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KRIEG/1514: IG Metall an der Heimatfront - Bekenntnis zu Intervention und Rüstungsexport (SB)



Einst hoffnungsvoll als Errungenschaft der Arbeiterbewegung geschätzt und verteidigt, birgt Gewerkschaft den Keim des Klassenkompromisses in ihrer zwiespältigen Natur. Ihr Aufstieg in der bundesrepublikanischen Gesellschaft zum Partner im Rahmen der paritätischen Mitbestimmung gewährte ihr das befristete Lehen zugestandener Mitspracherechte, die mit einem hohen Grad an Einbindung in Unternehmensinteressen und Staatskonformität erkauft waren. Die Verrechtlichung des Arbeitskampfs verwandelte diesen in eine zahnlose Prozedur formalisierter Rituale, während die Gewerkschaften weitgehend an Profil und Durchsetzungsfähigkeit verloren. In einer vom Verwertungsdruck des Kapitals von Grund auf umgepflügten Arbeitswelt und massenhaften Ausgrenzung für überflüssig erachteter Menschen muten Gewerkschaften heute fast schon wie Artefakte einer vergangenen Epoche an, die sich durch ihre eigene Anpassungsbereitschaft entbehrlich gemacht haben.

Namentlich die Industriegewerkschaft Metall stand in der Vergangenheit im Ruf, den konsequentesten und streitbarsten Flügel der deutschen Gewerkschaftsbewegung zu repräsentieren. Sie barg in ihren Reihen manchen Genossen, der andernorts als Kommunist ausgestoßen worden wäre, und führte an vorderster Front Tarifkämpfe, die Richtmarken für alle Metaller und weit darüber hinaus setzten. Und nicht zuletzt traf man Vertreter der IG Metall im solidarischen Schulterschluß regelmäßig bei anderen gesellschaftlichen Bewegungen und Aktionsformen des linken und linksbürgerlichen Spektrums an. Wenngleich Gewerkschaftsführung und Basis selten im Gleichschritt marschierten und sich bisweilen tiefe Klüfte zwischen ihnen auftaten, herrschten doch gewisse Überzeugungen vor, die Gewerkschafter im allgemeinen und Metaller im besonderen teilten.

Imperialistische Kriege, Einsätze der Bundeswehr im Ausland und die Ankurbelung der Rüstungsindustrie gutzuheißen, wäre den wenigsten Metallgewerkschaftern eingefallen. Daß es vor allem Unternehmen ihrer Branche waren, die Waffen produzierten, führte jedoch zwangsläufig zu Konflikten. Als Gewerkschaft vertrat man auch die Interessen der Beschäftigten in Rüstungsbetrieben, während man zugleich deren Existenz und wachsende Bedeutung für die deutsche Exportwirtschaft ungern an die große Glocke hängte. Daraus resultierten Zerreißproben, die den gewerkschaftlichen Zusammenhalt strapazierten, Vertuschungen, die das Dilemma unter den Teppich kehrten, und Auflösungserscheinungen traditioneller Positionen, die von der Basis mit Sorge verfolgt wurden. Bezeichnend für diese Zeit waren die vielzitierten Bauchschmerzen als Symptom verbreiteten Unbehagens, Gewerkschaftsarbeit hochzuhalten, während man in interne Flügelkämpfe verstrickt war.

All das ist Vergangenheit. Heute bekennt sich der Vorstand der IG Metall zum Umbau der Bundeswehr zur global operierenden Interventions- und Besatzungsarmee und fordert eine drastische Ausweitung der deutschen Rüstungsexporte. Wie German Foreign Policy aus einer aktuellen Studie der Metallgewerkschaft über den "militärischen Schiffbau" zitiert, sei das "neue sicherheitspolitische Umfeld des 21. Jahrhunderts" bestimmt von dem "Konzept weltweit mobiler Streitkräfte, die flexibel an wechselnden Schauplätzen für militärische Einsätze zur Verfügung stehen". [1] Weit über eine Analyse aktueller und prognostizierter Entwicklungsverläufe hinaus legt die Gewerkschaftsführung nahtlose Konformität mit den Erfordernissen weltweiter kapitalistischer Verwertung und deren militärischer Durchsetzung an den Tag. Verschwunden sind alle Bedenken und Skrupel, deutsche Kriegsbeteiligung und Waffenproduktion uneingeschränkt zu befürworten. Durchgesetzt hat sich der Ruf nach einer staatlichen oder besser noch europäischen Förderung des Rüstungssektors.

