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REPRESSION/1299: Rechtsstaatlichkeit im Irak bleibt Besatzerjustiz (SB)



Drei Jahre Haft muß der irakische Journalist Muntadar al Zaidi absitzen, weil er den früheren US-Präsidenten George W. Bush mit den Grausamkeiten konfrontierte, die die irakische Bevölkerung aufgrund der von seiner Regierung betriebenen Kriegführung zu erleiden hatte. Er tat dies, indem er einen Schuh nach ihm warf und dazu rief: "Dies ist dein Abschiedskuß, du Hund!" Zu den Worten "Und dies ist für die Witwen und Waisen und alle Leute, die im Irak getötet wurden!" folgte der zweite Schuh, ohne daß Bush getroffen wurde. Während sich der US-Präsident nicht nur geschickt wegduckte, sondern sich auch sportlich gab, indem er Zaidis Attacke als Errungenschaft der sogenannten Befreiung des Iraks darstellte, vollzog das mit dem Fall betraute, für Terroristen zuständige Gericht an Zaidi die Staatsräson der den Besatzern hörigen Administration.

Der beherzte Journalist wurde wegen eines "Angriff auf einen ausländischen Staatsführer" zwar nicht mit der dafür möglichen Höchststrafe von 15 Jahren belegt, aber doch auf eine Weise bestraft, mit der deutlich gemacht wird, daß die Bagdader Justiz ganz auf der Seite der Besatzer und der von diesen protegierten Oligarchie steht. Da Zaidi sich darauf berief, er habe sich beim Anblick des Mannes, der für die Leiden der Iraker verantwortlich ist, nicht beherrschen können, da seine Verteidigung geltend machte, daß es sich bei der unangekündigten Visite um keinen offiziellen Staatsbesuch handelte und Zaidi dem US-Präsidenten keineswegs körperlichen Schaden zufügen wollte, da Bush zudem selbst erklärte, sich nicht bedroht gefühlt zu haben, hätte das Gericht allemal die Möglichkeit gehabt, den 30jährigen Reporter freizusprechen.

Indem dies nicht erfolgte und Zaidi zusätzlich dazu, daß er kurz nach seiner Verhaftung bereits geschlagen und mit Stromschlägen gefoltert wurde, nun noch drei Jahre Gefängnis bevorstehen, strafte das Gericht auch Millionen Iraker und Menschen in der arabischen Welt ab, die Zaidi für einen mutigen Mann halten, der auf beherzte Weise das Erforderliche tat. Während die Berufskollegen, die ihm unprofessionelles Verhalten vorwarfen, ihrem Berufsstand ein Armutszeugnis ausstellten, indem sie sich als bloße Handlanger der großen Informationsmaschine darstellten, die keinesfalls eine eigene Meinung haben oder gar politisch aktiv werden sollten, wissen Zaidis Unterstützer den Mut des Mannes zu schätzen, der in ihren Augen auf symbolische Weise die Ehre der geschundenen irakischen Bevölkerung wiederhergestellt hat.

So bleibt Muntadar al Zaidi dabei, seine Tat als "natürliche Reaktion auf die Besatzung" zu bezeichnen. Er habe einfach nicht anders gekonnt, als er den "Präsidenten der Besatzer" sah. Er hätte das Gefühl gehabt, "das Blut unschuldiger Menschen tropft auf mein Gesicht, als der lächelte und sich vom Irak mit einem Dinner verabschiedete", so al Zaidi vor Gericht. Schon damit Ministerpräsident Nuri al Maliki, der während Zaidis Schuhwurf direkt neben Bush stand, nicht sein Gesicht verliert, hat das Gericht ein Exempel an dem Journalisten statuiert. Es hat nicht die Freiheit, in seinem Fall anders zu entscheiden, vollstreckt es doch die Interessen derjenigen, die sich mit den Besatzern auf vorteilhafte Weise arrangiert haben. Eine Justiz, die den Widerstand gegen eine völkerrechtswidrige Besatzung als Terrorismus aburteilt, muß auch dessen gewaltfreies Äquivalent als Verbrechen bewerten.

Die irakische Bevölkerung läßt sich zusehends auf die Bedingungen ein, nach denen der neue Irak beherrscht werden soll, was ihr nach Jahrzehnten großer Not nicht zu verdenken ist. Daß die damit gefestigte Herrschaft für sie viel erträglicher wäre als die Saddam Husseins, ist schon deshalb unwahrscheinlich, weil es sich bei der Oligarchie, die damals wie heute fest im Sattel sitzt, zum großen Teil um die gleichen Personen und Interessen handelt. Auch deshalb darf ein Held der Zivilcourage wie Zaidi nicht ungestraft davonkommen.

15. März 2009