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REPRESSION/1661: Combat 18 - Verbotsdoktrin und Geheimdienstnutzen ... (SB)



Mit seiner Strahlkraft hat der Verein unter Rechtsextremisten eine Vorbildfunktion inne und wird als Symbol des gewaltbereiten Rechtsextremismus verehrt
Aus der Verbotsverfügung gegen "Combat 18" in Deutschland [1]

Das Bundesinnenministerium hat "Combat 18 Deutschland", den militanten Arm des neofaschistischen Netzwerks "Blood and Honour", verboten. Wenngleich in linken Kreisen nicht selten der Ruf nach einem Verbot rechtsradikaler Gruppierungen laut wird, sollte aus zwei Gründen Vorsicht geboten sein. Zum einen adressiert diese Forderung eben jene Staatsgewalt, die in Ideologie und Praxis vorzugsweise gegen die staatskritische Linke vorgeht, eher selten jedoch gegen die Rechte, die ihrerseits einen starken Staat anstrebt, der allerdings noch repressiver als der bürgerliche zur Sache gehen soll. Letzterer rüstet indessen auf ganz legalem Weg mit den Polizeigesetzen und der Engführung von Geheimdiensten und polizeilichem Staatsschutz in einer Weise auf, von der die Rechte mangels Machtübernahme bislang nur träumen kann. Zum anderen haben Verbote rechter Organisationen oder deren Strafverfolgung noch immer zu Abtauchen, Umgruppierungen, Umbenennungen und Diversifizierungen geführt, also deren Potential zumindest in jüngerer Zeit eher gestärkt als geschwächt. Daraus folgt nicht zwangsläufig, daß solche Verbote irrelevant oder grundsätzlich abzulehnen seien, wohl aber eine Diskussion, die diesem Nebenschauplatz nicht auf den Leim geht, sondern tiefer greift.

Aus gegebenem Anlaß haben auch die bürgerlichen Medien "Combat 18" entdeckt und skandalisieren nun unisono, was man bei Wikipedia schon seit Jahren, natürlich ohne Gewähr, darüber nachlesen kann. Das Fazit fällt weithin übereinstimmend aus: Das Verbot sei voll und ganz gerechtfertigt, hätte aber sehr viel früher kommen müssen. Denn "Blood and Honour" wurde bereits im September 2000 in Deutschland verboten, worauf es nun fast 20 Jahre gedauert hat, bis auch der bewaffnete Arm dieses Netzwerks unter dasselbe Verdikt gefallen ist. Zur Begründung des bemerkenswerten Zögerns führt die Exekutive an, das Vorliegen der Voraussetzungen für ein Vereinsverbot bedürfe einer gründlichen Prüfung. Das Verbot spiegele die erhöhte Sensibilisierung der beteiligten geheimdienstlichen und polizeilichen Organe gegenüber dem Rechtsextremismus wider, wie sie im Zusammenhang mit den Erkenntnissen um die Aktivitäten des NSU, dem Mord an Dr. Walter Lübcke, den zahlreichen rechtsextremen Drohschreiben des Jahres 2019 mutmaßlich von "Combat 18", "Volksfront" oder "Blood and Honour" sowie dem Anschlag auf eine Synagoge in Halle entstanden sei. Generell wurde auch unterstrichen, daß die Bekämpfung rechtsmotivierter Straf- und Gewalttaten ein Kernanliegen der Bundesregierung sei.

Nicht von der Hand zu weisen ist die Annahme, daß die zunehmenden Angriffe der Rechten auf politische Repräsentanten zu einer öffentlichen Wahrnehmung dieses Gewaltpotentials geführt haben, der staatliche Organe Rechnung tragen müssen. Das erklärt aber nicht, warum die seit langen Jahren verfügbaren Erkenntnisse über C18, die selbstverständlich auch und zuallererst dem Verfassungsschutz bekannt gewesen sein müssen, keine Konsequenzen nach sich gezogen haben. Die Anmerkungen dazu muten widersprüchlich an, da es einerseits heißt, die Gruppe habe zwischenzeitlich an Bedeutung verloren und spiele erst in jüngerer Zeit wieder eine wichtigere Rolle, während sie andererseits als außerordentlich gefährlich und ein Leuchtfeuer der Rechten ausgewiesen wird. Wenig glaubhaft ist auch die immer wieder anklingende These, daß präzise Informationen kaum zu beschaffen seien, da man zwischen den eigentlichen Mitgliedern und Sympathisanten oder Trittbrettfahrern schwer unterscheiden könne.

