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PROPAGANDA/1448: Drohnen der Menschenrechtskrieger - den hegemonialen Interessen zum Gebrauch (SB)



Nachvollziehbar und verständlich kommt unter vielen, die sich mit einem gesunden Gerechtigkeitsempfinden ausgestattet wähnen, der Wunsch auf, Putschisten, Folterern, Kriegsherren, Diktatoren, Völkermördern und anderem Raubgesindel das Handwerk zu legen und sie dem auf demokratische Rechtsnormen gegründeten Urteil Justitias zu übergeben. Warum sollten solche Menschen nicht die gleiche Strafe erhalten, die sie zeit ihrer Herrschaft eigenhändig oder mittels an Beute oder Profit beteiligten und willfährig gemachten Handlangern anderen zugefügt haben? Und einmal diese Vorstellung weitergesponnen: Warum bei der Verfolgung dieses hehren Ziels nicht auch alle technologischen Möglichkeiten ausschöpfen, um dem Recht Geltung zu verschaffen?

Anscheinend haben sich eben das Andrew Stobo Sniderman und Mark Hanis, Mitbegründer der Menschenrechtseinrichtung Genocide Intervention Network, auch gesagt. Sie schlagen in der "New York Times" [1] vor, daß zivilgesellschaftliche Kräfte Überwachungsdrohnen einsetzen, um Menschenrechtsverletzungen aufzuzeichnen. Man könne gleich damit in Syrien anfangen. Da dort die Beobachter der Arabischen Liga ihre Tätigkeit ausgesetzt hätten, könnten sie durch Drohnen ersetzt werden. Mehr noch, die Fluggeräte erreichten womöglich Orte, zu denen die Beobachter, die von der Regierung beaufsichtigt und gelenkt würden, gar nicht hinkämen. Die Aufzeichnungen könnten dann einer breiten Öffentlichkeit, darunter UN-Diplomaten und Ermittlern des Internationalen Strafgerichtshofs, vorgelegt werden.

Das Autorenduo nennt zwei Beispiele, in denen zivilgesellschaftliche Gruppen bereits Überwachungssysteme verwendet hätten: Zum einen habe die Umweltgruppe Sea Shepherd Conservation Society illegalen Walfang durch japanische Fischer mit Hilfe einer Drohne gefilmt, zum anderen hätten vor einigen Jahren unter anderem Menschenrechtsgruppen sowie der Schauspieler und Aktivist George Clooney Satellitenbilder von Konfliktgebieten erworben und verbreitet. Drohnen könnten das sogar noch besser, sie seien näher am Geschehen dran.

Die beiden Menschenrechtskrieger scheinen die Lesart der US-Regierung so sehr verinnerlicht zu haben, daß sie, vorsichtig formuliert, abweichende Einschätzungen zur Lage in Syrien nicht zulassen, oder schärfer ausgedrückt, die simpelsten Zusammenhänge nicht erkennen bzw. anerkennen, wenn sie schreiben: "Eines wissen wir: die syrische Regierung bekämpft nicht nur Rebellen, wie sie behauptet; sie schießt auf unbewaffnete Demonstranten, und das seit Monaten."

Eine Regierung zu unterstützen, die sich repressiver Mittel bedient und foltert, um ihre Macht zu erhalten, verdient sicherlich keine Unterstützung. Aber kann man ernsthaft von der syrischen Regierung erwarten, daß sie die Waffen streckt, wenn sie von bewaffneten Kräften angegriffen wird? Daß sie bewaffnet sind, steht außer Frage. Syrische Polizisten und Soldaten wären nicht zu Dutzenden ums Leben gekommen, wenn lediglich friedliche Demonstranten Prostestschilder tragend durch die Straßen marschiert wären.

Wahrscheinlich ist es vorgekommen, daß die syrische Armee unbewaffnete Zivilisten getötet hat. Aber nicht weniger wahrscheinlich dürfte es sein, daß bewaffnete Rebellen entweder aus den Reihen der Demonstranten heraus oder zumindest nicht von diesen unterscheidbar die Vertreter des Staates angegriffen und getötet haben. In Syrien wird kein Volksaufstand niedergeschossen, sondern ein vom Ausland massiv unterstützter Versuch, die Regierung zu stürzen, bekämpft.

