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KRIEG/1713: Airbus - waffeninnovativ ... (SB)



Dies war der erste reale Test in Europa, der operative Anwendbarkeiten von solchen Drohnen-Schwärmen für die Luftwaffe demonstrierte - und es ist super gelaufen, ein voller Erfolg.
Thomas Gottmann (Projektleiter bei Airbus Defence) [1]

Die deutsche Bevölkerung kann dem Drohnenkrieg nicht viel abgewinnen, da sie ihn für feige und hinterhältig hält wie auch um die zahllosen zivilen Opfer solcher Angriffe weiß. Wenngleich man keineswegs von einer grundsätzlichen und umfassenden Kritik an der Kriegsführung oder an Kampfeinsätzen der Bundeswehr sprechen kann, wiegen diese in Teilen emotionalen Vorbehalte in ihrer Wirkung auf die Parteipolitik doch oftmals schwerer als viele Verweise auf Ethik und Völkerrecht. Wie es dazu kommt, daß sich die Bundesbürgerinnen und -bürger zwar in ihrer breiten Mehrheit dafür einspannen lassen, ihr Wohlergehen mit militärischen Mitteln in aller Welt durchzusetzen, doch in der Drohnenfrage zur Widerborstigkeit neigen, bedürfte noch einer näheren Klärung. Jedenfalls sehen sich die Parteien veranlaßt, in dieser Frage nicht den Elefanten im Porzellanladen abzugeben und der Aufrüstungslogik, daß dies unvermeidlich der Krieg der Zukunft sei und wir unbedingt mithalten müssen, um nicht abgehängt zu werden, mitunter Zügel anzulegen.

So haben Union und SPD erst nach jahrelangen Auseinandersetzungen im Bundestag im Juni den Weg für die Beschaffung von Kampfdrohnen freigemacht. Die Abgeordneten des Haushaltsausschusses beschlossen die Anmietung israelischer Kampfdrohnen des Typs "Heron TP" für fast eine Milliarde Euro, womit die Luftwaffe erstmals unbemannte Fluggeräte erhielt, die auch Waffen tragen können. Über die Bewaffnung selbst soll jedoch nach Verabredung im Koalitionsvertrag erst "nach ausführlicher völkerrechtlicher, verfassungsrechtlicher und ethischer Würdigung" gesondert entschieden werden.

Daß die Bundeswehr seit Jahrzehnten über unbewaffnete Aufklärungsdrohnen verfügt und sie unter anderem im Kosovo- und Afghanistankrieg eingesetzt hat, scheint demgegenüber unter dem Radarschirm öffentlicher Aufmerksamkeit zu navigieren. Daraus mag die taktische Marschroute der Bundesregierung resultieren, die bittere Medizin portionsweise zu verabreichen und heute die Drohnen zu leasen, aber erst morgen über ihre Bewaffnung zu reden. Eine ähnliche Vorgehensweise zeichnet sich bei der Entwicklung eines drohnengestützten Systems für den Luftkrieg ab, das dieser Tage über der Ostsee einem Test in der Entwicklungsphase unterzogen wurde.

Bei einer Leistungsschau von Airbus Defence and Space, dem militärischen Zweig des Flugzeugbauers, wurde an der Ostseeküste die Begleitung von Kampfflugzeugen durch unbemanntes Fluggerät getestet. Die als Schwarm eingesetzten Drohnen sollen später die Besatzung der Flugzeuge unterstützen, indem sie aufklären, gegnerisches Radar und Kommunikation stören und auch selbst Ziele bekämpfen, sofern sie bewaffnet werden, was möglich, aber vorerst noch politisch umstritten ist. Ingenieure bei Airbus arbeiten seit 18 Jahren an Drohnen, bis zum Jahr 2025 soll ein Drohnen-Begleitsystem für Kampfflugzeuge entwickelt und einsatzbereit sein.

Gleich Flottenverbänden zur See mit differenzierten und einander ergänzenden militärischen Komponenten soll künftig auch der Luftkrieg mittels Drohnenschwärmen weiter aufgerüstet und noch effizienter in Stellung gebracht werden. Als Vorteile werden ein geringerer Bedarf an Piloten und deren erhöhter Schutz angeführt, während die Komplexität des Systems bislang noch als möglicher Nachteil zu Buche schlägt. Wie so oft bei ambitionierten Rüstungsprojekten greifen die Ansprüche und Versprechen der Entwickler und Hersteller im Verbund mit den Wünschen der Militärs weit über den aktuell realisierbaren Stand hinaus und stellen in Aussicht, daß in der künftigen Kriegsführung sogar mehrere Drohnenschwärme mit je einem Jet vernetzt agieren können.

