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PROPAGANDA/1347: Jubelmeldungen ... Bundestagswahlkampf in Afghanistan (SB)



"Erfolg beim bislang größten Kampfeinsatz der Bundeswehr in Afghanistan! Die Truppen haben eine Taliban-Hochburg zurückerobert." jubelt Bild (23.7.2009) in unverhohlener Freude über die Tatsache, daß kriegerische Offensiven nach der Beteiligung deutscher Kampfflugzeuge an der Bombardierung Jugoslawien nun auch am Boden wieder möglich sind. Mindestens 13 "Aufständische" seien laut dem dem Provinzgouverneur getötet und "zahlreiche" weitere verletzt worden, berichtet das Boulevardblatt im Tenor einer Heldenmaschine, die, wenn sie gerade keine Sieger hervorbringt, dann zumindest daran arbeitet, daß dieser Krieg auch an der Heimatfront erfolgreich geführt wird.

Bei der Bundesregierung und der Bundeswehrführung scheint man allerdings eher Zurückhaltung zu üben, was die Bereitstellung konkreter Informationen für den Schlachtfeldjournalismus betrifft. Die allgemeine Nachrichtenlage ist dürr, so daß die markigen Siegesparolen wie Irrläufer in einer ansonsten eher von negativen Berichten über das Kriegsszenario bestimmten publizistischen Landschaft wirken. Bis auf die Todesopfer auf Seiten der Taliban, von denen man keineswegs weiß, ob es sich tatsächlich um aktive Kämpfer oder einmal mehr um Zivilisten, die zur falschen Zeit am falschen Ort waren, handelt, entbehrt die Erfolgsmeldung jeder Verifikation. Tatsächlich läßt sich in einem Krieg, in dem hochgerüstete Besatzer gegen leichtbewaffnete einheimische Gegner antreten, kaum etwas wie ein konkreter Geländegewinn oder die Eroberung wichtiger feindlicher Stellungen vorzeigen. Die gegen die Besatzer kämpfenden Gruppen zeichnen sich durch hohe Flexibilität und weitgehende Unsichtbarkeit aus, sie bedienen sich schon aus Gründen waffentechnischer Unterlegenheit Guerillataktiken, die das in deutschen Zeitungen verbreitete Bild vorwärts stürmender Panzer als PR-Maßnahme der Abteilung Öffentlichkeitsarbeit im Verteidigungsministerium erkennen lassen.

Interessanter als die militärstrategischen Fragen eines Abnutzungskriegs, den die NATO kaum verlieren, aber auch nicht gewinnen kann, ist die Frage nach dem politischen Nutzen derartiger Aktivitäten. Es ist wohl nicht unplausibel zu vermuten, daß diese "show of force" weniger dazu gedacht ist, die Besatzungsgegner zu beeindrucken, als der afghanischen Bevölkerung zu suggerieren, die NATO beherrsche die Lage und schaffe damit politisch kalkulierbare Verhältnisse. Nur auf dieser Basis kann für die Präsidentschaftswahl am 20. August ein Mindestmaß an Legitimität geschaffen werden.

Sollte es den Taliban dennoch gelingen, ihre Aktivitäten vor diesem Termin so sehr zu intensivieren, daß noch mehr als die bereits 56 NATO-Soldaten fallen, die die Kämpfe bereits im laufenden Monat gefordert haben, dann wirkt sich dieser Krieg auch auf die Bundestagswahl am 27. September aus. Mit jedem deutschen Soldaten, der in Folge der offensiver auftretenden Bundeswehr sein Leben verliert, gewinnt in der Bundesrepublik die Forderung der Linken nach sofortigem Abzug der deutschen Truppen aus Afghanistan an Überzeugungskraft. Es ist daher damit zu rechnen, daß der Informationskrieg die Bedeutung des realen Geschehens zusehends überformen wird, überläßt man es bei der Bundesregierung und der Bundeswehr doch kaum dem Zufall, daß die Heimatfront durch das Erstarken erklärter Kriegsgegner schwächelt.

24. Juli 2009