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INTERVENTION/020: Zentralafrikanische Republik - Unterfinanzierung von UN-Mission trübt Friedensaussicht (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH
IPS-Tagesdienst vom 4. Februar 2014

ZAR: Unterfinanzierung von UN-Mission trübt Friedensaussicht

von Matthew Newsome


Bild: © U.S. Army/Ryan Crane

Ruandische Soldaten am 19. Januar am Flughafen von Kigali. Sie unterstützen die Operationen französischer und afrikanischer Militärs im Kampf gegen Milizen in der Zentralafrikanischen Republik
Bild: © U.S. Army/Ryan Crane

Addis Abeba, 4. Februar (IPS) - In Anbetracht der schlechten finanziellen Ausstattung der Friedensmission in der Zentralafrikanischen Republik (ZAR) halten Experten eine Befriedung und Stabilisierung des Landes für unwahrscheinlich.

"Die zugesagten Mittel sind für eine Krise in diesem Ausmaß unzureichend", warnt Peter Pham, Leiter des Afrika-Zentrums des Atlantikrats, einem auf die US- und Europa-Politik spezialisierten Forschungsinstitut. Einige wenige Tausend Soldaten, so gut sie auch ausgebildet und ausgerüstet seien, könnten wohl kaum in einem Land, das größer als Frankreich sei, für Sicherheit sorgen.

Während die Friedenstruppen in der ZAR am 2. Februar die strategisch wichtige Stadt Sibut zurückerobern konnten, sagten die Geberstaaten der Friedensmission der Afrikanischen Union (AU) 315 Millionen US-Dollar zu. Doch Pham zufolge ist der Betrag viel zu niedrig, um die AU-Soldaten vernünftig auszurüsten und das Sicherheitsvakuum zu füllen, das bereits 2.000 Menschen das Leben kostete. "Die Unterfinanzierung ist auch der Grund dafür, warum die Truppen ihre Aktivitäten weitgehend auf die ZAR-Hauptstadt Bangui und ein bis zwei andere Städte beschränken. Die ländlichen Gebiete sind sicherheitstechnisch unterversorgt."

Im letzten Jahr löste der Putsch gegen Staatspräsident François Bozizé, einem Christen, Kämpfe zwischen den Anhängern der islamistischen Seleka-Rebellen und christlichen Milizen aus. In der Folge wurde ein Viertel der 4,6 Millionen Menschen zählenden Bevölkerung vertrieben und das gesamte Land in eine blutige Anarchie gestürzt.


Gefahr eines regionalen Flächenbrands

Die neuen Mittelzusagen sind ein äußerst bescheidener Beitrag zur Unterstützung der finanziell ausgezehrten Internationalen Unterstützungsmission für die Zentralafrikanische Republik (MISCA). Die von der AU geführte Mission besteht aus rund 5.500 Soldaten, die von 1.600 französischen Truppen unterstützt werden. Pham zufolge wird es einer finanziell klammen Friedensmission nicht gelingen, zu einer Deeskalation der Gewalt beizutragen, die im Hinterland um sich greift. Der Konflikt habe das Potenzial, sich zu einer regionalen Bedrohung auszuweiten.

Mit den 315 Millionen Dollar, wie sie die internationale Gemeinschaft einschließlich Japan, Norwegen und Luxemburg zugesagt hat, soll die Lücke zur Finanzierung der AU-Mission geschlossen werden. Für den MISCA-Einsatz 2014 sind 409 Millionen Dollar veranschlagt. Größter Beitragszahler ist die Zentralafrikanische Wirtschaftsgemeinschaft. Sie steuert 100 Millionen Dollar dazu.

Das Welternährungsprogramm (WFP) drängt die internationale Gemeinschaft zur Bereitstellung weiterer 95 Millionen Dollar an Lebensmittelhilfe. Die Europäische Union hat 61 Millionen Dollar zugesagt. Die Hälfte des Betrags ist für die MISCA vorgesehen. Die andere Hälfte soll für die baldige Organisation von Wahlen verwendet werden, die das Land auf den Pfad der Verfassungsrechtlichkeit zurückführen sollen. Die EU hat der MISCA zudem 600 Soldaten zugesagt.

Frankreich wäre es lieber, wenn die Vereinten Nationen die Friedensoperationen in der ZAR durchführen würden. Doch die AU beharrt darauf, dass die MISCA zumindest für die Dauer eines Jahres die Chance erhält, sich zu bewähren. Die Streitmacht setzt sich aus Soldaten der zentralafrikanischen Länder Burundi, Gabun, Ruanda, der Republik Kongo (Kongo-Brazzaville) und des Tschads zusammen.

Die Ernennung von Catherine Samba-Panza zur Interimspräsidentin hat Hoffnungen geschürt, dass die ZAR auf den politischen Weg zurückkehrt und das Gemetzel zwischen christlichen und muslimischen Milizen endet. Zuvor hatte die internationale Gemeinschaft den Rücktritt von Michael Djotodia, den die Seleka-Rebellen zum Nachfolger Bozizés gemacht hatten, und dessen Regierungschef erzwungen.

Laut Thierry Vircoulon, Konfliktforscher der 'International Crisis Group', hat die neue Übergangsregierung gegenüber der alten den Vorteil, dass sie kompetenter ist, in den Augen der Bevölkerung von Bangui eine größere Legitimität und den Rückhalt der afrikanischen und französischen Sicherheitskräfte sowie der Europäer besitzt.

Der frisch gewählte Interimsministerpräsident André Nzapayeke erklärte auf einem Gebertreffen im AU-Hauptquartier in der äthiopischen Hauptstadt Addis Abeba, dass sein Land einen "wirklichen Marshall-Plan" brauche. Zudem fügte er hinzu, dass man die Geberzusagen gerade in Zeiten der weltweiten Krise besonders zu schätzen wisse.


Dialog- und Versöhnungsanstrengungen gefordert

Um die politische Krise in der ZAR dauerhaft zu lösen, ist es nach Ansicht von Pham wichtig, einen zivilen Dialog- und Versöhnungsprozess anzuschieben, die Gewaltorgie zu beenden und die Friedenstruppen mit mehr Mitteln und Ausrüstung zu stärken.

"Die unkoordinierte und atavistische Gewalt, wie wir sie derzeit in der ZAR erleben, lässt sich nicht allein mit militärischen Mitteln lösen, da sich in dem Konflikt weitgehend Zivilisten feindlich gegenüberstehen", so Pham. Ferner ist er der Meinung, dass vorübergehend Polizisten zur Unterbindung kleinerer Zusammenstöße abgestellt werden müssten, bevor eine längere Phase des Dialogs und der nationalen Versöhnung beginnen kann. (Ende/IPS/kb/2014)


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http://www.ipsnews.net/2014/02/enough-money-bring-peace-car/

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veröffentlicht im Schattenblick zum 6. Februar 2014