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RAUB/1234: Zootiere - Schwierigkeiten auf die Schlachtbank ... (SB)



Kommodifizierte Tiere sind immer dem Risiko ausgesetzt, den Erwartungen nicht gerecht zu werden, die im Sinne ökonomischen und auch sich verändernden Wertes in sie gesetzt werden. Wenn jedoch das System des Tauschwertes insgesamt erschüttert wird, sind sie schlicht deshalb mit der Möglichkeit ihrer massenhaften Vernichtung konfrontiert, weil die von ihnen geleisteten Dienste keine Priorität mehr haben. Selbst wenn die dafür zuständigen Aufsichtsbehörden, (so fern es sie gibt), eine "tiergerechte" Tötung empfehlen mögen, erlaubt der Eigentumsstatus dieser Tiere ihren legalen "BesitzerInnen", sie auf jede Weise zu töten, die sie möchten, so lange sie beweisen können, daß sie dabei nicht "gelitten" haben.
Paula Arcari - COVID-19 shows why we need to 'cease and desist' from commodifying animals [1]

Was wird in Zoos, die gerne als Bildungsstätten für Heranwachsende angepriesen werden, garantiert nicht gelernt? Den Subjektstatus der dort gefangengehaltenen Tiere zu respektieren! Die ehemaligen oder bereits im Zoo geborenen Wildtiere werden zwar in ihrer physischen Erscheinungsform vorgeführt, erweisen sich bei genauerer Betrachtung, ihres natürlichen Habitats beraubt und von ihrer ursprünglichen Lebenswirklichkeit abgetrennt, jedoch als geldwerte Schaustücke, denen die warenförmige Entfremdung in den Blick trauriger Augen eingeschrieben ist.

Zoos und Tierparks sind auch als öffentliche Einrichtungen kommerzielle Unternehmen, die auf einen regelmäßigen Zustrom an Publikum angewiesen sind, um ihre Kosten zu decken und womöglich Gewinn abzuwerfen. Wenn nun die Leitung des Zoos in Neumünster öffentlich darüber nachdenkt, möglicherweise einige Tiere schlachten zu müssen, um den Ausfall an Einnahmen durch das wegbleibende Publikum zu kompensieren [2], oder britische Zoos ankündigen, ihre ohne BesucherInnen ins Minus umschlagenden Attraktionen per Euthanasie loszuwerden [3], dann tritt das instrumentelle Verhältnis zutage, das diese Einrichtungen zu ihren Insassen unterhalten. Auch weil zumindest einige der dort gehaltenen Wildtiere Karnivoren sind, also das Töten und Verspeisen anderer Tiere zum alltäglichen Betrieb gehört, liegt das betriebswirtschaftliche Kalkül, ihre kostenträchtiges Leben zu beenden und ihren Gegenwert in Form von Fleisch zu realisieren, das als Tierfutter verwertet wird, weil es kaum die veterinärmedizinischen Standards für auf exotische Tiere spezialisierte Schlachtereien und Restaurants erfüllen dürfte, auf der Hand.

Dabei sind die Objekte der Zurschaustellung nicht mehr oder weniger zu bedauern als die ihnen zur Ernährung dienenden Tiere. Es ist nicht Sache der Menschen, über Praktiken anderer Lebewesen zu urteilen, die sie in ihrer zivilisatorischen Entwicklung angeblich weit hinter sich zurückgelassen haben, zu denen sie aber zugleich in einem einseitigen Ausbeutungsverhältnis stehen. Tierliche Lebewesen zu versklaven und einzusperren, zu töten und zu verspeisen zum Merkmal dieses vermeintlichen Fortschrittes zu erklären bleibt in sich widersprüchlich, zumindest wenn diese Form von Ausbeutung nicht alternativlos ist. Den Objektcharakter nichtmenschlicher Tiere zu zementieren, indem Säugetiere und Vögel aller Art hinter Gittern und Gräben in Käfigen und Gehegen gehalten werden, die nur einen Bruchteil ihres natürlichen Lebensraumes umfassen, während zugleich behauptet wird, dies diene dem Erhalt ihrer Art, sagt denn auch einiges über die Gebrochenheit zivilisatorischer Denkvoraussetzungen aus.

