Schattenblick →INFOPOOL →POLITIK → KOMMENTAR

REPRESSION/1333: Wasserfolter und Krokodilstränen bei Scotland Yard (SB)



Wenn George W. Bush das Waterboarding als sogenannte harte Verhörmethode legitimiert und die Regierung Obama dies wieder rückgängig macht, doch den ausführenden Schergen und um so mehr ihren Auftraggebern in höchsten Staatsämtern Straffreiheit zusichert, gleicht dies gewaltigen Hammerschlägen gegen den bröckelnden Schutzwall des Folterverbots. Wie jedem Schlag ein Ausholen vorausgeht und ein weiteres folgt, darf man die gegenwärtige Phase der präsidialen Oszillation nicht mit einer Wende zum Besseren verwechseln, da es nach wie vor darum geht, die Legalisierung der Tortur immer tiefer ins Denken und Handeln der Menschen treiben.

Die besondere Aufmerksamkeit, die man dem Waterboarding schenkt, verdankt sich nicht zuletzt seiner Funktion als Speerspitze einer Ausweitung systematischer und legalisierter Foltermethoden, in deren Verlauf die Grenze der für rechtmäßig erklärten Drangsalierung zugunsten unumschränkter Zugriffsgewalt verschoben wird. Sobald man das absolute Folterverbot preisgibt und Ausnahmen zuläßt, ist der Damm gebrochen und morgen schon Standard im Denken und Handeln, was heute als grausam und unmenschlich verworfen wird. Nicht von ungefähr schränkt man die im deutschen Grundgesetz formulierte Unantastbarkeit der Würde des Menschen längst dahingehend ein, daß man ihr Sicherheitserwägungen als gleichwertig zur Seite stellt und sie damit de facto aufhebt.

Beim Waterboarding wird das auf eine Trage gefesselte Opfer faktisch ertränkt und anschließend ins Leben zurückgeholt. Auf derart qualvolle Weise umgebracht zu werden, ohne der Tortur ein Ende setzen zu können, erfüllt zweifellos den Tatbestand der Folter, weshalb nicht nur die Behauptung des Gegenteils, sondern schon die wie auch immer geartete interpretative Abschwächung als Rechtfertigung von Folter zu bewerten ist. Mit verbalen Täuschungsmanövern wie "harte Verhörmethoden", aber auch der Behauptung, es handle sich um das bloße "Gefühl" zu ertrinken oder eine "Simulation" des Ertrinkens, reiht man sich unter die Protagonisten der Wasserfolter ein, die sich an der zynischen Debatte beteiligen, wieviel Qual unter welchen Umständen vertretbar sei.

Gefoltert wird auch bei der britischen Polizei, wie die jüngst publik gewordene Suspendierung von sechs Beamten des Scotland Yard belegt. Englischen Medienberichten zufolge wurden fünf mutmaßliche Drogenhändler, die im November letzten Jahres verhaftet worden waren, beim Verhör einer Wasserfolter unterzogen. Während die "Daily Mail" berichtete, die Polizeibeamten hätten die Köpfe der Verdächtigen in Wassereimer getaucht, meldete die "Times", die Polizisten hätten Wasser auf ein Stück Stoff gegossen und es den Verdächtigen über den Mund gelegt. Auch der Sender "Sky Television" wartete mit einem ähnlichen Bericht auf.

Wie üblich in solchen Fällen, die sich nicht mehr vollständig vertuschen lassen, bestätigte die britische Polizeiaufsichtsbehörde lediglich, daß die Umstände einer Drogenrazzia im Norden Londons vom vergangenen November überprüft würden. Es sei vorerst unklar, was genau geschehen sei, weshalb man eine interne Untersuchung eingeleitet habe. So hieß es denn auch, die sechs Beamten seien nicht wegen des Foltervorwurfs, sondern aufgrund anderer Anschuldigungen vom Dienst suspendiert worden.

Offenbar sind die Foltervorwürfe Teil einer größeren polizeiinternen Untersuchung, die sich auf Vorfälle im Londoner Norden konzentrieren. Wie der "Guardian" schrieb, lägen der Behörde für Beschwerden über die Polizei (IPCC) noch weitere Informationen vor. So sollen Beamte des Scotland Yard Beweise gefälscht und Eigentum von Verdächtigen gestohlen haben. Sogar ein Prozeß gegen Drogenhändler habe deswegen eingestellt werden müssen.

Londons Bürgermeister Boris Johnson sprach von schwerwiegenden Vorwürfen, und ein Sprecher von Scotland Yard stellte gegenüber dem "Guardian" eine rasche Aufklärung in Aussicht: "Wir akzeptieren kein Verhalten, das jene Standards unterschreitet, die sich die Öffentlichkeit und die vielen korrekten Polizeibeamten erwarten. Solche Vorwürfe werden von uns sehr ernst genommen, wie dieser Fall zeigt. Wenn sie sich als wahr herausstellen, werden wir vehement gegen die Täter vorgehen."

Was von solchen Krokodilstränen zu halten ist, illustrierte zuletzt das brutale Vorgehen der Polizei während des G-20-Weltfinanzgipfels in London, das Beschwerden zu Hunderten nach sich zog. Neben zahlreichen anderen gewalttätigen Übergriffen auf Demonstranten war ein unbeteiligter Passant an den Folgen des offensichtlich unmotivierten brutalen Vorgehens eines Beamten gestorben. Dies wurde solange abgestritten, bis Videoaufnahmen den Beweis erbrachten.

11. Juni 2009