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KRIEG/1591: Deutsche Feuerkraft aus dem Himmel - Bewaffnete Drohnen für die Bundeswehr? (SB)




In erbitterter Konkurrenz um schwindende Ressourcen, gefährdete Transportwege und Vernutzung menschlicher Arbeitskraft beteiligt sich die Bundesrepublik an imperialistischen Kriegen und baut gleichermaßen die Überwachungs- und Sanktionsinstrumente im Innern aus. Euphemistisch als Krisenmanagement und Sicherheitspolitik verschleiert wird das Potential bellizistischer wie zivil-repressiver Gewalt perfektioniert. Ob Waffengänge an fernen Fronten oder Kontrolle der eigenen Bevölkerung, stets gehört die Drohnentechnologie zu den begehrtesten Mitteln der Wahl, um den ewigen Traum der Herrschaftssicherung, unangefochten und allumfassend überwachen, kontrollieren und sanktionieren zu können, in einen nicht länger futuristischen Alptraum der Opfer dieser Omnipräsenz zu überführen. Auslandseinsatz und Heimatfront, militärisch und zivil, Armee und Polizei, staatliche Projekte und private Dienstleister - Varianten derselben Technologie lassen sich zu den unterschiedlichsten Zwecken verwenden, so daß die bislang postulierten Grenzen dieser Sphären bis zur Unkenntlichkeit verschwimmen.

Bekannt und berüchtigt wurde der Einsatz von Drohnen unter anderem bei der Operation Phantom Fury 2004 gegen den irakischen Widerstand in Fallujah, dessen umfassende Zerstörung unter Einsatz modernster Waffen der US-Streitkräfte erfolgte. Von den 50.000 Gebäuden der Stadt wurden 36.000 zerstört, mehrere tausend Iraker wurden getötet. In den Jahren 2005 bis 2009 wies Fallujah höhere Raten an Krebserkrankungen und Leukämie auf als Hiroshima und Nagasaki nach der atomaren Bombardierung im Jahr 1945, was vermutlich eine Folge des Einsatzes von weißem Phosphor und mit abgereichertem Uran verstärkter Munition ist. Gegenwärtig sind Länder wie Pakistan, Jemen, Irak, Afghanistan und Somalia Haupteinsatzgebiete US-amerikanischer Drohnen, die ferngesteuert aus Leitzentralen in den USA auf der Jagd nach angeblichen Zielpersonen zahlreiche Menschenleben vernichten. Die Propaganda, es handle sich bei der militärischen Drohnentechnologie um eine präzise Handhabung, die unbeabsichtigte Schäden weitestmöglich ausschließt, wurde von der Realität längst widerlegt. Für jeden Verdächtigten werden gegenwärtig im Schnitt sechs Unbeteiligte getötet, die man in der Regel nachträglich als feindliche Kämpfer deklariert. Wenn Drohnen der CIA verdächtige Personen oder Gruppen töten, kommt dies einer extralegalen Hinrichtung gleich.

Das ist die Kriegsführung, über die auch die Bundeswehr zu gebieten sich anschickt. Politik, Militär und Rüstungsschmieden arbeiten seit geraumer Zeit daran, die bislang unbewaffneten Drohnen um raketenbestückte Komponenten zu ergänzen, was einer Zug um Zug vorangetriebenen Akzeptanzkampagne bedarf. Weitreichende Entwürfe und längst erfolgte technologische Umsetzungen werden nachträglich legitimiert, indem man sogenannte Diskussionsprozesse führt, um den skeptischen Bundesbürgern die künftigen Optionen robotischer deutscher Feuerkraft aus dem Himmel schmackhaft zu machen. Wie weit die Einigkeit aller im Bundestag vertretenen Parteien mit einer Ausnahme reicht, dokumentieren die aktuellen Stellungnahmen in einer Kontroverse, die eine Kleine Anfrage der Linkspartei losgetreten hat.

Die Bundesregierung bestätigt in ihrer Antwort, daß die Bundeswehr Kampfdrohnen erhalten soll. Aus den Einsatzerfahrungen werde deutlich, daß bewaffnete Aufklärung "als Schutz bei plötzlich auftretenden gravierenden Lageänderungen unbedingt erforderlich ist". Verteidigungspolitiker von Unions-Regierung und Opposition hatten sich bereits 2012 offen für den Wunsch der deutschen Militärs gezeigt, wie die USA, Großbritannien oder Italien bewaffnete Drohnen anzuschaffen. Das Bundesverteidigungsministerium unter Führung Thomas de Maizières hatte Mitte letzten Jahres erklärt, die Anschaffung bewaffneter Drohnen solle geprüft werden. Wie es nun hieß, sollen solche Drohnen ab 2016 eingesetzt werden. Im Gespräch ist unter anderem der US-amerikanische Typ Predator, doch ist die Bundesregierung auf Dauer daran interessiert, "zusammen mit Frankreich eigene Drohnen zu entwickeln, die selbstverständlich auch bewaffnet sein können", so de Maizière. [1]

