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HEGEMONIE/1805: Donald Trump - das neue Gesicht barbarischen Krisenmanagements (SB)



Hartnäckig hält sich das Gerücht, der designierte US-Präsident Donald Trump strebe eine Verbesserung der Beziehungen mit Rußland an, was ihm durch eine Kampagne der Wahlverlierer um Hillary Clinton, die eine Manipulation der US-Wahlen durch russisch gesteuerte Fake News unterstellen, unmöglich gemacht werden soll. Die bloße Existenz des Versuchs, Trump durch derartige Behauptungen zu beschädigen und Front gegen Rußland zu machen, besagt keinesfalls, daß dessen freundliche Wahlkampfäußerungen in Richtung Putin von nennenswerter, den Tag der Präsidentschaftswahl überschreitender Bedeutung wäre. Ganz im Gegenteil, die Demaskierung Trumps als eines berechenbaren Vertreters seiner Klasse droht schon vor seinem Amtsantritt am 20. Januar zu erheblicher Verstimmung unter seinen Wählerinnen und Wählern zu führen.

Da Trump seinen Erfolg maßgeblich dem Einbruch in traditionell die Demokraten wählende Staaten mit hohem Anteil an Industriearbeiterschaft zu verdanken hat, ist er auf dem besten Wege, seine rechtspopulistischen Versprechungen innerhalb kürzester Zeit zu demontieren. Das Establishment, gegen das er anzutreten behauptete, gibt sich in seinem Kabinett ein Stelldichein, und das betrifft nicht nur den hohen Anteil an Milliardären unter seinen designierten Ministern. Sein Arbeitsminister Andrew Puzder ist Chef einer Fast-Food-Kette, deren Geschäft auf den in dieser Branche üblichen Niedriglohnjobs basiert und die durch sein künftiges Ministerium erheblicher arbeitsrechtlicher Verstöße bezichtigt wurde. Sein Finanzminister Steven Mnuchin ist ein ehemaliger Banker, der für seine rabiate Enteignungspolitik im Wohungssektor nach der Krise 2008 berüchtigt ist. Sein rechtsradikaler Chefstratege Stephen Bannon, der Vorsitzende des Nationalen Wirtschaftsrates Gary Cohn und Mnuchin haben ihren Aufstieg unter anderem in der Großbank Goldman Sachs vollzogen, gegen die Trump im Wahlkampf heftig polemisierte.

Trump hat für sein Kabinett die vorstellbar reaktionärste, von evangelikalen Sittenwächtern bis neokonservativen Kriegsfalken kein Element rabiater Klassenherrschaft auslassende Wahl getroffen. So wie Barack Obama seinen Einzug ins Weiße Haus dem Niedergang George W. Bushs als eines Präsidenten, der den Irakkrieg nicht zum Vorteil des US-amerikanischen Imperialismus führte, zu verdanken hatte, so ist Trumps Sieg dem durch Obama abgewirtschafteten Ansehen der Demokraten bei der Lohnabhängigenklasse des Landes geschuldet. Das prinzipielle Einverständnis der Demokraten mit seiner die Interessen der Investoren und Kapitaleigner befördernden Politik wird anhand dessen, daß sie ihm nicht den Bruch seiner Anti-Establishment-Propaganda und seine angekündigten sozialfeindlichen Maßnahmen, sondern das angebliche Paktieren mit Putin anlasten, überdeutlich.

Von daher handelt es sich bei der auch hierzulande monierten Kampagne der Demokraten gegen den designierten US-Präsidenten um ein Oberflächenphänomen, das die schon im Wahlkampf durchscheinende Gleichrichtung Clintons und Trumps in der Sicherung etablierter Klassenherrschaft ignoriert. Wie es zwischen miteinander verbündeten imperialistischen Staaten zu Konflikten kommt, in denen sich die brüchigen Verhältnisse der globalen Krisenkonkurrenz abbilden, so liegen auch die Kapital- und Funktionseliten dieser Staaten in mehr oder weniger offenem Streit. Die Überhöhung dieser Konkurrenz um administrativen Einfluß im Wahlkampf bietet insbesondere dem faktischen Zwei-Parteien-System der USA die Möglichkeit, der Bevölkerung vorzumachen, sie habe tatsächlich die Wahl und könne Einfluß im Sinne grundlegender politischer Weichenstellungen nehmen.

Wie wenig dies für das liberale, die Freiheit des Geldmachens - denn nur das macht wirklich glücklich - zur höchsten Tugend erhebende politische System der Vereinigten Staaten zutrifft, ist an der erfolgreichen Unterdrückung nennenswerter sozialistischer Opposition und der Besetzung der sozialen Frage durch christliche Schuldmoral, institutionalisierte Almosenkultur und neofeudales Mäzenatentum zu erkennen. Selbst der offenliegende Rassismus der US-Gesellschaft wird noch für den quasireligiösen Antikommunismus instrumentalisiert, indem der Konflikt zwischen weißer Mehrheitsbevölkerung und nichtweißen Minderheiten an die Stelle des im Grundsatz materialistischer Herrschaftskritik konstitutiven Klassenwiderspruchs tritt.

