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KRIEG/1604: Bruchlandung des Euro Hawk - Deutscher Drohnenkrieg aufgeschoben (SB)




Die Drohne Euro Hawk ist für die Bundeswehr gestorben. Das hört sich erfreulich an, hat doch der Drang, die eigene Bevölkerung auszuspionieren und in aller Welt Kriege zu führen, zumindest befristet einen Dämpfer erfahren. Lange vorhalten dürfte der aber kaum, da sich die Einwände nicht gegen das Großprojekt an sich, sondern dessen Handhabung richten, weshalb man es mit einer verkappten Befürwortung des Drohneneinsatzes zu tun hat. Man wirft Bundesverteidigungsminister Thomas de Maizière keineswegs vor, das Drohnenprogramm zu forcieren, sondern legt ihm lediglich eine fragwürdige Informationspolitik zur Last. Es geht wie so oft im parteipolitischen Wahlkampfzirkus um angebliche Skandale, die besser als vieles andere geeignet sind, grundsätzliche Diskussionen um die einvernehmliche Militarisierung der deutschen Innen- und Außenpolitik auszublenden.

Daß die Einführung des Euro Hawk an der Zulassung im deutschen und europäischen Luftraum gescheitert ist, weil die Riesendrohne keinen Kollisionsschutz besitzt und daher mit anderen Flugzeugen im zivilen Luftraum zusammenstoßen könnte, entbehrt nicht einer gewissen Ironie. Leider droht nun vollends in Vergessenheit zu geraten, was dieses unbemannte Fluggerät alles machen kann und nach dem Willen seiner Beschaffer auch sollte. Mit einer Spannweite von 40 Metern und einer Reichweite von fast 23.000 Kilometern kann diese Maschine oberhalb des zivilen Luftverkehrs fliegen und mehr als 30 Stunden in der Luft bleiben, was bis Afghanistan und zurück reichen würde. Während Reichweite, maximale Flugdauer und Radarerfassung die Drohne als militärische Option zur Aufklärung an fernen Schauplätzen ausweisen, ist sie dank der von der europäischen Rüstungsfirma Cassidian entwickelten Sensoren für die elektronische Signalaufklärung auch vorzüglich zur Erfassung von Telefongesprächen und Radio- oder Fernsehsendungen und damit der innereuropäischen und innerdeutschen Überwachung geeignet. Mit dem Euro Hawk wollte die Bundeswehr ein Gerät anschaffen, das so hoch am Himmel fliegt, daß es das bloße Auge nicht erkennt, und zugleich so nah ist, als lausche sein Ohr an der Tür. [1]

Der Riesenvogel als Durchgangsstation für all das, was in den Zentralen des Überwachungsregimes für zugriffswertig erachtet wird, war so verlockend, daß man es mit lästigen Details nicht so genau nahm. Der Bundeswehr waren die Zulassungsprobleme seit mindestens neun Jahren bekannt. Schon 2004 und damit drei Jahre vor Vertragsabschluß wiesen Flugsicherung, Industrie und Bundeswehr-Zulassungsstelle auf den fehlenden Kollisionsschutz hin. Bei der Überführung der Drohne von Kalifornien nach Bayern im Juli 2011, den die Luftwaffe als "Meilenstein der Luftaufklärung" feierte, ging zweimal für etwa zehn Minuten der Satellitenkontakt zur Drohne verloren, die daraufhin von ihrem programmierten Kurs abkam. Diese Zwischenfälle wurden am Rande von Fachtagungen erörtert, der Öffentlichkeit aber verschwiegen. [2] De Maizière entschied sich trotz der Probleme bei der Zulassung im November 2011 für die Fortsetzung des Programms, und als der Bundesrechnungshof damals Aufklärung verlangte, bekam er Verträge und Berichte zugesandt, die unter Verweis auf eine Geheimhaltungsklausel mit der US-Industrie an entscheidenden Stellen geschwärzt waren. [3] Da die notwendige Aufrüstung 500 bis 600 Millionen Euro verschlingen würde, hat der Verteidigungsminister die Reißleine gezogen und mit dem Euro Hawk rund 1,3 Milliarden Euro in den Sand gesetzt. Beschlossen wurde der Kauf der Drohnen übrigens im Jahr 2007, also zu Zeiten der Großen Koalition, zumal auch die Sozialdemokraten den Spionagevogel unbedingt anschaffen wollten.

