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KRIEG/1415: Spezialkräfte - Todesschwadrone der Besatzungsmächte in Afghanistan (SB)



In Afghanistan eskaliert der Guerillakrieg zwischen den Streitkräften des Besatzungsregimes und dessen einheimischen Kollaborateuren auf der einen und den Kräften des Widerstands auf der anderen Seite. Wie die Geschichte des Landes lehrt, ist es noch keiner fremden Macht gelungen, die Region am Hindukusch dauerhaft zu unterwerfen, und nach mehr als acht Jahren einer an Intensität zunehmenden Kriegsführung ist nicht abzusehen, daß den Vereinigten Staaten und ihren Verbündeten ein anderes Schicksal winkt, als der verlustreiche Feldzug und letztendliche Rückzug. Da Afghanistan jedoch ein essentieller Mosaikstein im Gefüge regionaler Vormachtssicherung bleibt, auf den Washington in Verfolgung der proklamierten neuen Weltordnung nicht verzichten kann, um sich gegenüber Rußland und insbesondere China strategische Vorteile zu sichern, planen die USA, sich in diesem Land mit mehreren Stützpunkten dauerhaft festzusetzen, die Sicherung des Regimes zunehmend auf einheimische Akteure abzuwälzen und das Gros ihrer Truppen schrittweise abzuziehen, um militärische Kapazitäten für Angriffe an anderen Schauplätzen freizusetzen.

Diese Strategie, die im Irak allenfalls bedingt gegriffen und keinesfalls zur Befriedung des gezielt zerrissenen Landes geführt hat, scheint in Afghanistan noch weniger wirksam zu sein. Das Konzept setzt auf eine Spaltung des Widerstands, der in Teilen durch finanzielle Lockmittel und Beteiligung an der Macht gekauft und zugleich in seinen widerspenstigen Fraktionen durch schrankenlos operierende Spezialverbände gnadenlos niedergemacht werden soll. Dollars und Pfründe für die einen - Kugeln, Raketen und Bomben wie auch Folter und Verschleppung für die anderen, lautet die grausame Alternative der Besatzungsmacht, die einen Kampf um Demokratie, Menschenrechte und Fortschritt im Munde führt.

Die größte Furcht jedes Afghanen sei heute die vor einem nächtlichen Überfall durch ein Spezialkommando, sagte General Stanley McChrystal, der es wissen muß. Obgleich die wenigsten Bewohner des Landes einen derartigen Zwischenfall persönlich erlebt hätten, sei dieser zu einem finsteren Mythos in der Bevölkerung geworden. Wie der Oberbefehlshaber der US-amerikanischen und NATO-Truppen in Afghanistan stolz versichert, sei diese Vorgehensweise effektiv und von enormem taktischen Wert. Andererseits ist jedoch das Ziel, grenzenlos Angst und Schrecken zu verbreiten, höchst kontraproduktiv im Sinne des Bestrebens, wachsende Teile der Bevölkerung für die Besatzer einzunehmen und kompromißbereite Elemente des Widerstands einzukaufen.

Wie schon bei den Luftangriffen, deren immenser Blutzoll unter der Zivilbevölkerung die militärische Führung der Okkupationsstreitkräfte veranlaßte, die Parole gezügelter Handhabung auszugeben, verlangt McChrystal nun auch hinsichtlich der verdeckt operierenden Kommandos, deren nächtliche Übergriffe müßten fortan mit größerer Vorsicht, stärkeren Einschränkungen und standardisierten Vorgaben im ganzen Land vorgetragen werden. (Word Socialist Web Site 18.03.10)

Daß das Oberkommando die Absicht verfolgt, das Unwesen der allgegenwärtigen nächtlichen Überfälle einzuhegen, muß größtenteils als Propagandakampagne für die internationalen Medien eingestuft werden, deren vordringliche Aufgabe darin besteht, die Stimmung an der Heimatfront der Besatzungsmächte vom Umkippen abzuhalten. Wenn die Soldaten der Alliierten nicht nur "Taliban", sondern offensichtlich auch Zivilisten abschlachten, trägt das maßgeblich dazu bei, die Zustimmung zu diesem Krieg so fern der Heimat schwinden zu lassen, die auf der Akzeptanz eines über Jahre errichteten Lügengebäudes gründet.

