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RAUB/0995: G20-Treffen - Agrarminister um Stabilisierung der Mangelverwaltung bemüht (SB)



Am Donnerstag sind die Agrarminister der G20-Staaten in Paris zusammengekommen, um sich zu beraten, wie der Hunger endlich ein für allemal aus der Welt geschafft werden kann ... ein solches Ziel sollte man zumindest erwarten, leiden doch zur Zeit rund eine Milliarde Menschen an Hunger. Tatsächlich wird in der französischen Hauptstadt etwas ganz anderes verhandelt: Was können wir tun, damit Grundnahrungsmittel bezahlbar bleiben? Die deutsche Agrarministerin Ilse Aigner und ihre G20-Kollegen wollen lediglich die Auswüchse an Spekulationsgeschäften mit Lebensmitteln und weitere Mangelfaktoren eindämmen, aber weder den Finanzmechanismus der Spekulation noch den Mangel an sich aus der Welt schaffen. [1]

Es geht um die Bezahlbarkeit von Nahrung, nicht um das Aufheben ihrer Knappheit. Das läuft keineswegs aufs gleiche hinaus. Menschen, die kein Geld zur Verfügung haben, konnten bereits in der Vergangenheit keine Nahrung bezahlen. Hunderte Millionen Menschen betreiben allenfalls Subsistenzwirtschaft, nehmen faktisch nicht am ökonomischen Leben teil und werden von Ökonomen auch gar nicht erst als relevanter Nachfragefaktor gerechnet.

Die Gruppe der 20 führenden Wirtschaftsnationen gewinnt weltpolitisch zunehmend an Bedeutung. Agenda und Zielsetzung des jüngsten Treffens zeigen, daß die Schwellenländer wie die Industriestaaten Produktionsverhältnisse herstellen und weiterentwickeln, die fundamental auf Ausbeutung und Akkumulation des Raubes orientiert sind [2]. Deshalb bieten die Schwellenländer den abgehängten Armutsländern keine wirtschaftliche oder politische Alternative, mit der das Joch des verbreiteten Nahrungsmangels abgestreift werden könnte.

Wenn Grundnahrungsmittel bezahlbar bleiben sollen, kann das zwar dazu führen, daß der Hunger in der Welt nicht noch weiter zunimmt. Aber unter gar keinen Umständen soll er gänzlich abgeschafft werden, bildet doch Mangel die entscheidende Voraussetzung für die Entstehung und Aufrechterhaltung der Gesellschaft. Die Menschen, die existentielle Not leiden und an Nahrungsmangel sterben, stellen ein ewiges, laufend erneuertes Mahnmal für alle übrigen dar, denen es im Vergleich etwas weniger schlecht geht, so daß sie sich bereitwillig den vorherrschenden Kräften unterwerfen und alles tun, um nicht ebenfalls in solch eine mißliche Lage zu geraten. Die gleiche gesellschaftliche Funktion erfüllt das Heer an Arbeitslosen gegenüber Lohnarbeitern.

So geschieht es, daß Menschen, die sich wesentlich außerhalb der ökonomischen Sphäre aufhalten, eben diese unterstützen und ihren Zusammenhalt sicherstellen. Die dieses Verhältnis gewährleistende Ordnung wollen die Agrarminister der G20-Staaten stärken, indem sie immer mehr Faktoren, die Unsicherheit verbreiten und das Verhältnis stören könnten, ausschließen. Das sind dann beispielsweise die "Auswüchse" an Spekulationen mit Nahrung, nicht jedoch prinzipiell die profitorientierten Spekulationsgeschäfte mit den Überlebensvoraussetzungen von Menschen. Die Unruhen in den Jahren 2007, 2008, die als Folge der gestiegenen Lebensmittelpreise in mehreren Dutzend Ländern ausbrachen, haben die Herrschenden aufgerührt, weil sie ihre Vorteilslage in Gefahr sahen. Daraufhin beschlossen sie, Mechanismen zu entwickeln und zu etablieren, die eine Umkehr der Verhältnisse verhindern sollen. Alle noch vorhandenen Brücken zwischen den privilegierten Nutzungsregionen der Erde und den reinen Produktionsräumen sollen abgebrochen werden - nicht, um die Trennung aufzuheben, sondern um sie unumkehrbar zu befestigen.

Fußnoten:

[1] http://www.stern.de/wirtschaft/news/aigner-spekulation-mit-nahrungsmitteln-eindaemmen-1698494.html

[2] http://www.bmelv.de/SharedDocs/Pressemitteilungen/2011/082-AI-Transparenz-auf-den-Agrarmaerkten.html

23. Juni 2011