Der Wunsch der beiden Kommentatoren in der "New York Times" nach Videobeweisen für Verletzungen der Menschenrechte könnte, am Beispiel Syrien aufgezeigt, dazu führen, daß sich die Menschenrechtskrieger günstigstenfalls ahnungslos zu Handlangern hegemonialer Interessen machen lassen. Schlimmstenfalls würden solche Videoaufnahmen durch Drohnen gezielt und absichtsvoll verwendet, um eine unliebsame Regierung zu schädigen. Im übrigen ist hinlänglich bekannt, daß die durch das Objekt abgelichtete Realität genau nicht objektiv, sondern subjektiv ist. Es werden immer nur Ausschnitte gezeigt, die dadurch gekennzeichnet sind, daß sie das Drumherum genau nicht zeigen. Das aber könnte für den Kontext des mutmaßlichen Beweises von Menschenrechtsverletzungen ausschlaggebend sein und einen gänzlich anderen Eindruck vermitteln.

Sniderman und Hanis dürften überrascht sein zu erleben, wer sich entweder gegen ihren Vorschlag wendet oder aber, sollten zukünftig Menschenrechtler die Joysticks zur Lenkung der Drohnen bedienen, in irgendeiner Form Einschränkungen vornehmen wird. Es sind die gleichen Kräfte, die heute die syrische Regierung an den Pranger stellen. Selbstverständlich würden sie es begrüßen, von Menschenrechtsorganisationen weitere Munition gegen Präsident Bashar al-Assad zu erhalten, aber sie wären vermutlich überhaupt nicht angetan davon, wenn sie selbst oder die Regierungen verbündeter Staaten auf die gleiche Weise vorgeführt und bezichtigt werden.

Wenn aber Parteilichkeit und in letzter Konsequenz militärische Machtmittel darüber entscheiden, ob Verletzungen von Menschenrechten vorliegen und ob die mutmaßlichen Täter verfolgt werden, dann erfüllen die bei Menschenrechtlern Begehrlichkeiten weckenden Drohnen keine andere Funktion als die von Staatsorganen - gegenwärtig insbesondere der Vereinigten Staaten - eingesetzten fliegenden Überwachungsplattformen.

Die Verletzung der territorialen Hoheit eines Landes sei zwar illegal, räumen die Autoren ein. Aber es sei ja auch illegal gewesen, während der Zeit der Apartheid in Südafrika Nelson Mandela zu unterstützen, begründen sie ihren Standpunkt - ganz nach dem Motto, daß der Zweck die Mittel heiligt.

Diese Einstellung, nicht selten vorgebracht von Personen, die sich im Recht wähnen, nimmt mitunter groteske Züge an. Schon vor drei Jahren ging der Genozidforscher Daniel Jonah Goldhagen in seinem Buch "Schlimmer als Krieg" [2] über den Standpunkt Snidermans und Hanis' hinaus, indem er forderte, daß zur Verhinderung eines Völkermords "alle hochrangigen Mitarbeiter staatlicher oder behördlicher Einrichtungen", deren Untergebene und prominente Mitglieder einer Gesellschaft, die auch nur "mit dem Gedanken an Massenmord und -eliminierung" spielten, vorsorglich liquidiert werden sollten. Das ist Goldhagens Rezept gegen Völkermord. Zudem schlägt er vor, daß ein Kopfgeld auf alle von einem Programm für schuldig befundenen potentiellen Völkermörder ausgesetzt wird.

So weit gehen Sniderman und Hanis mit ihrem Wunsch, Drohnen als Überwachungstechnologie einzusetzen, nicht. Aber sie bedienen sich der Mittel und bereiten weitergehenden Maßnahmen den Weg, die sich schon immer des Menschenrechts als Angriffsinstrument bedient haben, um ihre hegemonialen Ambitionen durchzusetzen.



Anmerkungen:

[1] "Drones for Human Rights", Andrew Stobo Sniderman und Mark Hanis, in: The New York Times, 30. Januar 2012
http://www.nytimes.com/2012/01/31/opinion/drones-for-human-rights.html

[2] Daniel Jonah Goldhagen: "Schlimmer als Krieg. Wie Völkermord entsteht und wie er zu verhindern ist", München 2009.

3. Februar 2012