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KRIEG/1787: KSK - aus Scheiße Bonbons drehen ... (SB)



Ich meine nicht zu übertreiben mit der Feststellung, dass unser Verband derzeit die schwierigste Phase seiner Geschichte erlebt. (...) Inmitten unserer Gemeinschaft befanden und befinden sich offensichtlich noch immer Individuen, die dem sogenannten rechten Spektrum zuzuordnen sind.
Markus Kreitmayr (Brigadegeneral und KSK-Kommandeur) [1]

Der Waffenfund auf dem Grundstück eines rechtsextremen Elitesoldaten des Kommandos Spezialkräfte (KSK) der Bundeswehr ist ein Schlag ins Kontor des deutschen Militarismus. In höchste Aufregung versetzt, gehen Politik und Streitkräfte umgehend daran, nicht nur Schadensbegrenzung zu betreiben, sondern die mißliche Affäre beim Schopf zu packen und zu einem Befreiungsschlag auszuholen. Von nun an wird rückhaltlos Selbstkritik geübt, aufgeräumt und ausgemistet, so daß wie ein Phönix aus der Asche eine rundum saubere KSK wie auch eine unanfechtbar demokratische Parlamentsarmee wiederaufersteht. Es gibt noch so viel aufzurüsten, aufzumarschieren und Krieg zu führen, wofür eine ungebrochene Zustimmung der deutschen Bevölkerung die halbe Miete ist. Sie soll nicht nur duldsam die Lasten ertragen und die Truppe gleichgültig ihr Werk verrichten lassen, sondern "unseren" Soldatinnen und Soldaten emphatisch den Rücken stärken, die den verdienten Wohlstand der Bundesrepublik in aller Welt gegen finstere Machenschaften und neiderfüllte Hungerleider verteidigen.

Wurde bislang stets beteuert, daß es weder eine Geheimarmee noch rechtsradikale Netzwerke in der Bundeswehr gebe, die sich auf den Tag des Umsturzes vorbereiten, so nötigt die Häufung entsprechender Vorkommnisse doch das Eingeständnis ab, daß längst nicht mehr von Einzelfällen die Rede sein könne. Man darf also gespannt sein, wie die angeblichen schwarzen Schafe nicht nur entlarvt und ausgeschieden, sondern auch unter eine noch zu kreierende Sprachregelung subsumiert werden. Die politische Neutralität der deutschen Streitkräfte ist im Dienste der Staatsräson ein zu hohes Gut, als daß man den ideologischen Flankenschutz schleifen ließe. Schließlich hat es enorme Mühe gekostet, den Krieg, der nie wieder von deutschem Boden ausgehen dürfe, in eine legitime Intervention zu verwandeln, die der Humanität zur Durchsetzung verhilft und nebenbei auch noch den Segnungen deutscher Wirtschaftskraft allerorten Nachdruck verleiht.

Was nun das KSK betrifft, so dürfen diese Spezialkräfte wie auch das übrige deutsche Militär grundsätzlich nicht ohne Zustimmung des Deutschen Bundestages an bewaffneten Einsätzen im Ausland teilnehmen. Die einzige Ausnahme ist Gefahr im Verzug für deutsche Staatsbürger, wobei in diesem Fall das Parlament so schnell wie möglich nachträglich zu befragen ist. Da es die Bundesregierung jedoch selbst nach abgeschlossenen KSK-Einsätzen ablehnt, zu deren Ablauf und zu Erfolgen oder Verlusten Stellung zu nehmen, steht das in krassem Widerspruch zur Parlamentsarmee. Folglich wird das KSK in der Gesellschaft als ausgewiesene Elitetruppe wahrgenommen, die geheime Einsätze im Verborgenen und ohne jegliche Kontrolle ausführt. Eine solche Geheimhaltungspraxis entspricht nicht der politischen Kultur der Bundesrepublik, in der staatliches Handeln angeblich öffentlich ist. Dem Vertrauen der Öffentlichkeit in ein rechtmäßiges Handeln der Truppe ist dieser Widerspruch nicht gerade förderlich.

Was treibt das KSK im Auslandseinsatz? Der Untersuchungsausschuß zur Kurnaz-Affäre hat dem Verdacht reichlich Nahrung gegeben, daß die deutschen Spezialkräfte ähnlich oder identisch wie die Eliteeinheiten anderer Staaten vorgehen. Aus Afghanistan ist dokumentiert, daß US-Soldaten ganze Dörfer plattmachen, plündern, foltern und morden. Nach offizieller Version haben KSK-Soldaten nur wenige Gefangene gemacht und sie wieder laufen lassen. Indessen beklagen ehemalige KSK-Offiziere eine angebliche Grauzone, da man Verdächtige an die Amerikaner übergeben habe, die sie dann hingerichtet hätten. Das häufig kolportierte Szenario, wonach das KSK bei internationalen Einsätzen nur die zweite Geige spiele, da ihm rechtlich die Hände gebunden seien, ruft erhebliche Zweifel an der Stichhaltigkeit dieser Version auf den Plan.

