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RAUB/0887: Eigentumsrecht über alles ... (SB)



Gegen die Enteignung des Immobilienfinanzierers Hypo Real Estate (HRE) machen die Anwälte des Hauptaktionärs Christopher Flowers unter anderem eine Verletzung des Gleichheitsgebots geltend, müßten doch die Aktionäre anderer angeschlagener Banken auf die gleiche Weise wie dieser behandelt werden. Die Argumentation belegt, daß Gleichheit auch in neoliberalen Kreisen kein Tabu ist, wenn damit nur Schaden vom eigenen Einfluß und Vermögen abgewehrt werden kann. Daß beides bereits hin und weg wäre, wenn der Staat die Bank nicht mit milliardenschweren Garantien am Leben erhalten hätte, weiß alle Welt und will dennoch nicht daran rühren, daß die Aktionäre über verbriefte, grundrechtlich geschützte Eigentumsrechte verfügen.

Wie sich anläßlich der ungenutzt verstrichenen Frist, das Kaufangebot des staatlichen Bankenrettungsfonds Soffin zu 1,39 Euro je Aktie anzunehmen, gezeigt hat, pokern die Aktionäre darum, im Endeffekt einen noch besseren Schnitt zu machen. Sie haben eine Wirtschaftsordnung im Rücken, die selbst in einem nur mit staatlicher Hilfe verhinderten Fall von Totalpleite den Schutz des Eigentumsrechts nach Artikel 14 Absatz 1 des Grundgesetzes stark macht, obwohl in Absatz 2 und 3 die Verpflichtung des Eigentums zum Gemeinwohl und die Möglichkeit einer Enteignung zum Wohle der Allgemeinheit statuiert wird.

Diese Rechtsgrundsätze sind vor allem von symbolischer Art und entsprechen damit etwa dem grundgesetzlichen Widerstandsrecht nach Artikel 20 Absatz 4. Was als Maßnahme gegen diktatorische Entwicklungen gedacht war, fungiert nicht einmal als Feigenblatt verfassungsrechtlicher Integrität, sondern gilt gemeinhin als lästiges Erbe einer Zeit, in der man unter dem Eindruck des NS-Staates zu grundrechtlichen Zugeständnissen an den Volkssouverän bereit war. Dementsprechend dient die Möglichkeit vom Staat vollzogener Enteignungen vor allem Übergriffen auf die Eigentümer von Grundstücken und Häusern, die wichtigen Bauprojekten im Weg stehen und die meist nicht den langen Atem an Geld und Energie verfügen, sich gegen diese Zwangsmaßnahme zu wehren.

Die Bundesregierung hat sich entschlossen, dem Finanzkapital aus einem Schlamassel zu helfen, der dessen eigenen Grundsätzen nach direkt in die Insolvenz führen müßte. Daß über solche Möglichkeiten kaum nachgedacht und debattiert wird, obwohl die Milliarden, die für marode Banken eingesetzt werden, auf vielfältige Weise volkswirtschaftlich sinnvoller zu verwenden wären, ist nicht nur Ausdruck von der Wirtschaftskrise unbeschadeter Klassenherrschaft. Es sagt auch etwas über den fiktiven Charakter vorhandener Geldmengen aus, die sich bei ihrer materiellen Realisierung als weit weniger durch ihren Wertanspruch gedeckt erweisen könnten als behauptet.

5. Mai 2009