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FLUCHT/010: Südsudan - Vom Heimkehrer- und Flüchtlingsstrom überrollt, Helfer schlagen Alarm (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 22. Mai 2012

Südsudan: Vom Heimkehrer- und Flüchtlingsstrom überrollt - Helfer schlagen Alarm

von Jared Ferrie

Rückkehr in eine ungewisse Zukunft - Bild: © Jared Ferrie/IPS

Rückkehr in eine ungewisse Zukunft
Bild: © Jared Ferrie/IPS

Juba, 22. Mai (IPS) - Die Rückkehr von vielen Tausend Heimkehrern aus dem Sudan und der durch den andauernden bewaffneten Konflikt im Grenzgebiet zwischen Sudan und Südsudan ausgelöste neue Flüchtlingsstrom bringen die kaum ein Jahr alte Nation Südsudan an ihre Belastungsgrenzen.

Nach 35 Jahren in der sudanesischen Hauptstadt Khartum beschloss Justin Sana Gonugu im vergangenen Jahr in seine inzwischen unabhängig gewordene alte Heimat Südsudan zurückkehren. Doch wie tausende seiner Landsleute kam er nur bis Kosti. Die Stadt im nordsudanesischen Bundesstaat White Nile liegt rund 270 Kilometer südlich von Khartum. Bis Juba, der Hauptstadt des Südsudans, sind es von hier aus noch etwa 930 Kilometer.

Die in Kosti gestrandeten Südsudanesen hatten gehofft, ihre Regierung und Hilfsorganisationen würden sie auf Frachtkähnen nilaufwärts Richtung Süden bringen. Doch diese Transportmöglichkeit reichte nur für einen kleinen Teil der Wartenden aus. Seitdem die andauernden Kämpfe um die umstrittenen Ölfelder in der Region Heglig die Sicherheitslage in der Region weiter verschärften, werden die 12.000 in Kosti festsitzenden Heimkehrer in den Süden ausgeflogen, wie Vincent Hourver, UN-Missionschef der Internationale Organisation für Migration (IOM) berichtet. Täglich erreichen 1.000 Menschen Juba.

Gonugu schaffte es an Bord des ersten Fliegers, der Kosti verließ. Glücklich erklärte er bei seiner Ankunft in Juba: "Nach einem entbehrungsreichen Jahr geht es mir jetzt wieder richtig gut."


Fast 400.000 Rückkehrer in acht Monaten

Seit Oktober vorigen Jahres sind etwa 375.000 Südsudanesen zurückgekehrt. Eine halbe Million ihrer Landsleute lebt weiterhin im Norden. Es wird damit gerechnet, dass sich wegen der seit Monaten andauernden Kämpfe im Grenzgebiet noch viele Menschen zur Rückkehr in den Süden entschließen, weil sie Schikanen von Seiten der Behörden im Norden befürchten. Sie bringen den Südsudan und seine ohnehin prekäre Versorgungslage in zusätzliche Schwierigkeiten.

Wegen Streitereien über angeblich unbezahlte Rechnungen und den Zugang zu sudanesischen Pipelines und Raffinerien drehte die südsudanesische Regierung dem Nachbarland Ende Januar den Ölhahn zu. Längst warnen Hilfsagenturen vor einer zunehmenden Wirtschaftskrise, die Lebensmittel- und Kraftstoffpreise in die Höhe treibt, so dass in diesem Jahr noch mehr Menschen als bisher auf Nahrungsmittelhilfe angewiesen sein werden. Als praktisch einzige Einnahmequelle des Staates machten die jetzt fehlenden Ölexporte 98 Prozent des südsudanesischen Haushalts aus.

Die fehlenden Petrodollar entwerten zunehmend Südsudans einheimische Währung. Der amtliche Kurs des südsudanesischen Pfund liegt zwar bei 2,95 pro US-Dollar, doch auf den Schwarzmarkt werden fünf Pfund pro Dollar verlangt.

Laut Lise Grande, Koordinatorin der UN-Hilfe für den Südsudan, hatten die UN die 2012 benötigte Hilfe für den jüngsten afrikanischen Staat auf 760 Millionen Dollar veranschlagt. Davon wurden bislang 32 Prozent ausgezahlt. Die jetzt erforderliche neue Kalkulation werde in wenigen Tagen vorliegen, kündigte sie an. In manchen Grenzgemeinden hätten sich die Verbrauchsgüter um bis zu 200 Prozent verteuert.

Da sich die Hälfte der 8,26 Millionen Südsudanesen nicht auf eine gesicherte Lebensmittelversorgung verlassen kann, wollte das Welternährungsprogramm WFP 2,7 Millionen Menschen mit Nahrungsmitteln versorgen. Diese Zahl wird zusammen mit den Lebensmittelpreisen immer weiter steigen.


Versorgungslage in der Grenzregion besonders schwierig

Besonders im Grenzgebiet zwischen dem Nord- und dem Südsudan wird die Versorgungslage immer schwieriger. Der von Khartum im Mai über die Region verhängte Ausnahmezustand hat den grenzüberschreitenden Handel weiter eingeschränkt. Helen McElhinney von der Hilfsorganisation 'Oxfam International', die die 37.000 Menschen im Jamam-Lager nahe der Grenze zum Sudan mit Wasser und sanitären Einrichtungen versorgt, berichtete: "Seit Januar ist der Dieselpreis um mehr als 100 Prozent gestiegen. Das stellt die Hilfsorganisationen vor immer schwierigere Aufgaben."

Die in Jamam untergebrachten Flüchtlinge kommen aus dem sudanesischen Bundesstaat Blue Nile und aus Süd-Kordofan. Hier haben Kämpfe zwischen der sudanesischen Armee und Rebellen mehr als 100.000 Einheimische über die Grenze nach Südsudan und Äthiopien vertrieben. "Viele sind traumatisiert, und immer mehr Kinder unterernährt", sagte Grande. "Die Menschen berichten, der Hunger habe sie in den Südsudan getrieben."

Mitte Mai hat eine Gruppe von Flüchtlingsorganisationen, darunter das 'International Rescue Committee' und 'Refugees International', in einer gemeinsamen Erklärung die Konfliktparteien aufgefordert, angesichts der sich verschlimmernden Versorgungslage die Kämpfe in Blue Nile und Süd-Kordofan einzustellen. Zudem sollten der Sudan und der Südsudan endlich Frieden schließen und sich daran machen, ihre marode Wirtschaft zu sanieren, verlangten die Helfer.

Jon Cunliffe, Südsudandirektor der Kinderhilfsorganisation 'Save the Children', warnte: "Für die Zivilbevölkerung beiderseits der Grenzen hat diese tödliche Mischung aus Konflikt und Preisanstieg bei Verbrauchsgütern verhängnisvolle Folgen." (Ende/IPS/mp/2012)


Links:
http://www.iom.int
http://www.oxfam.org
http://www.refugeesinternational.org
http://www.rescue.org
http://www.savethechildren.org/
http://ipsnews.net/news.asp?idnews=107832

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Quelle:
IPS-Tagesdienst vom 22. Mai 2012
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veröffentlicht im Schattenblick zum 23. Mai 2012