Wenngleich sich daher die Bundeswehr bemüht, den elitären Charakter des KSK zu relativieren, fällt es doch eher schwer, diese Truppe mit dem Leitbild des Staatsbürgers in Uniform zu vereinbaren. Zwar betonen die Streitkräfte allenthalben, daß es für das KSK keine besonderen rechtlichen Einsatzgrundlagen gebe und es aus diesem Grund auch allen anderen Bundeswehreinheiten gleichgestellt sei. Doch das Argument, bei einer Güterabwägung habe die Operationssicherheit absoluten Vorrang vor dem Recht auf Information der Öffentlichkeit, nährt gravierende Zweifel an der Legitimität der KSK-Einsätze und legt den Schluß nahe, daß sie gerade deswegen geheimgehalten werden.

Was hatte der 45jährige KSK-Oberstabsfeldwebel Phillip Sch. in seinem Privathaus und Garten versteckt, welche die Ermittler des LKA Sachsen Mitte Mai drei Tage lang auch mit Hilfe eines Baggers durchsuchten? Wesentlich mehr, als in ersten Meldungen über die Razzia berichtet wurde. Auf dem Grundstück in dem Dorf Collm in Nordsachsen fand sich laut einem vertraulichen Papier, das Staatssekretär Peter Tauber Verteidigungspolitikern im Bundestag überstellt hat, folgende detaillierte Asservatenliste: Rund 20 Sprengzünder (Typ "Shocktube"), zwei Kilogramm Sprengstoff, aufgeteilt in vier Blöcke zu je 500 Gramm, und drei Sprengfolien. Zudem rund zehn Irritationskörper und genauso viele Signalpatronen, dazu Zünder für Übungshandgranaten. Sichergestellt wurden darüber hinaus mehrere Schußwaffen, darunter ein Sturmgewehr Kalaschnikow mit Magazin. Ferner eine Schreckschußwaffe, zwei Luftdruckwaffen und mehrere Tausend Stück Gewehr- und Pistolenmunition sowie eine Armbrust, ein Schlagstock, zwei Messer und einen Sportbogen. Auch wurden NS-Devotionalien sowie Festplatten und Handys sichergestellt. [2]

Aufgrund dieser Funde ist der KSK-Soldat dringend tatverdächtig, gegen Waffen- und Sprengstoffgesetze sowie gegen das Kriegswaffenkontrollgesetz verstoßen zu haben. Er wurde am Tag der Durchsuchung in der KSK-Kaserne in Calw festgenommen und sitzt seitdem in Untersuchungshaft. Im Verteidigungsministerium werden die auf den sichergestellten Asservaten gefundenen Losnummern abgeglichen, um aufzuklären, woher die Kampfmittel stammen. Der Umfang der gefundenen Waffen und Waffenteile spricht dafür, daß Philipp Sch. bei der Beschaffung Hilfe gehabt haben könnte. Bei der Ausgabe von Bundeswehrmunition herrscht in der Regel ein striktes Vier- oder gar Sechs-Augen-Prinzip. Wer Tausende Schuß aus offiziellen Beständen abgezweigt hat, könnte daher zumindest Mitwisser haben. Zu welchem Zweck der Elitesoldat die Waffen und Sprengstoffe gehortet hat, bedarf noch des Nachweises. Allerdings legt seine Gesinnung Pläne nahe, wie sie in rechtsextremen Zirkeln und Strömungen kursieren.

Nach Angaben des Militärischen Abschirmdienstes (MAD) stand der beschuldigte Soldat schon seit längerem auf einer Liste von rechtsextremistischen Verdachtsfällen. Daß im rund 1000 Soldaten umfassenden KSK derzeit 20 derartige Verdachtsfälle gelistet werden, zeugt von einer ungewöhnlich hohen Quote in der weitgehend abgeschotteten Elitetruppe. Die meisten verdächtigten Soldaten stammen offenbar aus der gleichen Kompanie zur Befreiung von Geiseln im Ausland.

Der Brigadegeneral und KSK-Kommandeur Markus Kreitmayr hat bereits am 18. Mai und damit unmittelbar nach dem Fund des Waffenverstecks in einem Schreiben an seine Soldaten reagiert. Darin verurteilt er rechtsextreme Tendenzen in scharfer Form und kündigt Konsequenzen an: "Ich meine nicht zu übertreiben mit der Feststellung, dass unser Verband derzeit die schwierigste Phase seiner Geschichte erlebt." Er spricht von einem "schockierenden Höhepunkt" und warnt: "Inmitten unserer Gemeinschaft befanden und befinden sich offensichtlich noch immer Individuen, die dem sogenannten rechten Spektrum zuzuordnen sind." Extremisten würden entfernt, sollten aber auch aus eigenem Antrieb gehen, so der Kommandeur.