Indessen hat die Antifa-Rechercheplattform EXIF bereits im Sommer 2018 eine umfangreiche Studie zu "Combat 18" mit zum Teil detaillierten Einblicken in die Organisationsstruktur erstellt. Sie kommt zu dem Schluß, daß "Combat 18" hochgefährlich sei und sich die Mitglieder in Vorbereitung auf einen unausweichlichen, bevorstehenden Rassenkrieg sähen. Das Portal stellte weitere Informationen wie Mitgliederlisten, Kontoauszüge und sogar eine Art Vereinssatzung ins Netz, was durchaus für eine feste Organisationsstruktur spricht. So enthält das Richtlinienpapier diverse "Bruderpflichten", monatliche Treffen und Beitrittszahlungen, Aufnahme- und Ausschlußkriterien und sogar eine Kleiderordnung. Daß unabhängige Recherchen sehr viel mehr zutage fördern, als offizielle Stellen als vorgeblichen Wissensstand ausweisen, legt die Folgerung nahe, daß an der Spitze der behördlichen Prioritätenliste andere Optionen als eine Aufklärung der Öffentlichkeit und ein konsequentes Vorgehen gegen rechte Umtriebe stehen.

Das nun erfolgte Verbot des deutschen Ablegers von "Combat 18" auf Grundlage des Vereinsgesetzes gründet nach Angaben des Ministeriums auf der Einschätzung, daß sich die Orientierung der Gruppierung sowohl gegen die verfassungsmäßige Ordnung als auch gegen Strafgesetze richte. Es handle sich um eine "neonazistische, rassistische und fremdenfeindliche Vereinigung, die in ihrer Zweckrichtung eine Wesensverwandtschaft mit dem Nationalsozialismus aufweist". Der Verein habe eine Vorbildfunktion inne und werde als Symbol des gewaltbereiten Rechtsextremismus verehrt. Die Aktivitäten der rund 20 Personen umfassenden Gruppe hätten vor allem im Vertrieb rechtsextremistischer Musik, der Organisation von Konzerten sowie dem Verkauf von Merchandise-Artikeln bestanden.

Das offensive und wenig konspirative Auftreten von Combat 18 in Deutschland mutet insofern erstaunlich an, als die Führungsstruktur der Gruppe aus erfahrenen Rechtsradikalen besteht, denen die Grundregeln klandestinen Agierens durchaus bekannt sein müssen. Die Rechercheplattform weist zudem darauf hin, daß das Bundesamt für Verfassungsschutz die Combat 18-Struktur lange konsequent verharmlost und offenbar kein Interesse an der Zerschlagung der Gruppe gehabt habe. Dies lasse den Schluß zu, daß die Behörden C18 bewußt als "Honeypot" installiert hätten, um extrem gewaltbereite Rechtsextremisten anzulocken. Die Strukturen würden de facto geschützt, da sie von Informanten der Behörden durchsetzt seien.

Nach Informationen des ARD-Hauptstadtstudios und des SWR heißt es dazu im Verfassungsschutzverbund, dies sei "die übliche Verschwörungstheorie". Tatsächlich hätten sowohl das Bundesamt für Verfassungsschutz als auch das Bundeskriminalamt in den vergangenen Monaten den Kampf gegen den Rechtsextremismus zur Priorität erklärt. Ziel sei es, gewaltbereite rechtsextremistische Netzwerke besser zu erkennen und so rechtsterroristischen Attentätern zuvorzukommen. [2]

