde der Sache auf den Grund gehen und erwarte Kooperationsbereitschaft.

Sein deutscher Amtskollege Guido Westerwelle erklärte, er halte es angesichts der bislang bekanntgewordenen Informationen für dringend geboten, die Umstände des Todes von Mahmoud Al Mabhouh gründlich aufzuklären. Der Nahost-Beauftragte des Auswärtigen Amtes, Andreas Michaelis, habe dazu in Berlin ein Gespräch mit dem Gesandten der israelischen Botschaft geführt, teilte das Ministerium mit. Die Gespräche in allen beteiligten europäischen Hauptstädten verliefen - wer hätte anderes erwartet - samt und sonders ergebnislos.

Die Regierungen verzichteten im übrigen darauf, den israelischen Botschafter oder Gesandten einzubestellen und baten lediglich um ein Gespräch. Ungeachtet dieser milden diplomatischen Geste gerät die israelische Führung nach der Ermordung Mahmoud Al Mabhouhs zunehmend in Erklärungsnot. Wenngleich sich Israel prinzipiell sicher sein kann, daß seine Taten von den europäischen Regierungen gedeckt werden, ist doch nicht auszuschließen, daß deren lediglich zur Schau getragene Empörung von der eigenen Bevölkerung ernst genommen wird.

19. Februar 2010