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KRIEG/1355: Mit betriebswirtschaftlicher Effizienz morden und zerstören (SB)



Da der US-Kongreß überprüfbare Fortschritte im Afghanistankrieg vorgelegt bekommen möchte, bevor neue Gelder bewilligt werden, hat die US-Regierung 50 Kriterien aufgestellt, die den sogenannten Volksvertretern am 24. September vorgestellt werden sollen. Laut der Washington Post (30.08.2009) werden diese bislang geheimgehaltenen Maßstäbe derzeit erprobt, um ihre Tauglichkeit für die Evaluation des Krieges unter Beweis zu stellen. Das Weiße Haus hält damit den bereits vom Kongreß in seiner Haushaltsplanung definierten Maßstäben eigene Benchmarks entgegen, wohl um das Ergebnis mehr zu seinen Gunsten ausfallen zu lassen.

Der Versuch, objektive Kriterien des Kriegserfolgs einzuführen, erinnert stark an die Praxis der US-Militärführung in Vietnam, täglich mit genauen Angaben, grafisch in Diagrammform aufbereitet, zur Zahl der getöteten Vietcong vor die Presse zu treten. Das konnte die Niederlage nicht verhindern, gab dem ganzen Gemetzel aber den Anstrich einer überaus rational begründeten Maßnahme. Krieg nach betriebswirtschaftlichen Kriterien zu führen unterstellt, man könne alle Eventualitäten einplanen und sogar besonders kostengünstige Varianten des Erfolgs auswählen. Im Zweifelsfall führen derartige Berechnungen dazu, das Gebot der Rationalisierung in besonders rücksichtslose Formen der Vernichtung münden zu lassen. Schließlich läßt sich aus haushaltspolitischer Sicht kaum vertreten, wenn der Gegner nach acht Jahren seiner vergeblichen Bekämpfung immer wirksamer gegen die eigenen Truppen vorgeht.

So wird den Taliban allgemein attestiert, sehr viel effizientere Formen der Kriegführung entwickelt zu haben als noch vor zwei Jahren, als den US-Truppen bei offenen Angriffen mit hunderten von Kämpfern die Gelegenheit geboten wurde, diese gleich im Dutzend niederzumähen. Mit dem stetigen Anstieg der Opferzahlen unter den NATO-Soldaten und der Ausweitung des Territoriums, das die Taliban zumindest befristet kontrollieren, müßte das Ergebnis des Benchmarking eigentlich die Empfehlung nahelegen, die Truppen so schnell wie möglich aus Afghanistan abzuziehen.

Das Gegenteil wird der Fall sein. Ganz wie ein Wirtschaftsunternehmen wird man mit mittel- und langfristigen Prognosen arbeiten, um das Scheitern zu kaschieren und Gewinnperspektiven zu entwerfen, mit denen sich die weitere Alimentierung des Krieges legitimieren läßt. Die mit schillernden Verschuldungsblasen illuminierten Truggebilde des Finanzmarkts werden auf einem Schlachtfeld inszeniert, auf dem der kapitalistische Raubbau an Mensch und Natur auf besonders urtümliche Weise betrieben wird. Von alleiniger Bedeutung für die Betrachter in Washington ist die Gültigkeit der Maßstäbe, mit Hilfe derer Werte suggeriert werden, die nur deshalb als solche erscheinen, weil die Unwerte, auf denen sie basieren, mit Bilanzierungstricks aus dem Bereich des sicht- und rechenbaren verbannt werden.

3. September 2009