So können Zoos als Lernorte keinen Respekt gegenüber ihren Insassen vermitteln, sondern lediglich die Aberkennung ihrer Autonomie und die Reduzierung eigenständiger Lebewesen auf fremdverfügte Sachwerte demonstrieren. Die mögliche Tötung oder Schlachtung von Zootieren aus Geldgründen belegt dies ebensosehr wie die Abschottung des brennenden Affenhauses im Krefelder Zoo durch Polizeibeamte, die eine Flucht der Primaten mit Schußwaffeneinsatz verhindern sollten [4], was allerdings erst Tage später bekannt wurde. In der Coronakrise bricht auch die Nachfrage nach Tieren zusammen, die auf die Verwertbarkeit ihrer Physis reduziert werden, indem sie als "Tiermodell" WissenschaftlerInnen zweifelhafte Erkenntnisse über die physiologischen Reaktionen von Menschen auf bestimmte Substanzen und Praktiken liefern sollen, die für Sportunterhaltung oder Tierschauen gezüchtet werden und als Haus- oder Arbeitstier zum Verkauf stehen. Auch das hat häufig Unterversorgung oder Tod zur Folge, wenn den NutzerInnen das Geld für Futter und Tierarzt ausgeht [5].


Vom Zoo aufs Feld - Einöden agrarindustrieller Produktion als Lernorte

Was den gerne zur Legitimation der Einkerkerung von Wildtieren herangezogenen Artenschutz betrifft, so stehen die meisten in deutschen Zoos gehaltenen Tiere nicht auf der Liste aussterbender Arten und können, wenn sie in Gefangenschaft aufgewachsen sind, auch nicht mehr ausgewildert werden. Wenn Mittel zum Zweck des Arterhaltes freigesetzt werden, dann wäre der Schutz verbliebener Naturräume die angemessene Adresse zu ihrer Verwendung. Auch die in Zoos angeblich stattfindende Bildungsarbeit verdient die öffentliche Bemittelung nicht, wird dabei doch vor allem der Objektstatus der gezeigten Tiere und die angebliche Sonderstellung des Menschen gegenüber anderen Lebewesen vertieft. Dazu bereitgestellte Steuermittel wären mithin weit produktiver verwendet, wenn Kinder und Jugendliche über die schwerwiegenden Konsequenzen des anthropozentrischen Charakters menschlicher Selbstverortung aufgeklärt würden.

Allein zu wissen, daß die Säugetiere der Erde sich in 60 Prozent sogenanntes Nutzvieh, 36 Prozent Menschen und nur 4 Prozent Wildtierpopulationen aufteilen, könnte das Interesse an den Problemen wecken, die aus der fortschreitenden Umwandlung unberührter Naturgebiete in Weide- und Ackerflächen resultieren. Mit Vögeln verhält es sich kaum anders - 70 Prozent werden als sogenanntes Geflügel zum menschlichen Verbrauch gehalten und zeitigen durch den Futtermittelbedarf und ihre Exkremente drastische ökologische Probleme, nur 30 Prozent sind noch nicht domestiziert. Obwohl der Mensch mit 0,01 Prozent der gesamten Biomasse aller Natursysteme auf dem Planeten materiell eine vernachlässigbare Größe darstellt, ist er für das Aussterben des größeren Teils der bekannten Wildtiere und der Hälfte aller bekannten Pflanzen verantwortlich [6].

So wird die Klimakrise maßgeblich durch die agrarindustrielle Produktionsweise befeuert. Mit der Rodung verbliebener Wälder für neue Weide- und Ackerflächen werden wertvolle CO2-Senken vernichtet, die Verödung fruchtbarer Böden durch Überdüngung, Pestizideinsatz und Cash Crops zerstört deren Aufnahmepotential für CO2 und gefährdet die Verfügbarkeit trinkbaren Wassers. Dafür ist neben dem Anzapfen der Äcker für den motorisierten Treibstoffverbrauch durch den Anbau sogenannter Bioenergiepflanzen zu einem Gutteil die höchst verschwenderische Erzeugung von Tierprotein durch primär für die menschliche Ernährung tauglicher Getreide und Leguminosen verantwortlich. Wenn allein die Biomasse der rund 1,5 Milliarden Rinder auf der Erde 60 Prozent größer ist als die aller Menschen, dann ist leicht auszurechnen, was dieses Verhältnis für die Nutzung von Land und Wasser für die Tierproduktion bedeutet. Wildlebende Tiere tauchen in dieser Rechnung kaum noch auf. So beträgt die Biomasse der rund 350.000 afrikanischen Elefanten weniger als 0,2 Prozent der Biomasse aller Rinder [7].

