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HERRSCHAFT/1413: Rice hat wertvolle Vorarbeit für Obama geleistet (SB)



Buchstäblich in letzter Minute tritt US-Außenministerin Condoleezza Rice noch einmal in wichtiger Mission in Erscheinung. Ihre israelische Kollegin Tzipi Livni will mit ihr aushandeln, wie die USA eine Wiederbewaffnung der Hamas im Falles eines Waffenstillstands gewährleisten kann. Das Szenario erinnert stark an den Libanonkrieg vor zweieinhalb Jahren, als es Rices Aufgabe war, die Einstellung der israelischen Angriffe mit der Aushandlung einer UN-Resolution zu flankieren, die zumindest teilweise zur Erfüllung der israelischen Kriegsziele beitrug und letztlich die Schuld an der Bombardierung des Libanon bei der schiitischen Hisbollah verortete.

Die Gradlinigkeit, mit der Rice die Interessen der USA gegenüber Ländern des Südens vertrat, hat noch vor Amtseinführung Barack Obamas demonstriert, daß die ethnische Herkunft bei machtpolitischen Entscheidungen bis zur Unkenntlichkeit in den Hintergrund tritt. Afroamerikaner sorgen so gut oder vielleicht noch besser als die Mitglieder der weißen Mehrheit dafür, daß die Interessen der USA auf höchst einseitige Weise zu Lasten anderer Bevölkerungen durchgesetzt werden und man dabei auch noch bella figura macht.

Über Condoleezza Rices Hautfarbe teilt eine in Washington kursierende Anekdote mit, daß sie eigentlich gar keine hat, aber zumindest einmal eine hatte. So soll sie bei Problemen schwarzer US-Bürger gerne Mitgefühl mit den Worten vorschützen: "Ich verstehe das, ich war selbst einmal schwarz". Mit Colin Powell und Condoleezza Rice verfügte US-Präsident George W. Bush in seiner ersten Amtszeit über zwei weithin sichtbare Exponenten seiner Regierung, mit denen er jeden Verdacht auf rassistische Motive seiner Politik von sich weisen konnte. Sein Außenminister und seine Sicherheitsberaterin konnten im soziokulturellen Sinne jedoch kaum als Angehörige der schwarzen Minderheit gelten. Sie gehören einer arrivierten Funktionselite mit dem spezifischem Habitus des "uppity niggers" an, der seine Umgangsformen und Gewohnheiten so sehr der herrschenden weißen Klasse angepaßt hat, daß er auf viele Schwarze tatsächlich wie ein Mitglied derselben wirkt.

Im August 2003 hat Rice auf geradezu obamaeske Weise vorgemacht, wie man den Nachteil der Zugehörigkeit zu einer unterprivilegierten Gruppe der US-Gesellschaft zu Lasten derselben in einen politischen Vorteil verwandeln kann. Vor der National Association of Black Journalists stellte sie den Kampf der schwarzen Bürgerrechtsbewegung in direkten Zusammenhang mit der Eroberung des Iraks. Indem sie den Anschein erweckte, sich für Menschen einzusetzen, denen man qua ihrer ethnischen Herkunft von vorneherein unterstellt, sie seien "an Freiheit nicht interessiert, sie sind kulturell noch nicht auf Freiheit vorbereitet oder sie sind einfach nicht bereit für die Verantwortung, die mit Freiheit einhergeht", untermauerte sie die Suprematie der eigenen Kriegführung. Das könne so wenig für den Nahen Osten oder Afrika gelten, wie es für die Schwarzen der Vereinigten Staaten gegolten habe: "Diese Ansicht war 1963 in Birmingham falsch, und sie ist 2003 in Bagdad und dem Rest des Nahen Ostens unzutreffend", so Rice unter Bezug auf eine zentrale Auseinandersetzung um die Aufhebung der Rassentrennung in den USA.

Die Bürgerrechtsbewegung der frühen 1960er Jahre war nicht nur um die Aufhebung der Benachteiligung der schwarzen Minderheit bemüht, sie war angesichts des überall in den Ländern des Südens auf dem Rückmarsch befindlichen Kolonialismus auch von der Idee einer internationalen Bewegung beseelt, die die Menschen des Trikonts dauerhaft von weißer Vorherrschaft befreien sollte. Der schwarze Lohnsklave auf den Baumwollfeldern des Südens und in den Fabriken des Nordens der Vereinigten Staaten hatte mit den Opfern imperialistischer Ausbeutung in den Ländern des Südens mehr gemein als mit der weißen Bevölkerung des eigenen Landes, und das gilt für viele US-amerikanische Schwarze heute noch.

Das Bush-Regime in Washington unterschied sich nicht von dem der Kennedy, Johnson und Nixon, die den Vietnamkrieg unter eben dem Titel einer Befreiung der vietnamesischen Bevölkerung für die Demokratie führten. Die Subordination des Iraks unter die Kuratel des transnationalen Kapitals und der US-amerikanischen Globalhegemonie hat der Bevölkerung des Landes bis heute vor allem Not und Tod beschert. Einige Errungenschaften der Ära Saddam Husseins - säkulare Verfassung, Verstaatlichung nationaler Ressourcen, umfassende Sozialfürsorge, weitreichende Gleichberechtigung der Frau - wurden in einem Zug mit all dem beseitigt, was an seiner Herrschaft beseitigenswert war, um der neoliberalen Freiheit der "kreativen Zerstörung" und einer kaum weniger autoritären Vasallenregierung Raum zu geben.

Die regierungsamtliche Glorifizierung der US-Bürgerrechtsbewegung hat diesem Aufbruch die systemkritischen und revolutionären Zähne gezogen, um die Befriedung von sozialen Antagonismen zu gewährleisten, deren Anwachsen auch dem Scheitern des emanzipatorischen Anspruchs dieser Bewegung geschuldet ist. Durch eine von Weißen kontrollierte politische Kultur wurden die Nachfahren der Sklaven von derartigen Ideen befreit, so daß sie um so leichter für das Führen neokolonialistischer Feldzüge vereinnahmt werden können. Es dürfte eines der bleibenden Verdienste Rices sein, als Exponentin dieser Strategie wertvolle Vorarbeit für den Aufstieg Obamas geleistet zu haben.

16. Januar 2009