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KRIEG/1390: KSK-Beteiligung belegt offensive Absicht der Bombardierung der Tanklaster (SB)



Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg hat allen Grund, die Debatte über die von einem Offizier der Bundeswehr angeordnete Bombardierung zweier Tanklaster am 4. September als "hysterisch" zu geißeln. Mit der durch einen Bericht der Bild-Zeitung bekanntgewordenen Beteiligung von Angehörigen des Kommandos Spezialkräfte (KSK) am Zustandekommen des Angriffsbefehls erhält die die deutsche Kriegführung in Afghanistan eine neue Qualität. Zwar wurde schon der Einsatz der Sondereinheit KSK zu Beginn der Besetzung Afghanistans im Rahmen des Antiterrormandats Operation Enduring Freedom (OEF) durch unbeantwortet gebliebene Fragen über Kampfeinsätze der Truppe und die mögliche Übergabe afghanischer Gefangene an die US-Streitkräfte in ein sinistres Licht gerückt. Diese Aktivitäten fanden jedoch im Rahmen US-amerikanischer Operationen statt, so daß die dafür maßgeblichen Entscheidungen eher in Washington als in Berlin getroffen wurden.

Mit der jüngsten Enthüllung, laut der der für den Angriffsbefehl verantwortlich zeichnende Oberst Georg Klein bei dieser Entscheidung von mindestens fünf Offizieren und Unteroffizieren der geheimen Einheit Task Force 47 (TF 47) beraten wurde, eröffnet sich den Bundesbürgern ein Blick auf denjenigen Teil der deutschen Kriegführung, der eigentlich nicht für das Licht der Öffentlichkeit bestimmt ist. So soll die Aufgabe der TF 47 in der offensiven Bekämpfung afghanischer Kombattanten bestehen, also in einem Kampfeinsatz, der ebenso wie die Bombardierung der Tanklaster den Schutzauftrag des ISAF-Mandats weit überschreitet.

Wenn die Bild-Zeitung nun berichtet, daß die dem Angriff vorangehende Aufklärung weitgehend von dieser Task Force bestritten wurde, da sie über den Kontakt zu jenem afghanischen Informanten verfügte, dessen Beobachtungen für das Zustandekommen des Angriffsbefehls maßgeblich waren, dann liegt die Schlußfolgerung noch näher als bisher, daß mit dem Luftangriff ein Exempel statuiert werden sollte, um die Taliban vor weiteren Angriffen auf die Nachschublinien der NATO abzuschrecken. Eine zum Ergreifen und Töten angeblicher Terroristen eingesetzte Truppe folgt in einer solchen Situation von vornherein anderen taktischen Erwägungen als ein Offizier, den der Gedanke an zahlreiche zivile Opfer vielleicht davon abhalten könnte, einen solchen Angriff zu befehlen.

Schon kurz nach dem 4. September war klar, daß keine unmittelbare Bedrohung von den Tanklastern auf die Bundeswehr und ihr Feldlager ausging. Die Bundesregierung ist nicht deshalb von der anfänglichen Gutheißung des Angriffs abgerückt, weil ihr neue Informationen vorliegen, sondern weil sich nicht verhindern ließ, daß sich der allgemeine Erkenntnisstand dem tatsächlichen Ausmaß dieses Massakers annäherte. Indem sich nun zeigt, daß die Entscheidung Kleins vor allem eine seiner Berater war, die zumindest teilweise einem geheim agierenden militärischen Exekutivorgan angehören, steht das PR-Management der Affäre vor Herausforderungen, die nur mit einer Politik fortgesetzter Geheimhaltung bewältigt werden können.

Eben dazu werden Truppen wie die KSK geschaffen. Sie sollen der Bundesregierung operative Freiheiten gewähren, die sie bei angemessener Einschaltung des Parlaments womöglich nicht hätte. Geheime Staatsorgane gibt es nur aus einem Grund - sie ermächtigen Regierungen zu Handlungen, die sich weder rechtlich vertreten noch parlamentarisch absegnen lassen. Als Antithese zur demokratisch verfaßten Gesellschaft dienen Instrumente des von der Verabsolutierung exekutiver Verfügungsgewalt bestimmten Ausnahmezustands wie die KSK und die Geheimdienste im Kern dazu, den Anspruch des nominellen Souveräns, also der Bevölkerung, auf letztgültige politische Entscheidungsgewalt zu negieren.

Daß die Bundesregierung weder den Außen- noch den Verteidigungsausschuß des Bundestags über die Beteiligung der KSK an der Bombardierung der beiden Tanklaster informiert noch die Abgeordneten darüber in Kenntnis gesetzt hat, daß Mitglieder dieser Geheimtruppe Kampfeinsätze in Afghanistan durchführt, dokumentiert eine Entwicklung hin zu autokratischen Strukturen nach Art der Vollmachten, die sich der ehemalige US-Präsident George W. Bush angemaßt hat, um etwa die Folterung von Gefangenen anordnen zu können. Wenn diese Selbstherrlichkeit auf geschlossenen parlamentarischen Widerstand träfe, dann könnte sich die Bombardierung vom 4. September zu einer regelrechten Regierungskrise auswachsen. Zu erwarten ist allerdings auch dieses Mal, daß die Kriegsparteien sich an der Schadensbegrenzung der Bundesregierung beteiligen, um die eigene Rolle im imperialistischen Bündnis keiner kritischen Überprüfung aussetzen zu müssen.

11. Dezember 2009