Daher wäre ein Ausflug in die Wirklichkeit moderner Landwirtschaft und Ernährungsindustrie für Kinder und Jugendliche weit instruktiver als der Besuch von Zoos, in denen Natur idealisiert und auf ein leicht konsumierbares Format reduziert wird. Wer in der Stadt aufgewachsen ist, dem dürfte der Blick auf die Lebensfeindlichkeit monokulturell bewirtschafteter Felder, der Geruch mit Feinstäuben und möglicherweise gefährlichen Erregern befrachteter Gülle und das Fehlen die Landschaften traditionell bewohnender Wildtiere jede in der Nahrungsmittelwerbung immer noch vermittelte Bauernhofromantik austreiben. Ein solcher Realitätsschock kann sehr viel erkenntnisträchtiger sein als das Betrachten süßer Tierbabies, die alles vergessen machen sollen, was den von Gewalt und Zwang erfüllten Charakter des Mensch-Tier-Verhältnisses ausmacht. Die Inwertsetzung noch unberührter Ökosysteme zu studieren kann auch angesichts des Zusammenhangs von pandemischer Infektionsgefahr, intensiver Tierhaltung und der Zerstörung letzter Wildtierreservate heilsam sein.

Für das vom Verband der Zoologischen Gärten verlangte Soforthilfeprogramm in Höhe von 100 Millionen Euro gäbe es mithin weit wertvollere Verwendungszwecke als den Erhalt von Tiergefängnissen, die Natur als bloßes Lehen menschlicher Verfügungsgewalt abbilden. Heute bedarf niemand mehr des Vorführens lebender Tiere, wenn audiovisuelle Produktionen mit atemberaubenden Bildern natürlicher Lebenswelten und aller nur erdenklichen Wildtiere aufwarten.

Die mit konsumistischem Richtmaß auf Publikumsverkehr getrimmte Welt der Tierparks mit ihren verlogenen Angeboten einer rührseligen Vermenschlichung gefangengehaltener Tiere hinter sich zu lassen und sich den wichtigen Fragen im Umgang mit gesellschaftlichen Naturverhältnissen zu widmen könnte gerade jetzt, wo die Krone der Schöpfung so ramponiert ist, daß kaum jemand sie noch aufsetzen mag, von folgenreicher Wirkung sein. Die Verkennung der vermeintlichen Unangreifbarkeit menschlicher Existenz ist dem Glauben an eine angebliche Sonderstellung geschuldet, für die es in der Geschichte organischen Lebens keinen Beleg gibt außer der anwachsenden Zerstörungskraft, mit der Menschen sich selbst überflüssig machen.


Fußnoten:

[1] https://medium.com/age-of-awareness/covid-19-shows-why-we-need-to-cease-and-desist-from-commodifying-animals-c042e6eb5be5

[2] https://www.focus.de/finanzen/news/unternehmen/kein-geld-fuer-futter-zoos-in-der-coronakrise-haben-liste-welche-tiere-wir-als-erstes-schlachten-muessen_id_11877175.html?fbclid=IwAR0W4cqDiBQ0FjR86kTOk78PDdFTFxIym-LyfxVbmK6LmPYID_rv_rHoD8Y

[3] https://www.bbc.com/news/uk-england-somerset-51972533

[4] http://www.schattenblick.de/infopool/politik/kommen/raub1218.html

[5] https://medium.com/age-of-awareness/covid-19-shows-why-we-need-to-cease-and-desist-from-commodifying-animals-c042e6eb5be5

[6] https://www.theguardian.com/environment/2018/may/21/human-race-just-001-of-all-life-but-has-destroyed-over-80-of-wild-mammals-study

[7] https://spectrum.ieee.org/energy/environment/planet-of-the-cows

15. April 2020


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