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HEGEMONIE/1549: Obama auf blutige Allianz mit Israel eingeschworen (SB)



Die israelische Regierung hat den offenen Krieg gegen die palästinensische Hamas und die Bevölkerung des Gazastreifens zu einer Zeit begonnen, in der Politik und Publizistik in der westlichen Welt besonders träge reagieren und den christlich gesonnenen Menschen in Europa der Sinn gerade nicht danach steht, sich mit den Übeln der Welt herumzuschlagen. Dies war ebensowenig eine ungeplante Koinzidenz wie die Terminierung dieser lang geplanten Attacke auf das Interregnum in Washington oder das Vorfeld der israelischen Parlamentswahlen.

Der scheidende US-Präsident George W. Bush hätte seine von keiner den Interessen der israelischen Regierung konträren Entscheidung befleckte Regierungsbilanz nicht in der letzten Minute mit einem Makel ruiniert, der dafür gesorgt hätte, daß sein Name in einem Atemzug mit dem seines Vorgängers Jimmy Carter verdammt würde. Also schob das Weiße Haus schlicht alle Schuld für das Blutvergießen auf den bewährten Prügelknaben Hamas und verzichtete auf weitere Stellungnahmen zu diesem empfindlichen Thema.

Der künftige US-Präsident Barack Obama ist noch nicht in der Pflicht, sich zu äußern, und wird nicht unbedingt wert darauf legen, in ein Fettnäpfchen zu treten. Sein Schweigen zu den israelischen Angriffen auf Gaza ist jedoch nicht minder beredt, als wenn er Worthülsen von der Art Bushs, laut dem Israel lediglich sein Recht auf Selbstverteidigung wahrnehme, von sich gäbe. Obama hat sich im Wahlkampf unter anderem mit der so weitgehenden Forderung, Jerusalem müsse die ungeteilte Hauptstadt Israels bleiben, und mit der Benennung seines Stabschefs Rahm Emanuel sowie seiner Außenministerin Hillary Clinton als zuverlässiger Parteigänger der israelischen Regierung wie der proisraelischen Lobby in Washington zu erkennen gegeben. Hinter diese Linie wird er kaum zurückgehen, selbst wenn in seinem außenpolitischen Kabinett Politiker wie die künftige UN-Botschafterin Susan Rice und der Nationale Sicherheitsberater James Jones vertreten sind, die zumindest so tun, als strebten sie einen gerechten Ausgleich an. Die dabei handelsübliche Äquidistanz arbeitet jedoch der israelischen Regierung zu, da sie die grundsätzliche Asymmetrie des Gewaltverhältnisses ignoriert.

Indem der Krieg noch vor der Inauguration Obamas am 20. Januar begann, wurden Tatsachen geschaffen, an denen der künftige US-Präsident nicht vorbeikommt. Bevor dieser irgendwelche Nahostinitiativen vom Stapel hätte laufen lassen, die womöglich nicht ganz im Sinne der israelischen Rechten wären, haben Ministerpräsident Ehud Olmert, Außenministerin Tzipi Livni und Verteidigungsminister Ehud Barak das Heft des Handelns fest an sich gerissen und der nächsten US-Präsidentschaft bereits den Stempel der verschworenen Waffenbrüderschaft zwischen den USA und Israel aufgedrückt. Als Morgengabe wird Obama ein ausgewachsener Krieg auf die Stufen des Kapitols gelegt, zu dem er sich verhalten muß, wie er es bereits gegenüber seinen proisraelischen Parteigängern signalisiert hat.

Auch wenn es der amtierenden israelischen Regierung nicht zuletzt um die Verbesserung der Wahlchancen ihrer jeweiligen Parteien, die allesamt durch den in den Umfragen führenden Likud-Hardliner Benjamin Netanjahu herausgefordert werden, am 10. Februar gegangen sein mag, erfüllt sich mit dem Krieg gegen Gaza die Prognose des designierten US-Vizepräsidenten Joe Biden, Obama werde schon früh in seiner Amtszeit durch eine willkürlich zu diesem Zweck herbeigeführte internationale Krise "getestet" werden, auf allerdings andere Weise, als sie gemeint war. Während Biden an eine Herausforderung der USA durch den Iran, Rußland oder einen anderen Schurken dachte, ist es nun der Verbündete Israel, der die künftige US-Regierung unter einen Handlungsdruck setzt, der im Unterschied zu von ihr selbst initiierten Kriegen von der Alternativlosigkeit eines Sachzwangs ist.

Was immer von Barack Obama hinsichtlich dieses Konflikts zu erwarten ist, bemißt sich an den politischen Umständen seines Aufstiegs, sprich der von ihm gegebenen Garantie, trotz seines Mittelnamens Hussein keine arabischen Interessen zu vertreten, sowie den geostrategischen Interessen der USA. Indem er Afghanistan zum bedeutsamsten Kriegsschauplatz der US-Streitkräfte erklärt und ihn durch eine Pakistanoption potentiell erweitert hat, während er im Irak darauf setzt, daß die Bagdader Vasallenregierung die Arbeit der Aufstandsbekämpfung gänzlich übernimmt, hat er das strategische Gravitationszentrum bereits nach Zentralasien verlagert. Das entspricht auch der betont antirussischen Ausrichtung vieler seiner Berater.

Da US-Truppen bis auf bloße Assistenzleistungen etwa bei der Ausbildung palästinensischen Sicherheitspersonals nicht in den Konflikt zwischen Israelis und Palästinensern eingreifen werden, wird er der israelischen Regierung nicht nur freie Hand lassen, sondern versuchen, sie verstärkt für die eigenen militärischen Belange einzuspannen. Schon jetzt fliegen israelische Piloten ihre Angriffe auf die wehrlose Bevölkerung Gazas mit F-16-Kampfbombern und Apache-Kampfhubschraubern aus US-Produktion, bezahlt vom US-amerikanischen Steuerzahler. Die Rolle Israels als Sparta Washingtons ist durchaus ausbaufähig, so lange beide Seiten meinen, daß ein solches Bündnis für sie von Vorteil wäre.

Diese Entwicklung könnte mit der Einbeziehung der NATO ins nahöstliche Krisenszenario einhergehen, gibt es in der EU doch Bestrebungen, Israel stärker einzubinden, um über mehr Vorwände zu verfügen, selbst auf den großen Schlachtfeldern der Welt mitzumischen. Die unterstellte Absicht, den Friedensprozeß zu fördern, würde zum Sprungbrett des Einsatzes von EU- und NATO-Truppen im Umfeld Israels wie in anderen Bereichen des Nahen Ostens und so auf gegenteilige Weise Wirklichkeit. Eben dies wäre ganz im Sinne Washingtons, wo man sich seit langem Gedanken darüber macht, wie man der EU Gewaltdienstleistungen abverlangen kann, ohne sich allzusehr nach den Interessen ihrer Mitgliedstaaten richten zu müssen.

2. Januar 2009