Der herrschende Block aus Demokraten und Republikanern weist durchaus Risse und Brüche aus, doch diese dürfen niemals seine dominante Position gefährden. Daß die beiden Parteien mitunter verschiedene Kapitalfraktionen vertreten und auch andere, vor allem kulturell bestimmte Differenzen aufweisen, ändert nichts an dem gemeinsamen Auftrag, die im Innern des Landes etablierte Klassenherrschaft außenpolitisch zu stabilisieren. Dabei treten in der Regel noch weniger Unterschiede auf als etwa in der Frage der Einführung einer allgemeinen Krankenversicherung. Der Blick auf Trumps Kabinett verrät, daß allein der künftige Außenminister Rex Tillerson einen prorussischen Kurs vertritt. Als Generaldirektor von Exxon Mobil handelt er im Interesse des Energiekonzerns, seine Investitionen in Rußland ausbauen zu können, und steht damit auch für die Expansionspläne anderer Unternehmen, die von den russischen Öl- und Gaslagerstätten profitieren wollen.

Dem stehen allerdings weit schwerer wiegende geostrategische Interessen der USA entgegen wie die Doktrin, jeden regionalen Akteur, der sich auf die Höhe eigener Machtfülle aufzuschwingen gedenkt, eben daran zu hindern. Allein die gestärkte militärische Präsenz Rußlands im Nahen und Mittleren Osten ist bei allen Arrangements, die kurz- und mittelfristig getroffen werden wie die gemeinsame Bekämpfung des IS, für Washington auf die Dauer inakzeptabel. So weist Trumps Kabinett diverse Vertreter eines strikt gegen den Iran und das mit Teheran geschlossene Abkommen auf, was einen wichtigen Verbündeten Rußlands in der Region betrifft. Auch die Anbahnung eines Zweckbündnisses zwischen Moskau und Ankara paßt nur bedingt in das Szenario eines Ausgleichs mit Rußland, schwächte das doch den gegen das Land gerichteten Aufbau der NATO.

Gleiches gilt für die erklärte Absicht Putins, eine multipolare Weltordnung zu etablieren, sprich den Planeten unter den Großmächten in strategische Einflußzonen aufzuteilen. Da der Kreml nach wie vor darauf besteht, keine NATO-Erweiterung in Richtung Rußland zu akzeptieren, die Rücknahme der gegen die eigene Zweitschlagkapazität gerichteten US-Raketenabwehr fordert und angekündigt hat, jeglicher atomaren Bedrohung mit entsprechenden Aufrüstungsmaßnahmen entgegenzutreten, sind die Chancen für Entspannung nicht nur auf dem Feld strategischer Atomwaffen gering.

Für die hierzulande befürchtete Abkopplung der USA von der NATO gibt es genauso wenig Anhaltspunkte wie für ein strategisches Revirement Washingtons im Sinne eines Bündnisses mit Rußland gegen China und vielleicht sogar die EU. Sicher ist nur eins: die multidimensionale Krise des Kapitals, der ökologischen Lebensvoraussetzungen, der industriellen Rohstoffe, der Ernährung der Weltbevölkerung und der politischen Systeme läuft auf eine Eskalation zu, die den administrativen Griff zu drastischen und barbarischen Maßnahmen wahrscheinlicher denn je seit der NS-Diktatur macht. Trump hat sein Kabinett mit Generälen bestückt, die die massive Unterdrückung jeden nennenswerten sozialen Widerstands in den USA wie in aller Welt zuverlässig garantieren sollen. Er hat allen Schalmeienklängen nichtinterventionistischer Art zuwider die massive Erhöhung des Rüstungsetats angekündigt, was jeden Verdacht, er könne weniger blutig als seine Vorgänger ins Weltgeschehen eingreifen, von vornherein unglaubwürdig macht.

Trump hat der lohnabhängigen und eigentumslosen Bevölkerung mit der drastischen Senkung von Unternehmenssteuern, der Einschränkung und Abschaffung noch bestehender Sozialprogramme und einem nationalen Investitionsprogramm, an deren Public Private Partnerships sich Kapitalinvestoren eine goldene Nase verdienen können, den sozialen Krieg erklärt. Sich an Herrschaftsdiskursen abzuarbeiten, bei denen die Winkelzüge und Konkurrenzverhältnisse administrativer Eliten im Mittelpunkt stehen, heißt im besten Falle, auf deren Schattenspiele hereinzufallen. Das einzige, was an Trump aus emanzipatorischer Sicht produktiv gemacht werden kann, ist die Entlarvung rechtspopulistischer Volkstribune seines Schlages als Verführer der Massen zugunsten sehr spezieller, nur dem kleinsten Teil der Bevölkerung zugutekommender Interessen.

26. Dezember 2016


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