De Maizière ist gerade dabei, den auf Hochtouren laufenden Umbau der Bundeswehr mit der Anschaffung von Kampfdrohnen zu verknüpfen, wofür er Politik und Gesellschaft eine Debatte über den Kauf solcher Drohnen aufnötigt. Deshalb ist es für die Bundesregierung um so wichtiger, die Kontroverse um den Euro Hawk einzudämmen. Bisher verfügt die Truppe lediglich über unbewaffnete Drohnen mittlerer Flughöhe und langer Reichweite vom Typ Heron 1, die geleast sind und im Afghanistankrieg eingesetzt werden. Das Verteidigungsministerium will laut einer Kabinettsvorlage insgesamt 16 Drohnen beschaffen, "die konstruktiv für mittlere Flughöhen und große Reichweiten ausgelegt sind". "Die Möglichkeit einer optionalen Fähigkeit zur Wirkung aus der Luft soll einbezogen werden", heißt es weiter, womit von Drohnen ausgeführte Luftangriffe gemeint sind. [4]

Zur Auswahl stehen die Modelle Predator B von General Atomics aus den USA und Heron TP von Israel Aerospace Industries, ein weiterentwickeltes Modell von Heron 1. Die US-Drohne genießt in der deutschen Öffentlichkeit einen schlechten Ruf, weil die CIA damit in Afghanistan, Pakistan, Jemen und Somalia angebliche Terroristen liquidiert und dabei eine noch größere Zahl unbeteiligter Zivilisten ermordet. Daher sprechen nicht zuletzt ideologische Gründe für das Modell Heron TP, zumal die Bundeswehr bereits mit der israelischen Technik vertraut ist und Piloten an Heron 1 in Israel ausgebildet wurden. Für die Opfer der bewaffneten Drohnen in Händen der Bundeswehr wird das keinen Unterschied machen, wohl aber für die Rechtfertigung an der Heimatfront.

Angesichts der Brisanz dieser Anschaffung, die eine weitere Schwelle deutscher Kriegsführung überschreiten soll, will die Bundesregierung die Vorlage nicht mehr in der laufenden Legislaturperiode an die zuständigen Gremien des Bundestages richten. Aufgeschoben ist natürlich nicht aufgehoben, hatten sich doch Regierung und Opposition mit Ausnahme der Linkspartei bereits im letzten Jahr offen für den Wunsch der deutschen Militärs gezeigt, wie die USA, Großbritannien oder Italien bewaffnete Drohnen anzuschaffen. "Hätten unsere Soldaten bewaffnete Drohnen zur Verfügung, müssten sie nicht mehr hilflos zuschauen, wenn unsere eigenen Leute bedroht werden. Sie könnten dann eingreifen und den Gegner vertreiben, ohne Leben und Gesundheit eigener Kräfte zu gefährden", so der Wehrbeauftragte des Bundestages, Hellmut Königshaus (FDP), Ende September 2012. "Das ist ein Waffensystem, dem die Zukunft gehört. ... Auf längere Sicht wird an der Anschaffung von bewaffneten Drohnen kein Weg vorbeigehen", erklärte Rainer Arnold, verteidigungspolitischer Sprecher der SPD. "Eine Beschaffung bewaffneter Drohnen kann - wenn überhaupt - erst nach Klärung der völkerrechtlichen und ethischen Fragen erfolgen", sprach sich Grünen-Fraktionschef Jürgen Trittin für eine weitere Verrechtlichung deutscher Kriegsführung aus. [5]

Solcher Rückendeckung gewiß, verkündete der Verteidigungsminister forsch: "Unbemannte, bewaffnete Luftfahrzeuge unterscheiden sich in der Wirkung nicht von bemannten. Immer entscheidet ein Mensch, eine Rakete abzuschießen." Auch der stellvertretende Sprecher des Ministeriums, Christian Dienst, vermochte keine ethischen Bedenken zu erkennen, schließlich würden "alle wesentlichen Entscheidungen von Menschen getroffen". Daher seien Drohnen und Flugzeuge "ethisch neutral". In solche Fettnäpfe werden Thomas de Maizière und seine Chargen vorerst wohl nicht mehr treten, ist nach der Bruchlandung des Projekts Euro Hawk doch wohl Zurückhaltung angesagt. Der Minister will den Bundestag in der nächsten regulären Sitzung am 5. Juni über die Entscheidungsprozesse informieren, wofür eine Arbeitsgruppe eingerichtet wurde, die das Drohnenprojekt chronologisch von Beginn der Konzeptionsphase 2001 an aufarbeiten soll. Man darf wohl vermuten, daß dabei auch die Schuldzuweisungen so verteilt werden, daß niemand das Boot zum Kentern bringt, in dem alle sitzen.

Fußnoten:

[1] http://www.schattenblick.de/infopool/politik/redakt/milt-839.html

[2] http://www.dradio.de/aktuell/2112792/

[3] http://www.welt.de/politik/deutschland/article116328916/De-Maiziere-steht-wegen-Euro-Hawk-unter-Druck.html

[4] http://www.zeit.de/politik/deutschland/2013-05/bundesregierung-drohnen-kauf-2016/seite-2

[5] http://www.schattenblick.de/infopool/politik/kommen/volk1591.html

19. Mai 2013