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HERRSCHAFT/1596: Regimes der Golfregion steht das Wasser bis zum Hals (SB)



Den Regimes der Golfregion, die sich als enge Verbündete der Vereinigten Staaten und Handlanger bei deren Kriegsführung weitgehend immun gegen innere Umwälzungen gewähnt haben mochten, steht das Wasser bis zum Hals. Der Erhebungen in den Ländern Nordafrikas und des Nahen Ostens haben einen Prozeß in Gang gesetzt, der auch die arabische Halbinsel erfaßt hat und deren despotische Herrschaftsformen hinwegzufegen droht. Wie sie der jähe Sturz Mubaraks in Ägypten gelehrt hat, halten die USA nur so lange eine schützende Hand über ihre Vasallen, wie es die Umstände erlauben und dem Kalkül Washingtons dienlich ist. Beschönigend als Partnerschaft bezeichnet, handelt es sich um ein auf Willfährigkeit gründendes Abhängigkeitsverhältnis, das von den Eliten dieser Länder zum Zweck ihres Machterhalts favorisiert und zu Lasten der Bevölkerung durchgesetzt wird.

In welchem Ausmaß die Throne und Paläste erschüttert werden, mag die Palette panischer Reaktionen unterstreichen, mit denen die Herrscher ihre Untertanen zu befrieden hoffen: Die ergriffenen Maßnahmen reichen von Bestechung über Repression bis hin zur Intervention im Nachbarland, wenn es gilt, das Aufbegehren von der Straße zu drängen, zu zerstreuen und künftig im Keim zu ersticken. Wenngleich die Machthaber den Eindruck erwecken, sie handelten auf eigene Faust, und es nicht an deutlich signalisiertem Groll angesichts offizieller Zurückhaltung der US-Regierung fehlen lassen, liegt doch auf der Hand, daß alle entscheidenden Maßnahmen mit Washington abgesprochen sind. Als wichtigste Öllieferanten, Gastländer bedeutender US-Militärstützpunkte und Frontstaaten gegen den Iran können sie sich keine Alleingänge erlauben.

In Saudiarabien, als absolute Monarchie von wenigen Kommunalpolitikern abgesehen ohne gewählte Volksvertreter, hat das Herrscherhaus mit König Abdullah an der Spitze eine Reihe von Reformen und Geldgeschenken an die Bevölkerung beschlossen. Der Monarch dankte in seiner ersten öffentlichen Ansprache seit Beginn der Proteste in der arabischen Welt den Sicherheitskräften und den Bürgern dafür, die Stabilität des Landes erhalten zu haben. Im Anschluß daran verlas ein Nachrichtensprecher eine Reihe königlicher Erlasse: So soll jeder arbeitslose Saudi ab sofort pro Monat 2000 Rial (377 Euro) Arbeitslosengeld erhalten, und für Einheimische wurde ein Mindestlohn in Höhe von 3000 Rial pro Monat festgelegt. Für die vielen im Königreich beschäftigten ausländischen Arbeiter gilt dies jedoch nicht. Des weiteren gab Abdullah den Bau neuer Wohnungen, die Renovierung vieler Moscheen und die Einrichtung einer Behörde zur Bekämpfung der Korruption in Auftrag. [1]

