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HEGEMONIE/1667: Für eine atomwaffenfreie Zone Nahost fehlt die Unterstützung der USA (SB)



Die US-Regierung hatte viele gute Gründe, der Abschlußerklärung der Überprüfungskonferenz zum Atomwaffensperrvertag (Non-Proliferation-Treaty - NPT) nicht die Unterschrift zu entziehen. Nachdem die Vorgängerkonferenz 2005 bereits an den USA, die sich zugunsten vollständiger Handlungsfreiheit im Terrorkrieg auf nichts festlegen wollten, gescheitert war, hätte die Wiederholung dieses weltweit kritisierten Rückschritts das Land mit dem größten Nukleararsenal vollends an den Pranger eines Vorteilsstrebens gestellt, das zu Lasten aller anderen Staaten geht. Da der NPT ein Vertragswerk ist, das die fünf offiziellen Atommächte deutlich bevorteilt, da diese in vier Jahrzehnten keine ernstzunehmenden Anstrengungen unternommen haben, ihren Teil des Vertrags, die Abrüstung ihrer Atomwaffen, zu erfüllen, da US-Präsident Barack Obama, der vor einem Jahr in Prag die vollständige Abrüstung aller Atomwaffen zum Fernziel der Politik seines Landes erklärt hat, dennoch zuvor das eigene Nukleararsenal modernisieren will, ist es eine Untertreibung, in Sachen Atomwaffen von einem Legitimationsdefizit Washingtons zu sprechen.

Um weiterhin das Heft politischer Entscheidungsgewalt bei der internationalen Regulation von Atomwaffen in der Hand zu behalten und ambitionierte Projekte der selektiven Rüstungskontrolle vorantreiben zu können, die nicht zuletzt das Gewaltoligopol der offiziellen und inoffiziellen Atommächte stärken, stand Washington in der Bringschuld. Nur deshalb stimmte Obama einer Abschlußerklärung zu, in der Israel explizit zur Unterzeichnung des NPT aufgefordert und zudem die Einberufung einer internationalen Konferenz 2012 festgelegt wird, auf die die Errichtung einer von Atomwaffen und anderen Massenvernichtungswaffen freie Zone im Nahen Osten beraten werden soll. Dem Projekt als solchem hatte US-Außenministerin Hillary im Rahmen einer Erklärung der fünf ständigen Mitglieder des UN-Sicherheitsrats zwar prinzipiell zugestimmt, dies aber mehr oder minder notgedrungen zugunsten der Legitimation der eigenen Iranpolitik getan. Der Sicherheitsberater Präsident Obamas, James Jones, hat die Hervorhebung Israels in der Abschlußerklärung kritisiert und angekündigt, daß die USA sich nur für die Abhaltung der geplanten Konferenz engagierten, wenn alle Staaten - sprich Iran - daran teilnähmen. Obama selbst hat sich wiederholt geweigert, Israel aufzufordern, dem NPT beizutreten, und zur Abschlußerklärung mit den Worten Stellung bezogen, daß die USA strikt dagegen seien, Israel ausdrücklich beim Namen zu nennen und sich gegen jede Maßnahme stellten, die die nationale Sicherheit Israels gefährde.

Dennoch ist die spezielle Aufforderung an die Adresse Israels und die nichterfolgte Nennung des NPT-Unterzeichnerstaats Iran eine diplomatische Niederlage für Israel. Sie wurde postwendend mit einer Regierungserklärung Benjamin Netanjahus beantwortet, laut der damit die wirkliche Bedrohung der Region und Welt - sprich Iran - ignoriert würde. Aus diesem Grund werde Israel der Konferenz fernbleiben, so die Ankündigung des Premierministers. Wie man in Tel Aviv mit der angeblich größeren Gefahr für die Sicherheit der Welt umgeht, meldet Times Online (30.05.2010). Unter Berufung auf israelische Quellen wird erklärt, daß mindestens eins der drei von Deutschland gelieferten U-Boote permanent in Gewässern stationiert wird, von denen aus seine atomwaffenfähigen, über eine Reichweite von 1500 Kilometern verfügenden Lenkwaffen jeden Ort im Iran erreichen können [1].

So ist nicht zu erwarten, daß das Vorhaben einer atomwaffenfreie Zone im Nahen und Mittleren Osten verwirklicht wird. Wie sich in den Stellungnahmen der US-Führung andeutet, wird Israel auch weiterhin vollständige Rückendeckung aus Washington erhalten. Daß man die Abschlußerklärung dort dennoch unterzeichnet hat, ist ein diplomatisches Zugeständnis an die arabische Welt und andere Länder des Südens. Um auch weiterhin die Rolle des Globalhegemons einnehmen zu können, suchen die USA verstärkt die Zusammenarbeit mit anderen Regierungen auch um den Preis, daß der engste Verbündeten das Nachsehen hat.

Dort geht man davon aus, daß es nicht zu gegen Israel gerichteten Maßnahmen nach Art und Weise der gegen den Iran gerichteten Politik kommen wird. Die jüngsten Spannungen im Verhältnis zwischen Israel und den USA haben sich allesamt hinsichtlich konkreter Maßnahmen, mit Hilfe derer Obama Fortschritte in einer Einigung zwischen Israelis und Palästinenser erzwungen hätte, in Luft aufgelöst. Die stets zugunsten der israelischen Regierung stimmende Mehrheit im US-Kongreß ist so solide und groß, daß Obama, selbst wenn er es für sinnvoll erachtete, Netanjahu zu irgend etwas zu nötigen, sich an ihr die Zähne ausbeißen würde.

Die Abschlußerklärung zur NPT-Überprüfungskonferenz kann gerade in Hinsicht auf die als Fortschritt gefeierte Abhaltung einer Konferenz in zwei Jahren zur Etablierung einer atomwaffenfreien Zone Nahost nicht halten, was sie verspricht. Die USA und die anderen Verbündeten Israels werden keinen Einbruch in ein geostragisches Konzept zulassen, für dessen Bestand man nicht davor zurückschreckte, die die Menschen in aller Welt gegen Israel aufbringende Grausamkeit des Überfalls auf Gaza gutzuheißen oder zumindest stillschweigend zu akzeptieren. Warum sollten sie bei dem ungleich größeren Problem der informellen israelischen Atomrüstung, die zudem integraler Bestandteil des westlichen Drohpotentials ist, anders vorgehen?

30. Mai 2010

[1] http://www.timesonline.co.uk/tol/news/world/europe/article7140282.ece