Probleme welcher Art auch immer kann der Minister dabei nicht erkennen: "Unbemannte, bewaffnete Luftfahrzeuge unterscheiden sich in der Wirkung nicht von bemannten. Immer entscheidet ein Mensch, eine Rakete abzuschießen", erklärte er kategorisch. Wer Krieg führen will, darf nicht zimperlich sein, meint offenbar auch der stellvertretende Sprecher des Verteidigungsministeriums, Christian Dienst. Kampfdrohnen stellten eine "Erweiterung im Fähigkeitsspektrum" dar. Ethische Bedenken teile er nicht. Schließlich würden "alle wesentlichen Entscheidungen von Menschen getroffen". Daher seien Drohnen und Flugzeuge "ethisch neutral". Ist erst einmal klargestellt, daß man keinen Fair-Play-Pokal, sondern Kriege gewinnen will, müssen nur noch die Bundesbürger auf Kurs gebracht werden: Der Minister lege "Wert darauf, dass ein gesellschaftlicher Diskurs stattfindet". Man befinde sich in einem Planungsprozeß, es gebe aber noch keine Vorfestlegung auf bestimmte Modelle, deutet der Ministeriumssprecher an, so daß man den "Diskurs" auf eine rege Beteiligung an der Modelldebatte beschränkt sehen möchte.

Ende September 2012 hatte auch der Wehrbeauftragte des Bundestages, Hellmut Königshaus (FDP), die Nutzung bewaffneter Drohnen bei Auslandseinsätzen durch die Bundeswehr gefordert: "Hätten unsere Soldaten bewaffnete Drohnen zur Verfügung, müssten sie nicht mehr hilflos zuschauen, wenn unsere eigenen Leute bedroht werden. Sie könnten dann eingreifen und den Gegner vertreiben, ohne Leben und Gesundheit eigener Kräfte zu gefährden." Diese klare Unterscheidung zwischen deutschen Leben und dem Leben des Feindes, noch dazu in Selbstverteidigung der Bundeswehr am Hindukusch, ist kein Meisterwerk der Propaganda, doch schlimmer noch ist die banale bellizistische Alltagsrhetorik, an die Königshaus dieser Tage treuherzig anknüpft, wenn er versichert: "Es geht ausdrücklich nicht darum, gezielte Tötungen zu ermöglichen: Das ist nicht beabsichtigt". Ein solcher Einsatz würde "allen Einsatzregeln und Vorgaben widersprechen, die bei der Bundeswehr in Afghanistan und in anderen Auslandseinsätzen gelten." Daß sich die Deutschen selbst im Krieg streng an Regeln halten, die sie auf kleinen Kärtchen in der Uniformtasche mit sich führen, sollte doch zumindest geeignet sein, bockige Landsleute an der Heimatfront wieder in Reih und Glied zu treiben.

Ein Waffengang aus der Ferne reizt natürlich auch die Bundeswehr, sind doch heimkehrende Leichensäcke noch immer das schlagendste Argument gegen deutsche Kriegsbeteiligung. So nimmt nicht wunder, daß auch der Vorsitzende des Deutschen Bundeswehrverbands, Ulrich Kirsch, das Vorhaben der Regierung unterstützt: Kampfdrohnen seien unbemannt, das sei ein großer Vorteil, erklärte er eifrig im Deutschlandfunk. "Und jede Soldatin, jeder Soldat, der nicht unmittelbar im Gefecht stehen muss, ist natürlich wünschenswert." [2]

Feuer und Flamme ist Bayerns Wirtschaftsminister Martin Zeil, der eine saftige Chance für heimische Wertarbeit wittert: "Wenn man sich zu einem solchen Fluggerät entschließt, dann sollte es mit deutscher, mit bayerischer Kompetenz entwickelt werden." In Afghanistan setzt die Bundeswehr bislang unbemannte Flugzeuge aus israelischer Produktion ein. Es dürfe nicht sein, daß Deutschland "eine solch strategische Waffe im Ausland einkauft", verliert der Freidemokrat - Krieg hin oder her - nie den Blick fürs Geschäftliche. Die FDP-Fraktion im Bundestag will aber der Anschaffung und dem Einsatz der Kampfdrohnen nach Angaben ihrer sicherheitspolitischen Sprecherin nur unter Auflagen zustimmen. "Bevor wir bewaffnete Drohnen beschaffen, brauchen wir eine klare sicherheitspolitische Begründung für den Einsatz", erklärte Elke Hoff, allerdings ohne jeden Anflug von Ironie.