Wo die immensen Mittel der Scheichtümer nicht zur Verfügung stehen und die gewaltsamen Auseinandersetzungen seit Jahren auf wesentlich höherem Niveau geführt werden, greift das Regime zu offener Repression. Im Jemen müssen 40 Prozent der Bevölkerung mit weniger als zwei Dollar am Tag auskommen. Dort hat der Nationale Verteidigungsrat den Ausnahmezustand verhängt, nachdem Sicherheitskräfte zuvor in Sanaa zahlreiche Demonstranten erschossen hatten. Damit ist den Bürgern unter anderem das Tragen von Waffen verboten. Die Opposition fordert den sofortigen Rücktritt Präsident Ali Abdullah Salehs, der jedoch erst 2013 abtreten will. Augenzeugenberichten zufolge schossen Anhänger des Staatschefs von umliegenden Dächern auf Demonstranten, die auf einem Platz vor der Universität der Hauptstadt versammelt waren. Dabei wurden mindestens 41 Menschen getötet und mehr als hundert weitere verletzt worden. Seit fast vier Wochen campieren auf dem Platz im Zentrum von Sanaa Tausende Menschen, die den Rücktritt Salehs verlangen, der seit 1978 an der Macht ist. Schon in den zurückliegenden Wochen war es in Sanaa und anderen Städten des Landes immer wieder zu blutigen Zusammenstößen zwischen Oppositionellen und der Polizei gekommen. [2]

In Bahrain hatte der König das Kriegsrecht ausgerufen und die Golf-Anrainer zum militärischen Eingreifen aufgefordert, worauf diese eine Intervention beschlossen und durchführten. Nun haben Soldaten das Denkmal auf dem Perlenplatz in der Hauptstadt Manama zerstört, weil dieses zum Symbol des Protests geworden war. Außenminister Khalid bin Ahmed Al Khalifa begründete die Maßnahme mit den Worten, es habe sich um "ein schlechtes Andenken" gehandelt. Das 90 Meter hohe Monument stellte eine von sechs geschwungenen Säulen getragene Perle dar und erinnerte an die Tradition der sechs Golfstaaten vor dem Ölreichtum. Bei den Zusammenstößen auf dem zentralen Platz waren sechs Menschen gestorben, womit sich die Zahl der bei Protesten in Bahrain Getöteten auf mindestens zwölf erhöht.

Zum Begräbnis eines regierungskritischen Demonstranten, der in der Stadt Sitra von Sicherheitskräften getötet worden war, strömten dort Tausende Schiiten zusammen. Als man Ahmed Farhan zu Grabe trug, skandierte die Menge Parolen gegen das sunnitische Königshaus, und beim Freitagsgebet warf der Geistliche Scheich Issa Kassim dem Staat vor, er habe eine tiefe Wunde zwischen Regierende und Regierte geschlagen. Die Interventionstruppen stünden besser an der Seite der Palästinenser im von Israel abgeriegelten Gazastreifen. [3]

Nach den Worten des Außenministers sollen die ausländischen Truppen solange bleiben, wie sie "zum Schutz unseres Landes benötigt werden". Man halte sie jedoch von der einheimischen Bevölkerung weitgehend fern und setzte sich für unterstützende Maßnahmen ein. Zugleich verteidigte er die von der Regierung in der vergangenen Woche ergriffenen Maßnahmen als notwendig, um "terroristische Aktivitäten" und "Sabotage" abzuwenden, die Bahrain zerstören wollten. [4] Wenn die Regierung Waffen gegen die Bevölkerung richtet und Interventionstruppen ins Land holt, fürchtet sie natürlich nicht die Zerstörung Bahrains, wohl aber die ihrer Herrschaft. Ein Monument niederzureißen, um den Protest eines symbolträchtigen Rückhalts zu berauben, könnte sich durchaus ins Gegenteil verkehren und als Startsignal aufgefaßt werden, mit der Demontage des Regimes fortzufahren.

Anmerkungen:

[1] König Abdullah verteilt Geld. Der saudische Monarch wendet sich erstmals seit längerem ans Volk (18.03.11)
NZZ Online

[2] Ausnahmezustand über Jemen verhängt. Viele Tote bei Angriff auf Regierungsgegner (18.03.11)
NZZ Online

[3] Tausende Schiiten bei Begräbnis für Demonstranten in Bahrain. Streitkräfte zerstören symbolisches Monument in Manama (18.03.11)
NZZ Online

[4] Bahrain Tears Down Monument as Protesters Seethe (18.03.11)
New York Times

19. März 2011