Schattenblick →INFOPOOL →POLITIK → KOMMENTAR

RAUB/1071: Bei der Autoindustrie steht mehr auf dem Spiel als politische Käuflichkeit (SB)




Niemand will durch eine unbedachte Äußerung eine Verleumdungsklage auf sich ziehen. Allenthalben heißt es, eine mögliche Einflußnahme von Großspendern auf politische Parteien könne nicht bewiesen werden. Wenn drei Großaktionäre eines Autokonzerns der CDU mehr als 600.000 Euro spenden und wenige Tage später die EU-Umweltminister einen bereits ausgehandelten Kompromiß zu Grenzwerten für die CO2-Emission von Neuwagen auf Betreiben der Bundesregierung doch noch kippen, dann soll das eine nichts mit dem anderen zu tun haben. Ein Schuft, der Schlimmes dabei denkt, meint auch der Mannheimer Morgen, dessen Kommentator heute [1] diesen Verdacht entrüstet von sich weist: "Weder in Brüssel noch in Berlin lassen sich Entscheidungen mit Geld erkaufen, bis auf wenige unrühmliche Ausnahmen dienen sie auch nicht nur Interessen einiger Reicher." Das mußte einem allerdings erst gesagt werden. Selbst wenn die "Autoindustrie zu den Motoren der Volkswirtschaft" [1] zählt, muß das nicht heißen, daß alle Menschen gleichermaßen davon profitieren.

Wer sein Erwerbsleben am Fließband fristet, um im Akkord Blechkarossen zu fertigen, die auf Straßen fahren, für die die Landschaft einbetoniert wurde, durch die sie rasen, als befänden sie sich auf der Flucht vor der Erkenntnis, daß der immer heißer lodernde Brand nur immer mehr Asche erzeugt, ist für diesen Job nur aus einem Grund, dem Mangel an weniger verzehrenden Formen der Lebenssicherung, dankbar. Zukunftssicherung durch die automobile Produktionsweise zu betreiben, heißt, der Zukunft der natürlichen Lebenswelt einen weit geringeren Stellenwert als dem Erhalt von Arbeitsplätzen, die das Wohl nämlicher Großspender mehren, zuzubilligen. Auch bei der Rhein-Neckar-Zeitung hat man ein Herz für die Autoindustrie und fordert die "Empörungskarawane" [1] dazu auf, "nicht jede industriefreundliche Handlung als Teufelswerk" zu betrachten. "Wer in letzter Konsequenz nur Hybridautos sowie Spritsparer fördern will", der überlasse der globalen Konkurrenz insbesondere in Asien "jede Menge Marktvorteile". Einmal mehr wird Angst vor dem Wachstum der chinesischen Wirtschaft geschürt, von der man am besten nur zu den eigenen Bedingungen profitieren will. Auch wenn die Menschen dort allmählich in den eigenen Abgasen ersticken, soll das Geschäft der Hersteller sogenannter Premium-Marken, die längst pleite wären, wenn sie nicht in der Volksrepublik produzieren und verkaufen könnten, unantastbar sein.

Wer also behauptet, Parteispenden aus den Händen von Menschen, die ihr Geld als Aktionäre arbeitsfrei verdienen, hätten etwas mit deren Interesse zu tun, auch in Zukunft Millionen zu scheffeln, handelt unpatriotisch und vergreift sich an den Lebensinteressen von Lohnabhängigen. Diese sollen gefälligst froh und dankbar sein, wenn sie die Einkommen der Eigentümer ihrer Fabriken in die Höhe treiben und so mittelbar den politischen Funktionseliten dienen können. Warum also an der fossil befeuerten Produktivität einer Industrie herummäkeln, die im modernen Feudalkapitalismus unüberwindliche Grenzen privilegierter Beweglichkeit und Verkehrssicherheit einzieht? Warum sich darüber ärgern, wenn ein Großteil der unbebauten Flächen in den Städten von schnell fahrenden Automobilen kolonisiert wird, während sich Fußgänger und Radfahrer auf einem schmalen Streifen am Rand der Asphaltbänder drängeln müssen? Warum einen Gedanken an die Menschen im globalen Süden verschwenden, die schon jetzt unter Wetterkatastrophen leiden und zudem mit einem Straßenverkehr leben müssen, der jedes Jahr Hunderttausende von Leben fordert?

Wenn Politiker wie der Unions-Fraktionsvize Michael Fuchs im Brustton der Überzeugung ausschließen[2], daß die Kanzlerin in ihrer Entscheidungsfindung mit pekuniären Argumenten zu beeinflußen sei, dann könnte die Erklärung, besagte Großspender seien der CDU schon seit langem eng verbunden und täten dies auch immer wieder auf besagte Weise kund, auch auf gegenteilige Weise verstanden werden. Der Verweis darauf, daß die SPD ebenfalls zu den von dieser Geldquelle Begünstigten gehört, kann den virulenten Verdacht der Käuflichkeit ebensowenig widerlegen wie die Behauptung, die mit staatlichen Mitteln und Mitgliedsbeiträgen alimentierten Parteien könnten ansonsten ihre Arbeit nicht verrichten. Auch haben nicht alle im Bundestag vertretenen Parteien in gleicher Weise von der Freigiebigkeit dieser Großaktionäre profitiert. Wenn Fuchs behauptet, "alle" hätten Spenden bekommen, dann fehlt in seiner Aufzählung jedenfalls die Partei Die Linke.

Dennoch wäre es zu kurz gegriffen, die politische Begünstigung der Automobilindustrie allein auf deren finanzielles Engagement nicht nur in der Politik, sondern auch in Sport, Kultur und Wissenschaft zurückzuführen. Vielmehr handelt es sich bei den um den motorisierten Individualverkehr und Gütertransport zentrierten Industrien um einen so elementaren Faktor des nationalen Gesamtprodukts, daß die Parteien eher ausführende Organe des dadurch artikulierten Wachstumsinteresses sind, als daß sie die Freiheit hätten, dieser in historischen Maßstäben noch jungen wie in ihren Kosten an Umweltschäden und Menschenleben immens zerstörerischen Technologie offen entgegenzutreten.

Die Überwindung der automobilen Produktionsweise und Mobilität zugunsten der Schaffung eines sozial gerechten Verkehrswesens, das unter Verzicht auf großmaßstäbliche Flächenversiegelung, auf eine auch mit verbesserten Katalysatoren immer noch große Luftverschmutzung, auf die Gefahren, in denen die Insassen mit erheblicher kinetischer Energie aufgeladener Fahrgastzellen wie andere davon betroffene Menschen schweben, auf die Kriege, die um fossile Energieträger geführt werden, etabliert werden könnte, ist von antikapitalistischer Politik nicht zu trennen. Es sollte daher nicht verwundern, wenn die gerade für die Automobilindustrie etwa am Beispiel VW exemplarische Verquickung von Staats- und Kapitalinteressen auch in Zukunft mit einer Vehemenz verteidigt wird, die nicht nur in ihren sozialen und ökologischen Folgen an kriegerische Konflikte denken läßt.


Fußnoten:

[1] http://www.dradio.de/presseschau/

[2] http://www.dradio.de/dlf/sendungen/interview_dlf/2287741/

16. Oktober 2013