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HERRSCHAFT/1422: Rassist Lieberman Königsmacher in Israel? (SB)



Wer gehofft haben mochte, die Bevölkerung Israels strebe in ihrer Mehrheit nicht dem nationalistischen und rassistischen rechten Lager zu, wird durch das Ergebnis der wie immer vorgezogenen Parlamentswahl eines Schlechteren belehrt. Also waren die Meinungsumfragen während des Angriffs auf den Gazastreifen keineswegs ein bloßer Ausfluß regierungstreuer Propaganda, als sie der extrem repressiven Politik gegen die Palästinenser breite Zustimmung im Land attestierten.

Zwar hat die Mitte-Rechts-Partei Kadima von Außenministerin Tzipi Livni die Parlamentswahl knapp gewonnen und wird mit 28 von 120 Sitzen stärkste Kraft in der Knesset. Dennoch könnte das erste Mal in der 60jährigen Geschichte Israels der Fall eintreten, daß die stärkste Partei nicht die Chance bekommt, eine Regierung zu bilden. Das israelische Wahlsystem sieht nämlich vor, daß nicht zwangsläufig die stärkste Fraktion, sondern der Kandidat mit den besten Aussichten auf eine Mehrheit im Parlament mit der Regierungsbildung beauftragt wird. Staatschef Schimon Peres könnte durchaus zu der Auffassung gelangen, daß nicht Tzipi Livni, sondern Oppositionsführer Benjamin Netanjahu den Zuschlag bekommt, dessen Likud-Partei nach Angaben der Wahlkommission 27 Mandate erhält.

Daß sich Netanjahu ebenso wie Livni zum Wahlsieger erklärt hat und das Amt des Regierungschefs für sich reklamiert, ist keineswegs aus der Luft gegriffen. Tut er sich mit den anderen rechtsgerichteten und religiösen Parteien zusammen, steht ihm eine Mehrheit von 65 Sitzen im Parlament in Aussicht. Ehud Barak hat von seiner Rolle als Falke nicht profitiert, denn seine Arbeitspartei stürzte von 19 auf 13 Sitze ab und erzielte damit das schlechteste Ergebnis ihrer Geschichte. Die Arbeitspartei muß künftig befürchten, von der religiösen Shas-Partei überholt zu werden, die auf elf Mandate kam.

Um den katastrophalen Rechtsruck vollzumachen, legte die Partei Israel Beitenu (Unser Haus Israel) des Nationalisten Avigdor Lieberman vier Mandate zu und ist nun mit 15 Sitzen dritte Kraft in der Knesset. Wie befürchtet, könnte Lieberman dank dieses Zugewinns Königsmacher werden, womit ein extremer Nationalist und erklärter Rassist die Schlüsselposition für die Zusammensetzung der künftigen Regierung und damit des politischen Kurses einnimmt. Vorwürfe aus dem linken Lager, er habe den Boden eines demokratischen Rechtsstaats längst verlassen und sei das, was man in europäischen Ländern einen Faschisten nennen würde, fechten ihn nicht an.

Avigdor Lieberman führt eine ehemalige russische Immigrantenpartei an, die vor zehn Jahren nicht mehr als vier Mandate gewann. Sein Wahlkampfslogan "Ohne Loyalität keine Staatsbürgerschaft" richtet sich offen gegen die in Israel lebenden arabischen Staatsbürger, die 18 Prozent der Bevölkerung ausmachen und als innere Bedrohung diffamiert werden. Lieberman hat früher gelegentlich die Hinrichtung arabischer Parlamentarier gefordert und will nun Loyalitätstests für alle Bürger einführen. Wer nicht Treue zum jüdischen Staat, seiner Fahne und seiner Nationalhymne schwört, soll sein aktives und passives Wahlrecht verlieren. Ginge es nach ihm, würden rund 250.000 arabische Staatsbürger Israels mitsamt ihren Häusern und dem Boden, auf dem sie stehen, zwangsweise dem zukünftigen Palästinenserstaat zugeschlagen, während Israel dafür die großen Siedlungen im Westjordanland behält.

Man muß befürchten, daß das Kind angesichts dieses Wahlergebnisses längst in den Brunnen gefallen ist und eine Figur wie Lieberman in gewissem Umfang Geschichte schreiben darf. Es ist ja schon furchterregend, wenn selbst ein erzkonservatives Fossil wie Benjamin Netanjahu aus den Schlagzeilen angekündigter Grausamkeiten verdrängt wird, wie sie Lieberman genüßlich und in der Gewißheit ausgebreitet hat, damit auf Stimmenfang zu gehen.

In den kommenden Tagen und Wochen werden außerordentlich zähe Koalitionsverhandlungen folgen, die mit Sicherheit von wüsten gegenseitigen Beschimpfungen begleitet sind, doch ist die nicht gerade einladende politische Kultur Israels bekanntlich nichts im Vergleich zu der weithin befürworteten Brutalität gegenüber den Palästinensern.

Als zögen sie auf Treibjagd, haben Premierminister Ehud Olmert, Kriegsminister Ehud Barak und Außenministerin Tzipi Livni mit ihrem Militärschlag gegen den Gazastreifen die Netze des rechten Lagers gefüllt. Während sie einander an Vernichtungswut zu übertreffen suchten, um nicht zuletzt bei der Knesset-Wahl zu punkten, exerzierten sie den Rechtsruck mit dem Resultat vor, daß sich die Abstimmung beim Urnengang darauf reduzierte, welchen Kriegstreiber und Araberfeind die israelische Wählerschaft bevorzugt.

11. Februar 2009