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KRIEG/1319: Nordkorea bleibt Prügelknabe des US-Hegemonialstrebens (SB)



Wenn Nordkoreaner verhungern, vergießen die Amerikaner und deren Verbündete dicke Krokodilstränen. Schuld an diesem Elend, so heißt es, sind nicht im mindesten die Isolation des Landes, die verhängten Sanktionen und die massive Drohkulisse, sondern einzig und allein halsstarrige kommunistische Führer, die aus Angst um ihre Macht und Privilegien nicht einsehen wollen, daß ihr Gesellschaftsentwurf schon lange gescheitert ist und auf den Müllhaufen der Geschichte geworfen werde sollte. Wenn aber die Sache so klar und überschaubar ist, und sich dieses Land nicht durch Druck oder gute Worte zu den Segnungen des Kapitalismus bekehren läßt - der gegenwärtig freilich in eine massive Legitimationskrise gestürzt ist, was seine Überzeugungskraft nicht gerade fördert - könnte man es doch einfach links liegenlassen!

Wer da die Menschenrechte ins Spiel bringt und daraus das Gebot der Intervention ableitet, muß sich fragen lassen, welche Variante der Einmischung ihm denn lieber wäre - die jugoslawische, die irakische oder die afghanische. Alle drei demonstrieren, wie man Staaten unter immensem Blutvergießen in der Absicht zerschlägt, die Trümmer nach eigenem Gutdünken für weitreichendere Ziele zu instrumentalisieren. Daß die Menschenrechte auf der Strecke bleiben, wenn die Walze des Krieges übers Land rollt und ein nachfolgendes Besatzungsregime das Werk der Zurichtung administrativ vervollkommnet, liegt auf der Hand. Verbuchen wir sie also achselzuckend als Kollateralschaden und wenden uns wichtigeren Gesichtspunkten zu.

Wie wäre es mit Demokratie und Freiheit, mit denen man alle Völker missionieren soll? Bei der Vorstellung, es könnten plötzlich Millionen ausgehungerte Nordkoreaner vor unserer Tür stehen, um sich bei uns satt zu essen und anschließend an unserem sonstigen Wohlergehen teilzuhaben, fiele uns vermutlich rasch ein, daß wir Freiheit und Demokratie so nicht verstanden wissen wollen. Glücklicherweise ist das allenfalls das Problem der Südkoreaner, deren Schlingerkurs in Sachen Wiedervereinigung auf die Erwägung schließen läßt, daß eine hermetisch geschlossene Grenze, welche die Hungerleider zurückhält, am Ende doch besser ist.

Damit wird es Zeit, den Trumpf der Raketen und Atomsprengköpfe aus dem Ärmel zu ziehen, mit denen die Nordkoreaner die ganze Welt bedrohen. Die ganze Welt vielleicht nicht, muß man einschränkend sagen, aber doch wohl Amerika? Nun hat unterdessen auch das russische Weltraumkontrollsystem den Transport eines nordkoreanischen Satelliten in die Umlaufbahn dementiert, womit vorangegangene Informationen aus Südkorea und den USA erhärtet wurden, wonach der Satellit gemeinsam mit den restlichen Teilen der Langstreckenrakete in den Pazifischen Ozean gestürzt ist. Damit dürfte auch der dritte derartige Versuch Nordkoreas im Laufe der letzten Jahre fehlgeschlagen sein. Das schließt nicht aus, daß weitere Tests irgendwann zum Ziel führen könnten, einen Satelliten in den Orbit oder potentiell einen Sprengkopf in große Entfernung zu transportieren, doch wären dazu erfahrungsgemäß diverse weitere Erprobungen erforderlich, an denen man das Land mit Sanktionen weitgehend hindern wird.

Die Diffamierungsdoktrin vom Schurkenstaat führt insbesondere bei der Einschätzung militärischer Potentiale zu einem aberwitzigen Wechsel der Argumente. Um das mißliebige Gesellschaftssystem zu diskreditieren, verhöhnt man dessen angebliche Unfähigkeit und kommentiert wie im aktuellen Fall mit Inbrunst, wie peinlich dieses neuerliche Versagen und wie lächerlich die Propaganda der Regierung sei, man empfange die Signale des Satelliten und lausche den gesendeten Lobliedern auf Kim II Sung und Kim Jong II, wo doch in Wirklichkeit alles ins Wasser gefallen ist. Andererseits darf die Absurdität einer absehbaren Bedrohung seitens Nordkoreas aber auch nicht offensichtlich werden, weshalb man dessen waffentechnischen Entwicklungsstand im selben Atemzug maßlos übertreibt. Wie schon der fiktive Hufeisenplan der Serben oder die nicht existenten Massenvernichtungswaffen des Iraks unter Beweis stellten, fabriziert das Sanktionsregime die entscheidenden Argumente letzten Endes immer selbst.

Wirft man die Frage auf, mit welchem Recht die USA den Start einer nordkoreanischen Rakete umstrittenen Zwecks heftig verurteilen, während sie selbst allein im vergangenen Jahr viermal ihre Minuteman-Raketen getestet haben, stößt man rasch darauf, daß man das eine nun wirklich nicht mit dem andern vergleichen kann. Hier ein armes und weitgehend auf sich gestelltes Land, dessen einziger Schutz eine ernsthafte Kapazität zum Gegenschlag wäre, über die es aber nicht verfügt. Folglich bleibt ihm nichts anderes übrig, als seine Optionen so weit zu verschleiern, daß potentielle Angreifer tatsächlich nicht mit letzter Sicherheit Aussagen darüber machen können. Auf der anderen Seite die militärische Übermacht, die mit ihren tausend atomaren Sprengköpfen die Welt wer weiß wie viele Male in Schutt und Asche legen könnte. Fühlt sie sich durch diesen Zwerg bedroht? Natürlich nicht, doch schafft sie sich mit der "Achse des Bösen" oder deren wie auch immer klassifiziertem Nachfolgermodell der Marke Obama Werkzeug und Vorwand, früher oder später auch mit den Nordkoreanern aufzuräumen.

Verschlossen wie sie sind, taugen sie nicht zu einer durchadministrierten Weltordnung, weshalb sie zuvor gründlich fragmentiert und individualisiert werden müssen, um sie immun gegen jede Art kollektiver Verflechtung zu machen. Abgesehen davon will man nach den Russen natürlich auch den Chinesen immer dichter auf die Pelle rücken, um ihnen die Großmachtflausen auszutreiben. Zu diesem Zweck muß Nordkorea früher oder später zertrümmert werden, sofern Wirtschaftssanktionen nicht doch noch den inneren Zusammenbruch herbeiführen. Damit schließt sich der Kreis: Wenn die Nordkoreaner verhungern, dient das allemal einem guten Zweck. Schließlich hat der größte Massenmord seit dem Zweiten Weltkrieg in Gestalt der Sanktionen gegen den Irak auch ans Ziel geführt und den Angriffskrieg erheblich erleichtert.

7. April 2009