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KRIEG/1493: Mörderisch - Vierzehn Tote nach ISAF-Angriff in Afghanistan (SB)



Neues von der Verteidigung Deutschlands, Frontabschnitt Afghanistan: Am Samstag haben die ISAF-Besatzungstruppen vierzehn Kinder und zwei Frauen getötet. Kollateralschaden, tragisch, ein Fehler, wir werden das untersuchen ... Wenige Stunden zuvor hatten Taliban-Widerstandskämpfer in der Stadt Talokan einen Selbstmordanschlag verübt und zwei Bundeswehrsoldaten und fünf Afghanen, darunter den Polizeikommandeur für Nordafghanistan und den Polizeichef der Provinz Tachar getötet sowie neun weitere Personen verletzt.

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) zeigte sich ob des Tods der Bundeswehrangehörigen "schockiert und traurig" und sagte: "Dieser terroristische Anschlag zeigt eine mörderische Menschenverachtung." Der frühere Innenminister und heutige Verteidigungsminister Thomas de Maizière stieß ins gleiche Horn und bezeichnete die Attentäter als "kriminelle Mörder und politische Verbrecher am Friedens- und Entwicklungsprozeß in Afghanistan". Er bat die deutsche Öffentlichkeit, "gerade jetzt unseren Einsatz in Afghanistan zu unterstützen".

Nimmt man nur mal für einen Moment die Sicht des afghanischen Widerstands ein, ist die Janusköpfigkeit des Standpunkts de Maizières nicht zu leugnen. Müßten die ISAF-Truppen aus der Sicht der Aufständischen, die hierzulande unter grober Vernachlässigung ihrer unterschiedlichen Herkünfte, Motive und Ziele unter dem Titel "Taliban" subsumiert werden, nicht mindestens genauso als kriminelle Mörder und politische Verbrecher bezeichnet werden? Zumal die ISAF zu den Invasoren zählt, während die sogenannten Taliban ihre Heimat gegen fremde Truppen verteidigen.

De Maizières Stellungnahme ist Ausdruck einer anderen Ebene im gleichen Krieg, dem um die Deutungshoheit über das Töten von Menschen. Handelt es sich um Afghanen, sind es nach ISAF-Lesart Taliban oder Terroristen - und damit zum Töten freigegeben - bzw. bedauerliche zivile Opfer eines Kriegs, den man eigentlich gar nicht führen will. Handelt es sich hingegen um ISAF-Soldaten, so werden die Täter plötzlich zu Mördern und Verbrechern. Ein simples, aber wirkmächtiges Weltbild, in dem das Gute seine Existenz fortwährend damit begründet, daß es das Böse erfindet.

Das Streben nach Deutungshoheit kann jedoch nur dann greifen, wenn die meinungsbildenden Medien mitspielen. Solange diese den Anschlag auf die Bundeswehrsoldaten als weitgehend isoliertes Ereignis beschreiben und den Kontext ausblenden, daß die deutschen Landser entsandt werden, um mit militärischen Mitteln Rohstoffraub und Handelswege zu sichern, wird niemals der nötige Druck auf die Bundesregierung ausgeübt, der sie dazu bewegen könnte, den Afghanistaneinsatz unverzögert zu beenden.

29. Mai 2011