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HEGEMONIE/1568: Irak als Einstieg in neue Kriege unter EU-Beteiligung (SB)



Der Verbleib eines Kontingents von US-Soldaten im Irak über den von US-Präsident Barack Obama angekündigten Abzug der US-Besatzungstruppen bis zum 31. August 2010 kann niemanden überraschen. Stets war die Rede davon, daß lediglich Kampftruppen abgezogen werden würden, und wenn es sich im Wahlkampf mitunter anders anhörte, dann eben deshalb. Obama bewegt sich folgerichtig auf der Linie seines Vorgängers George W. Bush, die in einem strategischen Abkommen zwischen Washington und Bagdad fixiert wurde und deren Gültigkeit er durch die Aussage unterstrich, die US-Truppen wären im Irak erfolgreich gewesen, da sie alle Kriegsziele erreicht hätten. Dieser Vertrag über die Präsenz der US-Streitkräfte im Irak schließt eine dauerhafte Stationierung nicht vollständig aus.

Der in der ersten Rede Obamas, die er als Commander-in-Chief am Freitag auf dem Stützpunkt der US-Marineinfanterie Camp Lejeune in North Carolina ausschließlich vor Soldaten hielt, angekündigte Verbleib einer Anzahl von 35.000 bis 50.000 US-Militärs im Irak kann den Grundstock einer dauerhaften US-Garnison in dem Land bilden. Da deren Aufgabe, als Ausbilder und Berater für die irakischen Regierungstruppen zu fungieren, auch konkrete militärische Unterstützungsleistungen sowie eigenständige Antiterroroperationen umfaßt, handelt es sich bei ihnen praktisch um Kampftruppen auf Abruf. Die US-Regierung stellt sich darauf ein, den keineswegs vollständig beendeten Widerstand der Besatzungsgegner auch weiterhin in Schach zu halten und auf die strategische Schlüsselstellung des Iraks im Rahmen ihrer euroasiatischen Großraumplanung keinesfalls zu verzichten. Wie dies konkret aussehen wird, hängt wesentlich von der Entwicklung der Beziehungen der USA zum Iran und Syrien sowie der weiteren Kriegführung in Afghanistan und in Pakistan ab, der Obama in seiner Rede wachsende Bedeutung zuwies.

Vor diesem Hintergrund bildet das verstärkte Engagement Deutschlands und Frankreichs im Irak neben dem Afghanistankrieg und der Präsenz der NATO im Libanon einen Einstiegsvektor in künftige militärische Auseinandersetzungen im Nahen und Mittleren Osten. Indem die führenden Staaten der EU nicht nur ihre Wirtschaftsinteressen in dem kriegszerstörten Land vorantreiben, sondern im Rahmen der EU-Initiative EUJUST LEX, in deren Rahmen laut dem EU-Abgeordneten Tobias Pflüger "Richter Polizisten und wahrscheinlich auch Militärs" (junge Welt, 26.02.2009) ausgebildet werden, auch institutionelle Fühler der administrativen Einflußnahme ausstrecken, fungiert die EU als Element einer Okkupation, die sich keineswegs der dauerhaften Zustimmung der Bevölkerung erfreuen muß.

Da dieses Engagement nicht nur aus Interesse an verstärkter Einflußnahme auf die Region erfolgt, sondern im Rahmen der neuen transatlantischen Abstimmung zustandekommt, laut der den europäischen NATO-Staaten größerer Einfluß auf strategische Entscheidungen zugebilligt wird, sie dafür jedoch mehr finanzielle und materielle Lasten der Kriegführung übernehmen müssen, werden potentielle Sachzwänge initiiert, anhand derer die Militarisierung der Europäischen Union zur alternativlosen Notwendigkeit erklärt werden kann. Vor dem Hintergrund des verschärften Kampfes um knapper werdende Energieressourcen als auch Wasser und Nahrungsmittel läuft dieses strategische Dispositiv mit großer Wahrscheinlichkeit auf eine Kriegführung hinaus, die den Soldaten der Bundeswehr und ihren Opfern nicht weniger abverlangen wird als den US-Soldaten im Irak und der irakischen Bevölkerung bisher.

1. März 2009