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RAUB/1012: Vattenfall legt CCS-Pläne auf Eis - aber keine Grundsatzabsage an Green New Deal (SB)



Der Energiekonzern Vattenfall hat seine Pläne, im brandenburgischen Jänschwalde eine CCS-Demonstrationsanlage zu bauen, auf Eis gelegt. Begründet wird die Entscheidung mit der "fortwährenden Hängepartie um das deutsche CCS-Gesetz". [1]

Laut EU-Richtlinie 2009/31 muß die Bundesregierung ein Gesetz vorlegen, wie sie es mit der CCS-Technologie, bei der die klimaschädlichen Abgase beispielsweise von Kohlekraftwerken abgefangen, verflüssigt und gelagert werden sollen, hält. Derzeit wird im Vermittlungsausschuß von Bundesrat und Bundestag recht zäh über einen Kompromiß zu dieser äußerst umstrittenen Technologie verhandelt, mit ungewissem Ausgang.

Als Betreiber einer Reihe von Kohlekraftwerken ist Vattenfall sehr an der CCS-Technologie interessiert. Denn erstens muß das Unternehmen in den nächsten Jahren im Rahmen des europäischen Emissionshandels voraussichtlich hohe Summen für CO2-Zertifikate entrichten und könnte sie durch die CCS-Technologie ausgleichen - auf der UN-Klimakonferenz wird voraussichtlich beschlossen, die Technologie als CO2-Minderungsmaßnahme anzuerkennen. Zweitens wird für die Abscheidung und Verflüssigung von CO2 viel Energie benötigt, die Vattenfall selber produziert, wodurch sein Umsatz gesteigert wird. Darüber hinaus werden an einen Probebetrieb der CCS-Technologie hohe Exporterwartungen geknüpft, weil die Kohlenstoffspeicherung zu einer der tragenden Säulen der zukünftigen internationalen Klimaschutzpolitik aufgebaut wird. Vattenfall will sich auch weiterhin an europäischen CCS-Projekten beteiligen.

Bürgerinnen und Bürger, die in Schleswig-Holstein und anderen Bundesländern erfolgreich gegen die Einführung der mit unkalkulierbaren Risiken für Mensch und Umwelt verbundenen CCS-Technologie gekämpft haben, könnten in der Freude über die frohe Botschaft aus der Vattenfall-Chefetage versucht sein, den Rückzieher als Erfolg ihrer Bemühungen anzusehen. Der Jubel käme zu früh. Ungeachtet der gravierenden Einwände gegen CCS dürfte dieser Technologie eine goldene bzw. grüne Zukunft beschert sein. Das weiß auch Vattenfall und bleibt selbst in "Hängepartie"-Deutschland am Ball: Die CCS-Pilotanlage am Standort Schwarze Pumpe in Brandenburg wird weiterbetrieben. Außerdem will das Unternehmen laut Vattenfall-Deutschland-Chef Tuomo Hatakka im kommenden Jahrzehnt ein neues CCS-Kraftwerk in Jänschwalde bauen, um "damit den Energiestandort langfristig zu sichern".

Letzteres ist insbesondere für die Bewohner der Lausitz bitter. Ganze Dörfer oder Ortsteile werden aufgrund eines dem Eigentumsrecht übergeordneten Interesses der Landesregierung an der Verwertung der Braunkohle dem Energiekonzern, der nicht einen Cent für das Abbaurecht bezahlen muß, in den Rachen geworfen. Der Braunkohlentagebau hinterläßt verwüstete Landschaften - ohne jeden Zweifel handelt es sich um die umfassendste Form des Land-Grabbings.

Rein rechtlich gesehen haben die von der Devastierung (Vertreibung) bedrohten Menschen, die ihre Heimat nicht aufgeben wollen oder aus anderen Gründen gegen die Pläne von Landesregierung und Energiekonzern angehen [2], schlechte Karten. Wohingegen für sie ein allgemeiner Stimmungsumschwung in der Bevölkerung gegen Kohlekraftwerke und CCS-Technologie spricht, dem sich die stets auf die Wählergunst achtenden Landespolitiker womöglich anschließen.

Allerdings geben in der Bundesrepublik Deutschland Profitinteressen den Ton an. Der Green New Deal, mit dem der auf Wachstum und Profitstreben gegründete und sie begründende Kapitalismus, grün ummäntelt, die Verwertungsordnung des 21. Jahrhunderts bestimmen soll, hat sein ganzes Destruktionspotential noch längst nicht gezeigt. Würde die Apologeten des Green New Deal soziale Fragen wie beispielsweise die der Vertreibung voranstellen und nicht als Beiwerk behandeln, könnte es kein Deal sein. Wer behauptet, mit den Kapitalinteressen handeln zu können, ohne sich ihren Regeln unterwerfen zu müssen, versucht sich und anderen etwas vorzumachen.



Anmerkungen:

[1] http://www.vattenfall.de/de/pressemitteilungen-detailseite.htm?newsid=E3B4752A90F9447FA1B1D95CA6860B77

[2] http://schattenblick.com/infopool/umwelt/report/umrb0012.html
http://schattenblick.com/infopool/umwelt/report/umri0009.html
http://schattenblick.com/infopool/umwelt/report/umri0010.html

6. Dezember 2011