Andererseits sind die Bedenken McChrystals nicht unbegründet, die potentielle Drangsalierung der gesamten afghanischen Bevölkerung könne deren Haß auf die ausländischen Truppen und ihre einheimischen Vasallen nur noch stärker schüren. Dieser immanente Widerspruch zwischen der zunehmenden Totalisierung des Krieges und dem damit einhergehenden Verlust jeglicher Sympathien in der Bevölkerung führt dazu, daß ein Guerillakrieg gegen einheimische Kräfte nicht gewonnen werden kann, soweit es fremde Besatzungstruppen betrifft. Um diesen Umstand zu verschleiern, führten die westlichen Mächte den afghanischen Widerstand auf ausländische "Terroristen" zurück, als handle es sich um Eindringlinge, von denen man das Land befreien wolle und könne.

Die Vorgehensweise der Spezialkräfte zeugt davon, daß ein genuiner Guerillakrieg gegen die Bevölkerung geführt wird. Da der Widerstand überwiegend Teil derselben ist, kann er aus Perspektive ausländischer Truppen weder sicher identifiziert, noch unter Schonung Unbeteiligter bekämpft werden. Dabei stellt die Bezichtigung, die "Taliban" versteckten sich hinter menschlichen Schutzschilden, die Verhältnisse auf den Kopf, da es die Besatzer sind, welche die Bevölkerung in Geiselhaft genommen haben. Gerade weil die angesichts der Größe und Unzugänglichkeit des Landes verschwindend geringen Kampftrupps den Widerstand niemals flächendeckend bekämpfen können, müssen sie dafür sorgen, daß ihnen der Ruf zügelloser Willkür und Grausamkeit meilenweit vorauseilt. Sie enger an die Kette zu legen, wie dies McChrystal anmahnt, ist damit letzten Endes ein Widerspruch in sich und würde folglich nicht funktionieren, selbst wenn es tatsächlich beabsichtigt wäre.

Nach Angaben der von genannter Quelle zitierten New York Times gehen Vertreter der UNO und der afghanischen Regierung davon aus, daß die allein im letzten Jahr durch Einwirkung der Besatzungstruppen getöteten 586 Zivilisten überwiegend auf das Konto von Sondereinsatzkräften gehen. Diese operierten zumeist ohne jede Kontrolle und riefen in der Bevölkerung wachsende Wut und Vorbehalte wach. Berücksichtigt man, daß keine offiziellen Zahlen veröffentlicht werden, wie viele mutmaßliche "Taliban" oder andere Aufständische getötet wurden, muß man davon ausgehen, daß weit mehr Zivilisten als bekannt umgebracht und kurzerhand als Insurgenten ausgegeben werden. Ohnehin ist die Unterscheidung zwischen Zivilisten und "Taliban" in hohem Maße fiktiv, da es vielfach die Söhne der ortsansässigen Bevölkerung sind, die zeitweise im Widerstand kämpfen und dann wieder nach Hause zurückkehren.

Wie dokumentierte Zwischenfälle mit eindeutig zivilen Opfern belegen, beruhen die Umtriebe der Spezialkommandos vor allem darauf, nach eigenem Ermessen oder auf Weisung ihrer ebenfalls geheimen Leitzentrale Afghanen zu drangsalieren und abzuschlachten, die man mit dem Widerstand in Verbindung bringt, selbst wenn es sich um wehrlose Frauen, Kinder oder alte Leute handelt. Da die Einschüchterung der Bevölkerung mit dem Ziel, ihr jede Unterstützung des Widerstands mit brutalen Mitteln auszutreiben, das Wesensmerkmal der Aufstandsbekämpfung ist, muß man davon ausgehen, daß zivile Opfer der Special Forces nicht etwa "Kollateralschäden", sondern genuines Ziel dieser Form der Kriegsführung sind. Wenngleich es im Kontext des Afghanistankriegs bislang nicht üblich ist, sollte man den modernen Mythos angeblich hochprofessioneller, effektiv operierender und präzise selektierender Spezialkräfte dahingehend dekonstruieren, daß es sich bei ihnen um legalisierte Todesschwadrone im Dienst der Okkupationsmächte handelt.

19. März 2010