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KRIEG/1396: Afghanischer Exminister lobt deutsche Okkupation (SB)



Jedes Besatzungsregime hat seine einheimischen Kollaborateure und Profiteure. Das gilt auch für den völkerrechtswidrigen Angriffskrieg und die nunmehr im neunten Jahr herrschende Okkupation der Vereinigten Staaten und ihrer Verbündeten, darunter nicht zuletzt die Bundesrepublik, in Afghanistan. Der Bundeswehr fiel in dieser Kumpanei die Rolle zu, den Aufbau des Landes zu simulieren, um die Bevölkerung über die Absichten der Besatzungsmächte zu täuschen und an der Heimatfront die Legitimation des in Widerspruch zum Grundgesetz stehenden Waffengangs zur Durchsetzung hegemonialer Interessen im Kontext globalstrategischer Zugriffssicherung zu erwirtschaften.

Als Gastgeber der Petersberger Konferenz, bei der das Marionettenregime der Karzai-Regierung installiert wurde, war die deutsche Führung von Anfang an in vollem Umfang an der in großem Stil inszenierten Farce beteiligt, welche das bellizistische Abenteuer am Hindukusch als Entwicklung und Demokratisierung des Landes auswies. Entwickelt haben sich seither Elend, Hunger und Lebensgefahr, während inzwischen selbst Bundesverteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg einräumt, daß man in Sachen Demokratie doch erhebliche Abstriche machen müsse.

Daß die Afghanen nach dem Massaker bei Kundus immer noch glauben, die Bundeswehrsoldaten seien gekommen, um ihnen zu helfen und ihr Wohlergehen zu befördern, darf bezweifelt werden. Um so wichtiger muß es die Kriegsherrn daher drängen, die Talfahrt der Zustimmung in der deutschen Bevölkerung zu bremsen, die ihnen in die Parade fahren könnte. Daher sind Handlangerdienste wie die des früheren afghanischen Ministers Mohammed Amin Farhang hochwillkommen, der unter der Regierung von Präsident Hamid Karzai mehr als sieben Jahre einen Kabinettsposten bekleidet hat.

Wie dieser in einem Gespräch mit der Nachrichtenagentur AFP in Berlin erklärte, sei die von der Bundesregierung angekündigte Entschädigung der zivilen Opfer des umstrittenen Luftangriffs bei Kundus "sehr positiv". Er begrüße es sehr, daß Deutschland diesen Schritt macht. Es handle sich um eine "weise Entscheidung", der vielleicht andere Länder folgen würden. Man könne die Menschen nicht mehr lebendig machen, sagte Farhang, doch reichten seiner Ansicht nach die geplanten Entschädigungen vollkommen aus. (de.news.yahoo.com 25.12.09)

Da konkrete Summen bislang noch gar nicht benannt wurden, muß der frühere Handelsminister entweder über sehr gute Kontakte zu deutschen Regierungskreisen verfügen oder schlichtweg zynisch davon ausgehen, daß man seine armen Landsleute problemlos abspeisen kann. Allerdings riet er der Bundesregierung dringend, dafür zu sorgen, daß die Gelder an die richtigen Familien flössen. Ob er dabei an sich und seinesgleichen gedacht hat oder vielmehr den Eindruck erwecken wollte, nun könne alles ordentlich abgewickelt werden, ist nicht bekannt.

Das Verteidigungsministerium strebt bei der Entschädigung der Opfer eine Regelung nach landestypischen Sitten und Gebräuchen an, was wohl soviel bedeuten soll, daß man sich erstens von jeder Verantwortung freizukaufen gedenkt und zweitens von dem vergleichsweise niedrigen finanziellen Niveau der ortsüblichen Konflikregulation zu profitieren hofft, damit man die Unkosten aus der Portokasse bestreiten kann. Über die Höhe der Entschädigungen, so heißt es, müsse in Zusammenarbeit mit den Afghanen ausgiebig verhandelt werden.

Wofür sich Exminister Farhang starkmacht, ist nichts weniger als die vollständige Wiederherstellung der deutschen Doktrin. Der Ruf der Deutschen habe durch den Angriff, bei dem Anfang September nach offizieller Lesart bis zu 142 Menschen getötet wurden, seiner Einschätzung nach keineswegs gelitten. "Die Menschen in Afghanistan wissen, daß Deutschland im Gegensatz zu einigen anderen Ländern keine eigennützigen Interessen verfolgt, sondern wirklich am Wohl des Landes interessiert ist", behauptet Farhang. Der Angriff am 4. September sei allerdings "nicht angemessen" gewesen, da die Verantwortlichen "ein bißchen voreilig" gehandelt hätten. Wenn selbst ein ehemaliges Mitglied der afghanischen Führung ein Massaker des Besatzungsregimes mit solchen Worten auf ein Kavaliersdelikt reduziert, sollte es der Bundesregierung doch gelingen, ihren Bürgern klarzumachen, daß nun einmal afghanische Späne fallen müssen, wenn der deutsche Hobel angesetzt wird.

27. Dezember 2009