Was die Sozialdemokraten betrifft, hatte sich ihr verteidigungspolitischer Sprecher im Bundestag, Rainer Arnold, bereits 2012 dafür ausgesprochen: "Das ist ein Waffensystem, dem die Zukunft gehört. ... Auf längere Sicht wird an der Anschaffung von bewaffneten Drohnen kein Weg vorbeigehen." Da die SPD aber die Oppositionsbank drückt, muß sie natürlich für Bürgers Ohr und Auge den Eindruck erwecken, sie hege schwerwiegende Bedenken angesichts einer allzu kriegslüstern-leichtfertigen Bundesregierung. Arnold mahnte daher, neue Technologien und teure Projekte in der Luft- und Raumfahrt müßten europäisch mit den wichtigen Partnern abgestimmt, entwickelt und beschafft werden: "Ich will, dass die europäische Rüstungswirtschaft selbst die Fähigkeit zum Bau von Drohnen hat", betonte der SPD-Politiker. "Weil keine Eile besteht, können wir in aller Ruhe diesen Weg gehen". Ein klares Wort für den deutschen Drohnenkrieg, der überdies unabhängig von US-Produkten möglich werden soll. Im übrigen sei die Debatte um den Einsatz von Kampfdrohnen politisch und ethisch noch überhaupt nicht abgeschlossen, und die sollte man zunächst einmal seriös führen, so Arnold. Die Bundesregierung sei gut beraten, solche kostspieligen Entscheidungen nicht im Sommer, kurz vor der Bundestagswahl zu fällen.

Ob Arnold dabei an die Zeit nach der Wahl gedacht hat, für die sich die SPD trotz Steinbrück noch immer Hoffnung auf eine Rückkehr an den Kabinettstisch macht? Der potentielle Koalitionspartner führt unterdessen vor, wie man den Fischer-Schröder-Pakt, der deutsche Angriffskriege wieder salonfähig gemacht hat, ohne mit der Wimper zu zucken vergessen macht und die friedliebende Stirn in täuschend echte Sorgenfalten legt: "Die Pläne der Bundesregierung zur Beschaffung bewaffneter Drohnen zeugen von einem blinden, verantwortungslosen Umgang mit militärtechnologischem Fortschritt. Wir lehnen diese Pläne ab", verkündete Grünen-Fraktionschef Jürgen Trittin. Der Einsatz bewaffneter Drohnen "senkt die Schwelle für den Einsatz militärischer Mittel und führt damit zu einer weiteren Entgrenzung militärischer Gewalt". [3]

Der Grünen-Verteidigungspolitiker Omid Nouripour warnte vor einer "leichtfertigen" Anschaffung bewaffneter Drohnen. Es sei "denkbar, dass die Hemmschwelle zu töten und zur Kriegsführung gesenkt wird. Das wäre eine fatale Entwicklung." Ähnlich äußerte sich der Grünen-Verteidigungsexperte und ehemalige UN-Sondergesandte für Afghanistan Tom Koenigs, der zudem bewaffnete Drohnen für völkerrechtlich bedenklich hält.

Sind die Grünen also gegen den Drohnenkrieg, am Ende gar gegen deutsche Angriffskriege an und für sich? Mitnichten, verbinden sie doch sattsam bekannte Einwände gegen den Einsatz bewaffneter Drohnen mit einer Hintertür: "Eine Beschaffung bewaffneter Drohnen kann - wenn überhaupt - erst nach Klärung der völkerrechtlichen und ethischen Fragen erfolgen. Die Bundesregierung drückt sich davor. Wir fordern sie auf, sich für völkerrechtlich verbindliche Regeln für den Einsatz unbemannter Systeme einzusetzen und eine rüstungskontrollpolitische Bestandsaufnahme vorzunehmen, statt in den Drohnenkrieg einzusteigen", so Trittin. Die Grünen wollen auch künftig Kriege führen, doch bitte auf völkerrechtlich und ethisch geklärter Grundlage. Ein Legalismus läßt grüßen, der die Beteiligung am Drohnenkrieg auch ohne die obligatorischen Bauchschmerzen friedensbewegter Kriegstreiber möglich machen soll.

Fußnoten:

[1] http://www.zeit.de/politik/deutschland/2013-01/kampfdrohnen-de-maiziere/seite-2

[2] http://www.stuttgarter-zeitung.de/inhalt.bundeswehr-streit-um-bewaffnete-drohnen-zustimmung-und-kritik.cc2ed189-cae6-4951-8005-51c83ae338e4.html

[3] http://www.spiegel.de/politik/deutschland/bundeswehr-trittin-lehnt-kauf-von-kampfdrohnen-ab-a-879680.html

27. Januar 2013