Noch handelte es sich bei dem Test um militärische Forschung, die im Beisein von Militärs der Bundeswehr, aus Frankreich und Spanien zunächst per Powerpoint und anschließend auf den Bildschirmen als Computerdarstellung präsentiert wurde. Da sich das Geschehen draußen über der Ostsee abspielte und wegen der grauen Wolkendecke am Himmel von dem Szenario praktisch nichts zu sehen war, wurde der als voller Erfolg bezeichnete erste reale Test dieser Art in Europa im Saal verfolgt und gefeiert.

Auf dem Militärflugplatz Hohn bei Rendsburg hob ein Learjet ab, der mit dem kompletten Cockpit eines Tornado-Kampfflugzeugs ausgestattet und mit Elektronik vollgepackt war. Etwa 70 Kilometer entfernt starteten auf dem Truppenübungsplatz Todendorf direkt an der Ostsee im Kreis Ostholstein einige Minuten später von Katapulten aus eine Video-Drohne für die Dokumentation und fünf Einsatzdrohnen. Diese sind rund drei Meter lang, haben eine Spannweite von etwa 3,50 Metern, wiegen 150 Kilogramm und fliegen 360 km/h schnell. Künftige Drohnen sollen bis zu zwei Tonnen schwer sein, dann auch von Schiffen starten oder von Begleitflugzeugen ausgesetzt werden und fast Überschall fliegen können. Der Pilot soll den Kurs und die jeweiligen Funktionen der Drohnen beeinflussen können, die in der Regel als eine Art Frühwarnsystem vor dem Flugzeug fliegen.

In dem Seegebiet, das die Bundeswehr sonst für Schießübungen nutzt, war der Flug- und Schiffsverkehr gesperrt. Die fünf Drohnen sammelten sich zu einer "Mission Group", gingen zum Formationsflug über, sondierten das weite Vorfeld des Jets, um Bedrohungen frühzeitig zu erkennen, und simulierten den Abschuß einer Drohne, worauf eine andere deren Aufgaben übernahm. Nach gelungener Operation, die etwas über eine Stunde gedauert hatte, landeten alle Drohnen an orangefarbenen Fallschirmen auf dem Truppenübungsplatz, während der Learjet zurück nach Holm flog.

Wie Florian Taitsch, Sprecher von Airbus Defence and Space, erläuterte, erforsche man die Einsatzmöglichkeiten von unbemannten Drohnen für eine moderne Luftkampfstrategie der Zukunft. Die amerikanischen Streitkräfte seien in diesem Bereich bereits recht weit, aber auch die Chinesen und Russen dürften entsprechend forschen. Die Bundeswehr wird ihre Tornados voraussichtlich 2025 außer Dienst stellen. Ob zusätzliche Eurofighter deren Funktionen übernehmen, ein amerikanisches Flugzeug gekauft wird oder die Wahl auf ein neues europäisches Kampfflugzeug fällt, ist offen. Die Flugzeugbauer Airbus und Dassault haben eine deutsch-französische Kooperation vereinbart. "Wir wollen strategische Autonomie für Europa", sagte Dassault-Chef Eric Trappier im April auf der Luftfahrtausstellung ILA in Berlin. Die Drohnenschwärme könnten in jedem Fall Verwendung finden, wenn dies von den Militärs gewollt werde, erklärte Taisch. [2]

Am fehlenden Willen der militärischen Führung dürfte die Anschaffung und Anwendung dieses Systems nicht scheitern. Eher schon könnten Probleme bei der technischen Realisierung oder günstigere Alternativen dazu führen, daß Airbus Defence and Space nicht zum Zuge kommt. Ganz von der Hand weisen solle man natürlich auch die Möglichkeit nicht, daß der Drohnenkrieg auch 2025 noch ein Thema ist, über das sich streiten läßt.


Fußnoten:

[1] www.welt.de/wirtschaft/article181769078/Airbus-testet-neue-Drohnen-ueber-der-Ostsee.html

[2] www.heise.de/newsticker/meldung/Luftkampftechnik-Airbus-testet-Drohnenschwarm-ueber-der-Ostsee-4181676.html

5. Oktober 2018


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