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KRIEG/1497: Bundeswehr sieht Einfluß der Taliban keineswegs schwinden (SB)



Als Verteidigungsminister Thomas de Maizière vor kurzem einen Anschlag auf ein Bundeswehrfahrzeug in Afghanistan dahingehend kommentierte, daß die Taliban an Boden verlören, da sie nur noch auf "das besonders perfide Mittel von Terror- und Sprengstoffanschlägen" zurückgreifen könnten, war diese Aussage leicht als Propaganda zu durchschauen. Jetzt fährt ausgerechnet ein Exponent der vierten Gewalt im Staate, der dessen Vertretern oft als inoffizielles Verlautbarungsorgan dient, dem Minister in die Parade. Die "Bild"-Zeitung zitiert aus geheimen, internen Bewertungen der Bundeswehr, wonach die Taliban "unverändert im Raum vorhanden" seien und daß mit weiteren Bombenanschlägen, wahrscheinlich versteckten Sprengsätzen, zu rechnen sei [1].

Es bedarf gewiß keines deutschen Revolverblatts, um festzustellen, daß die NATO-Truppe ISAF nicht gegen die Taliban und die übrige Bevölkerung, welche versteckt bis offen mit den Kämpfern sympathisiert, gewinnt und auch nicht gewinnen kann. Laut der "Bild" gehen die westlichen Militärermittler davon aus, daß "höhere Dienststellen" des afghanischen Geheimdienstes NDS von dem Anschlag gewußt, aber die Deutschen nicht gewarnt haben. Falls das zutrifft, besäße die Bundeswehr keinerlei Rückhalt mehr, denn auch die Mehrheit der afghanischen Bevölkerung möchte nur noch, daß die ausländischen Soldaten abziehen. Die Afghanen wollen deswegen noch lange kein Taliban-Regime, aber sie wollen ihre Probleme selbst lösen.

In der deutschen Bevölkerung genießen die Bundeswehrsoldaten ebenfalls wenig Rückhalt. Das hat vor allem damit zu tun, daß die Soldaten weit entfernt einen Krieg gegen Menschen führen, die vielleicht eine andere Kultur und Religion haben als die Mehrheit der Deutschen, aber gewiß keine Bedrohung für die Bundesrepublik darstellen. Aus der Sicht der Afghanen sind die Deutschen nichts anderes als Teil der westlichen Besatzungmacht, deren Aufgabe nicht in der Befreiung des Landes von einer religiös-fanatischen Gruppierung oder von Drogenhändlern besteht, sondern in der Zurichtung des Landes unter eine dem Westen verpflichteten Marionettenregierung.

Afghanistan stellt seit langem ein Schlüsselstaat im geopolitischen Ringen imperialer Mächte dar. Wer wie Deutschland Soldaten in die Schlacht wirft, mit welchen Begründungen auch immer, verfolgt letztlich räuberische Interessen und will teilhaben an der Beute. Die besteht im Fall Afghanistans weniger in der Sicherung von Rohstoffen - obgleich das ein lukrativer Mitnahmeeffekt ist -, sondern in der Ausdehnung der eigenen hegemonialen Sphäre in Zentralasien bis an die Grenzen Rußlands und Chinas heran, den eigentlichen Zielen der "Verteidigung" Deutschlands am Hindukusch unter Oberaufsicht der Vereinigten Staaten.

US-Präsident Barack Obama hat die Bundeskanzlerin bei ihrem Besuch in Washington die Freiheitsmedaille überreicht und sie mehr oder weniger unverhohlen zu einem stärkeren Engagement bei Militäreinsätzen aufgefordert; US-Verteidigungsminister Robert Gates sieht gar die NATO vor einer Zerreißprobe, weil einige Staaten - und er meinte vor allem Deutschland - sich nicht durch Soldaten am Krieg gegen Libyen beteiligen; NATO-Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen verlangt eine gleichmäßigere Verteilung der Lasten innerhalb des transatlantischen Militärbündnisses; Bundesverteidigungsminister Thomas de Maizière kündigte bei der Vorstellung seiner neuen Verteidigungspolitischen Richtlinien mehr Auslandseinsätze der Bundeswehr an; Bundesaußenminister Westerwelle besucht innerhalb weniger Tage das von der NATO mit Krieg überzogene Libyen und das Konfliktgebiet Sudan ...

Aussagen, Forderungen und Entwicklungen, die vom Beginn einer neuen Epoche globalhegemonialer Kämpfe künden, an denen Deutschland als wirtschaftlich führender Verwertungsraum innerhalb der Europäischen Union aktiv beteiligt ist.

Fußnote:

[1] http://www.bild.de/politik/ausland/bundeswehr-einsatz/wahrheit-ueber-kampf-in-afghanistan-18382098.bild.html

16. Juni 2011