Die langfristige strategische Neuorientierung der IG Metall findet man bereits 2005. Damals forderte der beim Vorstand der Gewerkschaft angesiedelte "Arbeitskreis Wehrtechnik und Arbeitsplätze" in einer "Erklärung zur Lage des Marineschiffbaus" die "Schaffung eines europäischen Werftenverbundes". Um eine "maritime EADS" zu implementieren, bedürfe es einer grundlegenden "Stärkung der Systemführerschaft in Deutschland". Gefordert sei "ein starker nationaler Industrie- und Forschungsverbund, der genügend Potential hat, um die verschiedensten internationalen Allianzen zu schließen und dabei eine führende Rolle zu spielen." Die Bundesregierung müsse die nationalen und strategische Interessen auf allen Ebenen durchsetzen, da Deutschland andernfalls den Ambitionen der Konkurrenten nicht gewachsen sei.

Sich "auf die Kriegführung der Zukunft (zu) konzentrieren", forderte damals auch Hartmut Küchle vom "Arbeitskreis Wehrtechnik und Arbeitsplätze" in einer von der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung herausgegebenen Publikation. Wer wie die Bundesrepublik "Weltordnungspolitik" betreiben wolle, sei gut beraten, nicht nur "militärische Fähigkeiten", sondern auch "rüstungsindustrielle und rüstungstechnologische Kompetenzen" als "Grundlage für politischen Handlungsspielraum" zu verstehen.

Derselbe Arbeitskreis der IG Metall präzisiert diese Stoßrichtung in seiner aktuellen Studie wiederum für die Kriegsmarine und Werften unter dem Titel "Perspektiven der deutschen militärischen Schiffbaukapazitäten im europäischen Kontext". Die Rede ist von einer zunehmenden "Bedrohung des freien Warenverkehrs zu See durch Piraterie und Terrorismus", der man mit einem "Konzept weltweit mobiler Streitkräfte, die flexibel an wechselnden Schauplätzen für militärische Einsätze zur Verfügung stehen" begegne. Die "Einsatzfähigkeit" der Kriegsmarine müsse sichergestellt, die "Exportfähigkeit" deutscher Waffen gewährleistet werden. Die "Hoffnungen in der Branche" richteten sich auf "Wachstumsmärkte außerhalb Europas" wie insbesondere die von "einigen Schwellenländern" geplanten "milliardenschweren Beschaffungen".

Sorge bereitet den Autoren der Studie die Wirtschaftskrise, da Sparpolitik die "Transformation der Bundeswehr" verhindern könnte. Um vorhandene Produktionskapazitäten auszulasten, müsse über die nationale Beschaffung hinaus gerade im Marineschiffbau der Export gestärkt werden. Die Konkurrenz sei groß, weshalb man einerseits die notwendigen "wehrtechnischen Kernfähigkeit(en)" mit "nationaler Bedeutung" erhalten und andererseits eine "europäische Lösung" auf dem internationalen Waffenmarkt anstreben müsse. Gefordert wird nichts weniger als "übergreifende Kooperationen" der wirtschaftlich stärksten und technologisch fortgeschrittensten Waffenschmieden etwa in Form der Herausbildung einer "EADS der Meere".

Auslandseinsätze der Kriegsmarine, Rüstungsaufträge für deutsche Werften, militärtechnologischer Verbund der Führungsmächte Europas, Waffenexporte an zahlungskräfte Schwellenländer - all das könnte nicht überraschen, entspränge es konservativen Think Tanks, Strategiepapieren des Verteidigungsministeriums oder einer Lobbyarbeit der Rüstungsindustrie. Die verblüffende Identität der Argumente aus dem Dunstkreis des Vorstands der IG Metall wirft die Frage auf, ob der Schulterschluß mit Kapitalinteressen und Staatsräson bereits zur Schmelze der Gewerkschaft geführt hat, die sich geschmeidig in jede beliebige Form gießen läßt, gleich ob es sich um Gewehrläufe, Kanonenrohre, Torpedohüllen oder Schiffsplatten handelt.

Fußnote:

[1] http://www.german-foreign-policy.com/de/fulltext/58137?PHPSESSID=jo79sfuaevmp5fhqt2nd5siev5

9. September 2011