Schattenblick → INFOPOOL → POLITIK → KOMMENTAR


RAUB/1177: Klimanotgewinne - Lastumkehr ... (SB)



Daß die CSU "Klimaschutz in Entwicklungsländern fördern" wolle, wie die Überschrift eines Beitrags des Deutschlandfunkes [1] zur Klausurtagung der Bundestagsabgeordneten der Partei im bayrischen Seeon glauben macht, ist bestenfalls die halbe Wahrheit. Aus dem genannten Strategiepapier der CSU-Landesgruppe geht vor allem hervor, daß die sozialökologischen Kosten des nationalen Wirtschaftswachstums nach Kräften in Länder verlagert werden sollen, denen aufgrund ihrer ökonomisch desolaten Lage kaum eine andere Wahl bleibt, denn als Ressourcenlieferanten und Treibhausgasdeponien der Industriezentren in Westeuropa, Nordamerika und Ostasien zu fungieren.

Lokaler "Klimaaktionismus", so der abwertend klingende und auch so gemeinte Oberbegriff für klimapolitische Maßnahmen in der Bundesrepublik, werde nicht ausreichen, daher müsse ein globaler Ansatz Bestandteil der nationalen Klimabilanz werden. Deutschland solle eine global ausgerichtete CO2-Vermeidungsstrategie entwickeln, die "insbesondere die enormen Potenziale in den Entwicklungs- und Schwellenländern" [2] berücksichtigt, heißt es in dem Strategiepapier ganz unverblümt, als seien diese Staaten ein brachliegendes Feld, das nur darauf wartet, von den Industriestaaten beackert zu werden. Als sei nicht seit jeher klar, daß die Beschränkung des Klimawandels eine globale Aufgabe ist, weil alle Menschen die gleiche Luft atmen und in einer planetaren Gashülle leben, durch die alle menschengemachten Einflüsse auf das Klima auf das Gesamtsystem übersetzt werden, wird suggeriert, daß alle Staaten Naturzerstörung und Treibhausgasemissionen im Prinzip vom gleichen Ausgangspunkt her bekämpfen.

So wird die nationale Klimabilanz in dem Strategiepapier in einen Aktivposten umdefiniert, der Gewinne abwerfen solle, anstatt erst einmal einzugestehen, daß die Bundesrepublik im pro-Kopf-Vergleich zu den größten CO2-Emittenten des Planeten gehört und daher eine Bringschuld hat: "Die Erfolge unseres Engagements müssen Bestandteil werden unserer nationalen Klimabilanz - denn CO2-Vermeidung wiegt nicht mehr oder weniger, ob sie innerhalb oder außerhalb unserer Grenzen erreicht wurde." [2] Selbst wenn die politischen Bemühungen um Klimaschutz überhaupt als Erfolg auszuweisen wären, was sie in Anbetracht nach wie vor wachsender CO2-Emissionen nicht sind, ist es nur als infam zu bezeichnen, alle Staaten der Welt auf eine Vergleichsebene zu heben, als sei der Wohlstand der Industriestaaten nicht der anteilig weit überproportionalen Nutzung fossiler Energie seit Beginn der Industrialisierung geschuldet.

Bei der Aushandlung divergenter Interessen ein "level playing field", so eine zentrale Argumentationsfigur neoliberaler Ideologie, zu unterstellen, um alle Unterschiede gesellschaftlicher und wirtschaftlicher Art zu negieren, ist eine so bewährte wie durchsichtige Methode systematischer Irreführung. Die verklausulierte Sprache, derer man sich auf der CSU-Klausurtagung bedient, suggeriert gute Absichten und praktiziert die Etablierung von Ausgangs- und Rahmenbedingungen, die in eine Art grünen Kolonialismus münden.

Dessen Praktiken sind gut bekannt - die Nutzung von Verschmutzungsrechten, die in anderen Ländern generiert werden, um hierzulande über das erlaubte Maß Treibhausgase freisetzen zu können, die Auslagerung ökologisch teurer Produktionsstufen im Rahmen des deutschen Kapitalexportes in Länder mit niedrigen Arbeitskosten und einer CO2-Bilanz, in der mehr Emissionspotentiale als hierzulande zur Verfügung stehen, die industriepolitisch auf das Exportmodell Deutschland setzende Bewirtschaftung des Klimawandels durch als Entwicklungshilfe getarnten Technologieexport, um nur die wichtigsten Beispiele zu nennen. Wie die Klimaschutzziele der Bundesrepublik überhaupt erreicht werden sollen, bleibt hinter dem Anspruch der CSU-Landesgruppe, die Klimapolitik zu einem aktiven Element neokolonialistischer Hegemonialpolitik zu machen, aus.

Auch sonst bleibt die Partei der JägerInnen ihrer Klientel treu. So soll die "Entnahme" von Wölfen erleichtert werden, um sogenannte Nutztiere und auch den Menschen zu schützen. Die CSU stellt sich bei diesem Reizthema klar auf die Seite derjenigen, die meinen, die Bundesrepublik sei kein Habitat mehr für Wildtiere, die von größeren Tieren leben, denn das auf den Weiden stehende Vieh, das den Wölfen nicht ausweichen kann und daher immer wieder in übergroßer Zahl gerissen wird, solle ganz dem eigenen Verzehr zugedacht sein. Damit befindet sich die CSU in Übereinstimmung mit Landwirtschaftsministerin Julia Klöckner, die den geschätzten Bestand von 600 in 73 Rudeln frei in der Bundesrepublik lebenden Wölfen aufgrund ihrer Vermehrungsrate für zu groß hält [4]. Tatsächlich sterben Wölfe in nicht geringer Zahl. So kamen seit 2000, als sich das erste Wolfsrudel in Deutschland wieder ansiedelte, rund 280 Tiere meist bei Kollisionen mit Autos ums Leben. 35 davon wurden illegal getötet, und das zum Teil absichtsvoll unter grausamen Bedingungen, wie einem aktuellen Bericht [5] der Zeit zu entnehmen ist. Der Wolf im Schafspelz bleibt auch in Zukunft eine sinnige Metapher für PolitikerInnen, die es verstehen, die eigenen Vorteile als uneigennützige Weltbeglückung zu verkaufen.


Fußnoten:

[1] https://www.deutschlandfunk.de/klausur-in-seeon-csu-will-klimaschutz-in.2932.de.html?drn:news_id=962337

[2] http://www.spiegel.de/wissenschaft/natur/csu-lokaler-klimaaktionismus-wird-nicht-ausreichen-a-1246214.html

[3] a.a.O.

[4] https://www.waz.de/politik/woelfe-in-deutschland-kloeckner-will-abschuss-erleichtern-id216103057.html

[5] https://www.zeit.de/2019/01/woelfe-deutschland-illegale-toetung-jagd-artenschutz

5. Dezember 2018


Zur Tagesausgabe / Zum Seitenanfang