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KRIEG/1414: Deutschland endgültig zum Rüstungsgroßhändler aufgestiegen (SB)



Bei der deutschen Rüstungsindustrie rennt Guido Westerwelle, der Außenpolitik vornehmlich als Wirtschaftspolitik verstanden wissen will, offene Türen ein. Daß bellizistische Positionierung in vorderster Front und ungebrochene exportweltmeisterliche Ambitionen nicht nur kein Widerspruch, sondern vielmehr die beiden Seiten derselben Medaille bundesdeutscher Visionen vom Platz an der Tafel der Großmächte sind, können Waffenexporteure in Personalunion bestätigen. Seit Beginn des Jahrzehnts haben sich die Ausfuhren deutscher Rüstungsgüter mehr als verdoppelt, womit Deutschland im Waffengeschäft endgültig in die Reihe der Großhändler aufgestiegen ist. Der deutsche Weltmarktanteil am insgesamt gewachsenen globalen Handel mit Kriegsmaterial stieg zwischen 2005 und 2009 von sechs auf elf Prozent, die nur noch von den USA mit 30 Prozent und Rußland mit 23 Prozent übertroffen werden.

Das 1966 von der schwedischen Regierung gegründete Friedensforschungsinstitut SIPRI (Stockholm International Peace Research Institute), das zu den weltweit renommiertesten Institutionen seiner Art zählt, operiert bei seinen jährlich herausgegebenen Übersichten über Waffenhandel und Rüstungsausgaben nicht mit konkreten Zahlen, sondern geschätzten Werten, weshalb es regelmäßig zu höheren Angaben über deutsche Rüstungsexporte als die Bundesregierung kommt. Da internationale Geschäfte häufig nicht mit Barbezahlung, sondern durch Kompensationsaufträge getätigt werden, gebrauchtes Rüstungsgut weit unter dem Realwert verschleudert wird und nicht zuletzt "Geschenke" bei Regierungsangaben zum Zweck der Verschleierung ausgeblendet werden, liefert SIPRI wesentlich realistischere Daten.

Der stellvertretende Fraktionschef der Linkspartei im Bundestag, Jan van Aken, nannte den Anstieg deutscher Rüstungsexporte im Gespräch mit der Frankfurter Rundschau (14.03.10) "grauenvoll". Er forderte einen Exportstopp und erklärte, es dürfe "hierzulande keine Arbeitsplätze geben, die darauf beruhen, daß woanders Menschen sterben" - entweder, weil die Länder die Waffen benutzten, oder weil sie ihren Rüstungshaushalt aufblähten, statt gegen Armut zu kämpfen.

Anders als die Linke, die als einzige der im Bundestag vertretenen Parteien dem deutschen Kriegskurs nicht huldigt, scheinen die Grünen mit dem Krieg nach wie vor kein grundsätzliches Problem zu haben - wenn es denn der richtige ist. Da sie in der Vergangenheit maßgeblich an der Durchsetzung von Auslandseinsätzen der Bundeswehr beteiligt waren, fordern sie nun als Oppositionspartei auch bezüglich der Rüstungsexporte vor allem ein Mitspracherecht. Wie Parteichefin Claudia Roth erklärte, zeige der dramatische Anstieg der Waffenexporte erneut, daß eine viel stärkere Rüstungskontrolle und schärfere Kriterien für den Waffenexport notwendig seien. Vor allem müsse der Bundestag "endlich das Recht bekommen, die Bundesregierung in Sachen Rüstungsexporte zu kontrollieren".

Was sollte am Krieg verkehrt sein, wenn es nur unserer ist, erklären uns Sozialdemokraten, die damit zumindest in dieser Hinsicht ein ausgeprägtes Traditionsbewußtsein unter Beweis stellen. Daß der Export von Rüstungsgütern nicht nur unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten äußerst lukrativ, sondern zugleich ein Instrument strategischer Einflußnahme ist, hob der sicherheitspolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Rainer Arnold, hervor. "Der zweite Blick lohnt sich", sagte er der Frankfurter Rundschau. Er könne "nichts Verwerfliches" daran finden, wenn deutsche Firmen zu einem immer größeren Teil Waffen an NATO-Partner lieferten. Hingegen müsse man bei Lieferungen in andere Länder "sehr kritisch" sein. So schaue er selbst bei Ausfuhren von Handfeuerwaffen etwa in arabische Staaten genau hin. Allerdings "wollen wir, daß sie den Terror bekämpfen", wurde Arnold noch deutlicher, und ganz ohne Pistolen gehe das eben nicht.

Wichtigstes Abnehmerland für die deutsche Rüstungsindustrie war die Türkei, an die 14 Prozent der Ausfuhren gingen, gefolgt von Griechenland mit 13 Prozent und Südafrika mit 12 Prozent. Dabei sorgten U-Boote vom Typ 209 und 214, teils auch unter Lizenz in anderen Ländern gebaut, für den meisten Umsatz. Während Kriegsschiffe 44 Prozent aller Exporte ausmachten, lief es auch bei Panzerfahrzeugen mit 27 Prozent der Ausfuhren ausgezeichnet. Interessant ist im Detail, daß die Türkei einen Vertrag zur Lizenzherstellung von sechs deutschen U-Booten der Klasse U214 im Wert von zwei Milliarden Euro abschloß. Das vom Staatsbankrott bedrohte Griechenland gehörte in den vergangenen fünf Jahren zu den fünf größten Rüstungskäufern der Welt. Wegen Schulden über 524 Millionen Euro bekamen die Griechen vier bestellte U-Boote nicht ausgeliefert, akzeptierten dann aber die Lieferung von drei in Lizenz hergestellten Einheiten.

Vieles weiß die Frankfurter Rundschau aus dem aktuellen SIPRI-Bericht zu zitieren, doch verschweigt sie verschämt ein Detail, das hierzulande viele Leser interessieren dürfte. Wohl findet Erwähnung, daß neben einer ganzen Reihe anderer Länder in aller Welt auch Israel deutsche Dieselmotoren für Panzerfahrzeuge bezogen hat, doch tauchen die ganz oder teilweise geschenkten U-Boote überhaupt nicht auf, was nicht nur an ihrer vielgerühmten Fähigkeit liegen dürfte, bei Bedarf wochenlang unter Wasser zu bleiben.

15. März 2010