Ungewöhnlich deutliche Töne schlägt auch die Personalvertretung des KSK an, wenn sie schreibt: "Auch wenn in der Vergangenheit des KSK sicherlich gravierende Fehler gemacht wurden, auch wenn manches aus falsch verstandener Kameradschaft möglicherweise toleriert wurde, so möchten wir Ihnen gemeinsam als Sprecher der Beteiligungsgremien des Verbandes zurufen: Das ist nicht das KSK! Das sind nicht wir!" Das Kommando stehe zur Bundesrepublik Deutschland und seiner freiheitlich-demokratischen Grundordnung und trete jedem, der diese ablehne oder nicht mittrage "entschlossen entgegen". Es gehe nun darum, "ein neues KSK, ein KSK der Zukunft, gemeinsam aufzubauen". [3]

Während die Elitetruppe von oben und unter her Läuterung signalisiert, um ihre Existenz nicht zu gefährden, legt sich auch die Verteidigungsministerin ins Zeug. Annegret Kramp-Karrenbauer hat eine hochkarätig besetzte Arbeitsgruppe installiert, der Generalinspekteur Eberhard Zorn, KSK-Kommandeur Markus Kreitmayr, die neue Wehrbeauftragte Eva Högl und Staatssekretär Gerd Hoofe angehören. Das Ministerium fährt also schweres Geschütz auf, um eine "Strukturanalyse" der Eliteeinheit durchzuführen und Schlußfolgerungen zu ziehen, wie rechtsextreme Tendenzen im KSK besser bekämpft werden können. Kramp-Karrenbauer macht Druck bei der Aufklärung, was auch daran deutlich wird, daß der Bericht der Arbeitsgruppe bereits Ende Juni und damit noch vor der Sommerpause dem Parlament vorgelegt werden soll. Zudem plant das Ministerium eine Gesetzesänderung, um Soldaten im Fall "schwerer Tatbestände" schneller fristlos entlassen zu können. Bisher war das nur bis zum Ablauf des vierten Dienstjahres möglich, künftig sollen fristlose Entlassungen bis zum Ende des achten Dienstjahrs erlaubt sein. [4]

Nicht so schnell Theaterdonner verschießen, doch dafür gründlicher nachforschen wollen die Geheimdienstkontrolleure des Bundestags. Der Bevollmächtigte des Gremiums, Arne Schlatmann, arbeitet bereits seit Ende 2018 als Sonderermittler an einem Bericht über rechtsextreme Netzwerke in der Bundeswehr, der bis zum Sommer vorliegen soll. Nun bezieht er auch die Erkenntnisse von MAD und Verfassungsschutz im aktuellen Fall ein. Soweit bekannt, erhielt der MAD im Januar einen ersten Hinweis, wonach Philipp Sch. zu Hause Munition horte. Anfang Februar informierte der Geheimdienst die Strafverfolgungsbehörden in Sachsen. Am 23. März erließ das Amtsgericht Dresden aufgrund der vom MAD gesammelten Hinweise einen Durchsuchungsbeschluß. Das LKA Sachsen plante in enger Abstimmung mit dem MAD die Razzia für Mitte Mai, die dann vom 13. bis 15. Mai durchgeführt wurde. Die Chronologie ist bemerkenswert, vergingen doch gut vier Monate vom ersten Tipp an den MAD bis zur Razzia. In all dieser Zeit hielt der MAD gegenüber den Kollegen vom Verfassungsschutz über die Operation dicht.

Die Affäre ist längst zum Politikum geworden, da das Ministerium dem MAD im Sommer 2019 nach immer neuen Fällen von rechtsextremen Soldaten aufgegeben hatte, umfassend mit dem Verfassungsschutz zu kooperieren und Informationen über Rechtsextreme auszutauschen. Damals wurde sogar der Verfassungsschützer Burkhard Even als Vizepräsident des MAD eingesetzt, um den engen Schulterschluß der beiden Behörden zu koordinieren. Nun versucht das Parlamentarische Kontrollgremium, Details aus der Kommunikation zwischen MAD und Verfassungsschutz bei den aktuellen Ermittlungen und den anderen KSK-Verdachtsfällen nachzuvollziehen. Sollte es zwischen den Diensten trotz der Reform im Sommer 2019 keine enge Verzahnung gegeben haben, könnte es auch für den Bundeswehrgeheimdienst ungemütlich werden, der sich bislang in der Rolle des Aufklärers präsentiert hat.


Fußnoten:

[1] www.tagesschau.de/inland/ksk-pruefung-rechtsextremismus-101.html

[2] www.welt.de/politik/deutschland/article208404103/Waffenfund-bei-KSK-Soldat-Sprengmittel-im-Garten.html

[3] www.n-tv.de/politik/AKK-bekaempft-Extremisten-in-Elitetruppe-article21808723.html

[4] www.spiegel.de/politik/deutschland/bundeswehr-annegret-kramp-karrenbauer-setzt-arbeitsgruppe-fuer-analyse-des-ksk-ein-a-10be8c83-86ab-44d4-8b85-6c395d9bb894

28. Mai 2020


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