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FRIEDEN/1070: Westliche Hegemonialpolitik in Nahost ... das eine sagen und das andere tun (SB)



Das Vertrauen in Mahmud Abbas und die Palästinenser wäre erschüttert, wenn der Palästinenserpräsident direkte Gespräche mit Israel ablehnt, erklärt US-Präsident Barack Obama in einem Brief an diesen. Die Vereinigten Staaten würden es nicht akzeptieren, wenn Abbas ihre Verhandlungsinitiative ablehnt, so Obama, der für diesen Fall negative Auswirkungen auf die amerikanisch-palästinensischen Beziehungen androht.

Das Vertrauen zwischen Obama und dem israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu wiederum könnte nicht größer sein. In Washington präsentierten sich beide Politiker gemeinsam vor den Kameras, um das zwischenzeitlich etwas angeschlagene Bündnis zu erneuern. "Die Verbindung zwischen den USA und Israel ist unzerstörbar. Der Bund zweier Demokratien, die gemeinsame Werte teilen und deren Völker immer enger zusammenfinden." Obamas Treueschwur ist nicht nur, wie häufig behauptet, Ergebnis republikanischen Drucks. Er ist eine Konstante US-amerikanischer Außenpolitik, für deren Bestand es letztlich einerlei ist, aus welchem politischen Lager der jeweilige US-Präsident stammt.

Als Netanjahu, wie kürzlich publik wurde, 2001 darüber schwadronierte, , wie leicht die Regierung der USA zu manipulieren sei, hat er sich dieses Kernstücks US-amerikanischer Globalhegemonie lediglich bedient, um ein wenig anzugeben. Wenn dieses Bündnis dem geostragischen Interesse Washingtons nicht entspräche, dann hätte es zahlreiche Gelegenheiten gegeben, es aufzukündigen. Der Nahostkonflikt hat jedoch längst den Status eines paradigmatischen Regulativs westlicher Hegemonialpolitik erhalten. EU wie USA wollen den Nahen und Mittleren Osten kontrollieren und bedienen sich dazu des praktischen Beispiels der israelischen Besatzungspolitik. Indem diese einerseits als Mißstand dargestellt und andererseits unterstützt wird, wird den Bevölkerungen in der Region vor Augen geführt, daß Anspruch und Wirklichkeit antagonistische Elemente praktizierter Destabilisierung und Fremdherrschaft sind.

So bekundet die israelische Regierung, wenn es gar nicht anders geht, pro forma Friedenswillen, um in der politischen Praxis zu zeigen, daß sie sehr gut mit dem Status quo in all ihren Verhältnissen unterdrückter Palästinenser leben kann. Sie genießt dabei die fast uneingeschränkte Unterstützung der US-Regierung, so daß deren Behauptung, sich für die Palästinenser einzusetzen, nicht unglaubwürdiger sein könnte. Obama droht mit seiner Ankündigung, sich nicht weiter für einen Palästinenserstaat einsetzen zu wollen, wenn Abbas nicht unter denkbar ungünstigen Bedingungen in sogenannte Friedensgespräche eintritt, lediglich an, den schönen Schein mit der brutalen Realität in eins fallen zu lassen.

Das Engagement der USA für die Palästinenser war stets symbolischer Art. Es korrespondiert mit den wortreichen Bekundungen arabischer Regierungen, sich für die Palästinenser einzusetzen, während sie den eigenen Vorteil darin suchen, eben dies nicht zu tun. Die programmatische Ambivalenz im Umgang mit den Palästinensern reduziert sich bei genauerer Betrachtung auf die bewährte Strategie des Teilens und Herrschens. Die Zerschlagung aller Handlungsfähigkeit, die sich den Zielen der USA, EU und Israels entgegenstellen könnte, wird mit diesem Wechselbad der Gefühle höchst effizient betrieben.

Nachdem US-Vizepräsident Joe Biden im März von Netanjahu regelrecht vorgeführt wurde und es zu einer zwischenzeitlichen Abkühlung in den Beziehung zwischen den beiden Staaten kam, sind Obama und Netanjahu wieder ein Herz und eine Seele. Wer gehofft hatte, daß die vor aller Welt düpierte US-Regierung Druck auf die israelische Regierung ausübt, um zumindest das Gesicht zu wahren, dem wird eine überflüssige, weil stets auf gleicher Ebene wiederholte Lektion in geostragischer Realpolitik erteilt. Israel ist nicht nur als militärischer Vorposten der USA im Nahen und Mittleren Osten unersetzbar, seine Regierung sorgt zudem dafür, daß es im Verhältnis zum Iran zu keiner Annäherung kommt und daß der westlichen Hegemonialpolitik in der Region niemals die machtpolitischen Vorwände ausgehen.

Abbas steht vor dem Problem, beim Eintreten in direkte Verhandlungen mit Forderungen konfrontiert zu werden, die er nicht akzeptieren kann, wenn er keine weitere Stärkung der mit seiner Regierung konkurrierenden Hamas riskieren will. Da er nichts in der Hand hat, um palästinensische Forderungen durchzusetzen, und sich ganz und gar auf die USA stützen muß, um minimale Zugeständnisse seitens Israel zu erhalten, kann er nur eine schlechte Figur machen. Das Schicksal Jassir Arafats, der irreführenderweise nach den Camp David-Gesprächen kurz vor Ausbruch der zweiten Intifada von den USA und Israel als Friedensverweigerer gebrandmarkt wurde und dessen weiterer politischer Weg zielsicher in die Bedeutungslosigkeit führte, dürfte ihm ein warnendes Beispiel sein.

Da Abbas nicht die Statur hat, dem Affront des ihm angelasteten Vertrauensbruchs mit deutlichen Worten entgegenzutreten, wird er in dieser Dreierkonstellation auf jeden Fall den kürzeren ziehen. Die bewährte Praxis westlicher Hegemonialpolitik, das eine zu sagen und das andere zu tun, spricht dagegen, daß Netanjahu und Obama den legitimen Forderungen der Palästinenser auch nur annähernd entsprechen. Abbas weiß, daß das Angebot direkter Verhandlungen eine Scharade ist, die zu seinen Lasten ausgetragen werden soll. Defensives Taktieren kann diese Lage nur noch mißlicher machen, so daß seine Tage so oder so gezählt sein dürften.

1. August 2010