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FRIEDEN/1060: "Es gibt keinen falschen Frieden und es gibt keinen guten Krieg" (SB)



In der Diskussion um den "Afghanistaneinsatz", vulgo Afghanistankrieg, dominieren die Falken. Den Raum der großen Medien beherrschen die zackigen Wortmeldungen der Scharfmacher, die einen Abzug der Bundeswehr aus Afghanistan schon deshalb ablehnen, weil dies von den Taliban als Zeichen der Schwäche ausgelegt werden könnte. Aggressiver vorgehen, um mit dem Sieg in Afghanistan weitere Siege sicherzustellen, so die Logik der Durchhalteparolen, mit denen der Bevölkerung die zunehmende Zahl gefallener Bundeswehrsoldaten verdaulich gemacht werden soll. Die Toten der Bundeswehr werden wie ein Investment behandelt, daß man auch auf die Gefahr hin, noch mehr "Kapital" zu verbrennen, nicht abschreiben möchte, könnte es am Ende doch noch den angestrebten Ertrag einer militärischen Leistungsfähigkeit erbringen, die viele weitere Gewinnmöglichkeiten eröffnet.

Eine rühmliche Ausnahme im Feld der politischen Mitte ist der CDU-Politiker Jürgen Todenhöfer. In der Sendung "Kulturfragen" des Deutschlandfunks (11.04.2010) bezog der ehemalige Bundestagsabgeordnete mit deutlichen Worten Stellung gegen die Fortführung des Krieges. Dabei entlarvte er die offizielle Begründung für die Anwesenheit der Bundeswehr in Afghanistan als irreführend, war doch kein Afghane an den Anschlägen des 11. September 2010 beteiligt, während Al Qaida gar keine relevante Größe im Land mehr ist, wie nicht zuletzt die US-Regierung erklärt hat. Todenhöfer leugnet im Unterschied zu den Kriegsparteien im Bundestag nicht, daß es in Afghanistan um geostrategische Interessen geht, er prangert das wachsende Elend der afghanischen Bevölkerung als Folge des Krieges und unzureichender Entwicklungshilfe an und zeigt gangbare Wege zu einer friedlichen Lösung unter Einbeziehung der Taliban auf.

Besonders beeindruckend an der Stellungnahme des Autors, der in mehreren Büchern die Folgen der Kriege im Irak und in Afghanistan anhand der Erfahrungen von Kriegsopfern geschildert hat, ist das Engagement, mit dem er bei aller Konformität mit der sogenannten Leitkultur Front macht gegen die neue Kriegsseligkeit, die bestimmte Kreise der Bevölkerung befallen hat. Mehrmals verleiht er in dem Gespräch im Deutschlandfunk seiner Betroffenheit über den Luftangriff auf die Tanklaster bei Kunduz, bei dem "140 Menschen in lebende Fackeln verwandelt" wurden, Ausdruck. Daß dies eines Tages auf deutschen Wunsch geschehen werde, ist für Todenhöfer "völlig unfaßbar". Es sei für ihn auch schwer verständlich, daß Politiker wie Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg, "der ansonsten viele Sachen sehr gut macht", so etwas, wenn auch nur vorübergehend, als "militärisch angemessen" bezeichnen könne. Diese Form der Verharmlosung mache ihm Angst, gesteht Todenhöfer, der es für bezeichnend hält, daß diese Formulierung gar nicht weiter auffiel und eigentlich erst dann interessierte, als der Verteidigungsminister sie zurücknahm.

Der erfahrene Politiker ist alles andere als ein linker Pazifist. Er hat ein positives Verhältnis zur Bundeswehr, allerdings als Armee zur Verteidigung des Landes. Er sei sicherlich keine "Taube" in seiner von 1972 bis 1990 währenden Zeit im Bundestag gewesen, so Todenhöfer, der den Krieg der afghanischen Mujahedin gegen die damalige Regierung des Landes und ihre sowjetischen Unterstützer als antikommunistischen Befreiungskampf nicht nur, wie das Gros der westlichen Politiker, guthieß, sondern persönlich begleitete. Das macht Todenhöfers heutige Diagnose, daß es in Deutschland immer mehr Menschen gibt - "inzwischen kriechen sie fast aus allen Löchern hervor" -, die sich gebärdeten, "als hätten sie eine heimliche Freude daran, daß das endlich wieder losgeht", nicht unglaubwürdig, insistiert er doch darauf, daß der Schwache sich durchaus gegen den Starken wappnen sollte.

1940 geboren hat Todenhöfer als Kind noch die Schrecken des Bombenkriegs miterlebt. Er habe geglaubt, "all das kann es von deutscher Seite nie wieder geben, wir haben unsere Lektionen gelernt". Was er zur Zeit von Politikern höre, was er in einigen Medien lese, sei jedoch "sehr aggressiv, sehr militaristisch". Dem Abwägen und Kalkulieren über Gewinn und Verlust im Afghanistankrieg hält er daher kategorisch entgegen: "Es gibt keinen falschen Frieden und es gibt keinen guten Krieg".

Zweifellos ließe sich über Todenhöfers Rolle in der Politik des Kalten Kriegs und über seine Stellung als einflußreicher Medienmanager bei Hubert Burda Media, ein in den Mainstream herrschender Interessen bestens integrierter Verlagskonzern, streiten. Dennoch sind im öffentlichen Raum vernehmliche Stimmen, mit denen Kriegsgegner zumindest in der aktuellen Situation in Afghanistan übereinstimmen können, so selten, daß sie auch dann weitergetragen werden sollten, wenn sie aus einem politisch eher konträren Lager stammen. Es ist allemal zu begrüßen, wenn neben den Guttenberg und Polenz, den Steinmeier und Gabriel Stimmen einer bürgerlichen Vernunft laut werden, deren vollständiger Verlust die bundesrepublikanische Gesellschaft teuer zu stehen käme, wird sie doch maßgeblich aus ihrer Mitte heraus definiert.

17. April 2010