Die These des "Honigtopfs" erinnert nicht von ungefähr an den sogenannten Nationalsozialistischen Untergrund (NSU), dessen Vorgehensweise das von "Combat 18" entwickelte Konzept des "führerlosen Widerstands" übernommen hatte. Dieses sieht vor, daß sich kleine autonome Zellen gewaltbereiter Neonazis, die vom politischen Flügel der Bewegung abgekoppelt sind, bewaffnen und ohne Befehl Terroranschläge verüben. Sie sollen sich mit einer bürgerlichen Fassade tarnen, um aus dem Verborgenen heraus aktiv zu werden. Die einzelnen Zellen sollen einander nicht kennen und ohne zentrale Führungs- und Organisationsstruktur zuschlagen. Sollte eine Zelle verhaftet werden, könnten die anderen ohne Gefahr weiter agieren. Nach Anschlägen bekennt sich in der Regel niemand zu der Tat, so daß es den Ermittlern schwerfällt, die Tat als eindeutig politisch einzuordnen. Des weiteren verschiebt sich damit die Wahrnehmung der Tat in ein "kollektives Richten" durch eine "höhere Macht" mit dem Ziel, durch Verunsicherung und Desorientierung einen politischen Umsturz zu provozieren.

Das alles ist nicht erst seit gestern, sondern bereits seit Jahrzehnten bekannt und mußte zwangsläufig auch dem Verfassungsschutz geläufig sein. Wie die exekutive und juristische Aufarbeitung der NSU-Mordserie gezeigt hat, war die vorgebliche Aufklärung ein Akt der Verschleierung unter der Maßgabe, es habe sich um ein eklatantes Behördenversagen gehandelt. Dieses Konstrukt fungierte als Türöffner für die Forderung nach effektiveren Geheimdiensten und deren enger Zusammenarbeit mit den Polizeien. Systematisch ausgeblendet wurde dabei, daß der NSU weder vollständig im Untergrund agierte noch das Konzept des "führerlosen Widerstands" in dessen eigentlicher Bedeutung praktizierte. Das Trio war insofern nicht wirklich abgetaucht, als es nachweislich Kontakte zu einem rechtsradikalen Umfeld unterhielt, das wiederum in nächster Nähe von etwa zwei Dutzend Spitzeln des Verfassungsschutzes durchsetzt war. Daher liegt der Verdacht nahe, daß der NSU keineswegs vom Radar des Inlandsgeheimdienstes verschwunden war, sondern an dessen mehr oder minder langen Leine agierte und auf diese Weise instrumentalisiert wurde.

Das dürfte gleichermaßen für "Combat 18" gelten, zumal das Verbot dieser Gruppe bemerkenswert lange angekündigt wurde. Ende Juni vergangenen Jahres hatte Bundesinnenminister Horst Seehofer öffentlich davon gesprochen, daß er C18 und weitere rechtsextreme Organisationen verbieten wolle. Mitte September 2019 hatten sich dann die Innenminister der Länder Niedersachsen, Thüringen und Hessen ebenfalls öffentlich für ein Verbot von "Combat 18" ausgesprochen. Angesichts dieser enormen Vorwarnzeit sollte es dem rechtsradikalen Netzwerk möglich gewesen sein, belastendes Material verschwinden zu lassen, soweit dieses nicht in Gestalt des Merchandising ohnehin öffentlich zugänglich war. Dasselbe gilt natürlich auch für möglicherweise verfängliche Akten der Verfassungsschutzämter, die im Unterschied zum sogenannten NSU-Skandal diesmal nicht in Nacht-und-Nebel-Aktionen massenhaft geschreddert werden mußten.

Neben den beiden eingangs genannten Gründen, angesichts des nun verfügten Verbots von "Combat 18" Skepsis walten zu lassen, wäre folglich ein drittes Argument ins Feld zu führen. Wenn die Bundesregierung erklärt, daß die Bekämpfung rechtsmotivierter Straf- und Gewalttaten eines ihrer Kernanliegen sei und sich Geheimdienst wie auch Polizeien für sensibilisiert erklären, muß das noch lange nicht bedeuten, daß fortan mit offenen Karten gespielt wird. Schließlich wirft das Verbot von C18 diverse Fragen auf, die dem Argwohn abermals Nahrung geben, das Publikum werde auf eine offizielle Version eingeschworen und als Fußvolk des Staatsschutzes rekrutiert.


Fußnoten:

[1] www.zeit.de/politik/deutschland/2019-09/combat-18-verbot-neonazi-organisation-rechtsextremismus

[2] www.tagesschau.de/investigativ/swr/combat18-101.html

26. Januar 2020


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